Wanderung in der Tektonikarena Sardona
Willkommen im UNESCO-Weltnaturerbe TektonikArena Sardona. Der Begriff »Arena« suggeriert Action wie auf einem Rock-Konzert oder in einem Fußballstadion. In der TektonikArena Sardona geht es wesentlich ruhiger zu. Hier kann man sich auf eine großartige Landschaft einlassen und erfährt nebenbei einiges über die Entstehung der Alpen.
Benannt ist das Gebiet nach dem Piz Sardona, einem von drei 3000ern im gleichnamigen Massiv. Es liegt gleichzeitig im Schnittpunkt der drei Kantone Graubünden, Glarus und St. Gallen. Aber warum wurde nun ausgerechnet dieses Gebiet zum UNESCO-Weltnaturerbe?
Glarner Hauptüberschiebung
Hier befindet sich die so genannte Glarner Hauptüberschiebung, eine der bekanntesten Hauptstörungen der Alpen, bei der ältere Gesteine auf viel jüngere aufgeschoben wurden. Die Glarner Hauptüberschiebung kann man an vielen Stellen im Gelände sehen. Auf einer Tour zum Trinserhorn ist sie sehr präsent. Als fein säuberlich gezogene Linie durchquert sie die Ostseite des Piz Segnas und das Trinserhorn auf der Südseite. Die beiden Bilder oberhalb illustrieren dies anschaulich.
Aber nicht nur die Glarner Hauptüberschiebung lohnt einen Besuch. Da gibt es auch die beiden einzigartigen Segnasböden (Plaun Segnas Sura und Segnas Sut). Wer nicht unbedingt auf einen 3000er aus ist, aber dennoch eine landschaftlich wunderschöne Tour machen möchte, dem empfehle ich den Rundweg rund um die Hochebene Plaun Segnas Sura: Segneshütte – Cassonsgrat – Segnas Sura – La Siala – Segneshütte. Der Weg ist markiert und einfach zu begehen. Für die gesamte Runde ab der Alp Nagens (Bus ab Flims, Infos unter »ÖV«), solltet ihr etwa 4-4½ Std. einplanen, T2.
Trinserhorn
Das Trinserhorn ist zwar nicht der höchste Gipfel in der Kette zwischen Ringelspitz und Piz Sardona, aber der wohl markanteste. Der breite und flache Klotz fällt von vielen Bergen in der Ostschweiz ins Auge wie die Aufnahme vom Chäserrugg zeigt. Der Gipfel ist neben Piz Sardona und Piz Segnas einer von drei 3000ern im Sardona-Massiv, das zu den Glarner Alpen zählt. Das Trinserhorn wird im SAC-Führer Ringelspitz / Arosa / Rätikon beschrieben.
Bei den Romanen in der bündnerischen Surselva heißt das Trinserhorn Piz Dolf. Sardona-Massiv und Ringelspitzkette liegen nicht nur auf der Kantonsgrenze, sondern auch an der Sprachgrenze.
Das Trinserhorn ist ein leichter 3000er in Graubünden. Aber Vorsicht: Dies ist kein Berg für Einsteiger! Es hat nur bis ins Gletschervorfeld von Segnas Sura Wegspuren und es gibt außer Steinmännern auch keine Markierungen. Bei schlechter Sicht kann die Orientierung schwierig werden, besonders am Sardonapass. Die Tour verlangt Bergerfahrung und Orientierungssinn.
Erinnerungen, Erlebnisse und Geschichten
Vor fast 20 Jahren stiegen wir von Flims bei wechselhaftem Wetter über Bargis auf den Crap da Flem, den Flimserstein. Im Restaurant neben der Bergstation am Cassonsgrat kehrten wir ein, um uns aufzuwärmen. Über die Segnesböden absteigend erreichten wir die freundliche Segneshütte. Am nächsten Tag bestiegen wir bei Traumwetter die beiden Vorab-Gipfel und den Vorab Pign. Dort war außer uns an diesem Sonntag niemand.
Noch im selben Jahr stieg ich mit Bergführer auf Piz Sardona und Piz Segnas. Der Gletscherhang ins Surenjoch war schon damals sehr steil und längst keine »leichte Gletschertour« mehr. Im Abstieg mussten wir sichern. Heute wird dieser Anstieg wohl kaum mehr begangen. Beide Gletscher haben sich stark zurückgezogen und die Normalroute führt heute weiter rechts über die so genannte Mittelrippe zum Gipfelplateau. Der Gang über die Hochfläche zwischen den beiden Gipfeln ist einmalig schön!
Ein Jahr zuvor war ich im Sommer das erste Mal am Trinserhorn und an einem klaren Tag im September am Laaxer Stöckli. Die Tiefblicke von dort oben ins Glarnerland sind sensationell – wie auch vom Vorab oder vom Ofen, den ich vor einigen Jahren auch noch gemacht habe.
Tourenmöglichkeiten zum Trinserhorn
Früher war das Trinserhorn eine Tagestour. Nachdem die Bergbahn zum Fil de Cassons (Cassonsgrat) im Oktober 2015 den Betrieb eingestellte, ist dies in den letzten Jahren nicht mehr möglich. Auf dem Beitragsbild ganz oben ist fast der gesamte Anstieg ab Fil de Cassons nachvollziehbar.
Aktuell wird nun in Flims mit dem FlemXpress ein neues Bahnprojekt umgesetzt, das den Cassonsgrat miteinschließt. Wegen der Bauarbeiten bleibt die Segneshütte im Sommer 2024 daher geschlossen. Das bedeutet für euch: Entweder einen langen Anstieg in Kauf nehmen oder mit der Wanderung auf das Trinserhorn noch ein Jahr warten.
Die die einfachste Lösung wäre aktuell wohl der Anstieg von der Alp Nagens (Bus ab Laax). Von der Alp in ca. 30 Min. zur Segneshütte und in weiteren 3½-4 Std. zum Trinserhorn, 1070 Hm. Die Station Nagens ist als Ausgangspunkt weniger sinnvoll, denn man steigt von dort zunächst zur Segneshütte ab – und muss am Ende der Tour wieder hinauf!
Eine weitere Alternative wäre ein Anstieg vom Berghaus Bargis (Bus ab Flims) zur Fourcla Raschaglius. Dieser Anstieg zum Trinserhorn ist noch länger, lässt sich aber mit einer Übernachtung in Bargis auf zwei Tage verteilen, ca. 5½ Std. von Bargis bis zum Gipfel, 1480 Hm.
Hier beschreibe ich den Anstieg von der Fuorcla Raschaglius. Sie ist auf markierten Wanderwegen erreichbar, von der Segneshütte in 1½ Std. oder von Bargis in 3 Std., jeweils T2. Sobald der Cassonsgrat wieder per Bergbahn erreichbar ist, ist das mit 15-20 Min. der schnellste Zugang
Alpine Wanderung zum Trinserhorn
Von der Fuorcla Raschaglius, 2554 m, auf dem Wanderweg bis zu einer Wegverzweigung, P. 2525 m. Der markierte Wanderweg linkerhand führt weiter Richtung Segnas Sura (Oberer Segnasboden). Zum Trinserhorn zweigt rechts ein mit Steinmännern markierte Steig ab. Er gewinnt auf einem Moränenrücken langsam an Höhe. Auf ca. 2620 m quert er in die steile Flanke aus brüchigem Kalkschiefer hinein. Der Steig ist ab hier zum Teil schmal, ausgesetzt und von Steinschlag bedroht. Diese Passage nicht empfehlenswert und mitunter sogar gefährlich. So traf ich hier schon auf riesige Gesteinsbrocken, die nach Neuschneefällen gerne als kombinierte Schnee- und Gerölllawinen herab kommen.
Es gibt jedoch eine einfachere und sichere (!) Variante: Dazu verlässt man den Steig auf ca. 2620 m dort, wo dieser markant ansteigt, nach links und steigt ab zu einem kleinen Gletschersee, der bei Swisstopo mittlerweile eingezeichnet ist. Die Bäche lassen sich meist problemlos überschreiten. Links vom See steigt man problemlos über einen Moränenrücken auf und trefft rechts haltend wieder mit dem eigentlichen Steig zusammen. Zwar verliert ihr bei dieser Variante ein paar Hm und etwas Zeit, gewinnt aber deutlich an Sicherheit! Beim Abstieg wählen die meisten Tourengänger diese Variante. Über die Reste des Glatschiu dil Segnas geht’s wenig steil zum Sardonapass, 2770 m.
Vom Sardonapass in südöstlicher Richtung zunächst durch blockiges Gelände zum breiten Rücken des Trinserhorns. Über diesen steigt ihr auf Wegspuren problemlos über Schutthänge zum Nordwestgipfel, 2997 m. Einige Steinmänner weisen euch den Weg. Von hier teils durch die Flanke, teils am Grat zum Gipfelsteinmann auf dem Trinserhorn, 3028 m.
Beim zweiten Mal verzichteten wir wegen Neuschnee auf den Übergang zum Hauptgipfel. Der Weg ist zwar nicht schwierig, führt jedoch knapp unterhalb der Grathöhe in die Flanke hinein und ist daher bei Neuschnee heikel. Ein Ausrutscher hätte hier fatale Folgen, wie das Bild verdeutlicht. Im Sommer 2022 gab es auf der Nordseite einen gewaltigen Felssturz am Trinserhorn. Daher Vorsicht in der Gipfelregion!
Rundsicht vom Trinserhorn
Die Aussicht vom Trinserhorn zwischen Piz Sardona und Ringelspitz ist famos. Der lange Grat zum Ringelspitz wirkt sehr eindrucksvoll und wild. Auf der anderen Seite stehen Piz Sardona und Piz Segnas mit der Glarner Hauptüberschiebung. Links davon erheben sich einige bekannte Gipfel der Glarner Alpen wie Hausstock und Vorab, die jedoch vom gewaltigen Massiv des Tödi beherrscht werden.
Im Süden präsentieren unzählige Bündner Berge, besonders die Adula zwischen Hinterrrheintal und Lukmanier, an die sich rechts davon die Gotthardberge anschließen.
Sehr beeindruckend ist der Tiefblick ins Calfeisental. Die meist grünen Gipfel nördlich davon stehen im Gegensatz zu den wilden Bergen südlich des Tals. Höchster Berg nördlich ist der Pizol, hinter dem man knapp rechts dahinter die Pyramide der Schesaplana erkennt. Im Norden geht der Blick über die Berge in der TektonikArena Sardona zu den Voralpen um Säntis und Churfirsten und weit hinaus ins Flachland und zum Bodensee.
Ausgangs- und Endpunkt
Cassonsgrat oberalb von Flims. Bergbahn voraussichtlich ab 2025. Derzeit nur zu Fuß erreichbar. Alternativen im Text. Flims ist mit dem Bus von Chur und Illanz erreichbar (90.081). Bus ab Flims nach Nagens (90.125) und nach Bargis (90.118). Flims & Laax sind natürlich auch mit dem Pkw erreichbar. Die Parkplätze sind gebührenpflichtig!
Zeiten & Höhenmeter
Fuorcla Raschaglius – Sardonapass 1½ Std.
Sardonapass – Trinserhorn 1 Std.
Trinserhorn – Sardonapass 45 Min.
Sardonapass – Fuorcla Raschaglius 1 Std.
480 Hm
Anforderungen & Jahreszeit
T4-, Bergerfahrung, Orientierungssinn und Trittsicherheit erforderlich
Mitte Juli bis Ende September
Swisstopo 25, 1174 Elm & 1194 Flims (ohne Wanderwege, aber sehr genau und wunderschön). Das Trinserhorn liegt leider im Schnittpunkt von zwei Blättern.
Swisstopo 50, 247 T Sardona (wasserfest, mit Wanderwegen der Schweizer Wanderwege).
Swisstopo-App für Smartphone und Tablet.
Infos und Blattschnitte bei Swisstopo.
Hunziker Manfred: Clubführer Ringelspitz / Arosa / Rätikon, SAC Verlag, Bern, 2010. Wie alle SAC-Führer zwar nicht unbedingt preiswert, aber im gewohnt exakten und souveränen Stil von Manfred Hunziker. Topp!
Segneshütte (in 2024 wegen Bauarbeiten der Bergbahnen geschlossen)
Am Cassonsgrat wird es erst nach Fertigstellung der neuen Bahn ein Restaurant geben.
Flims ist mit dem Bus von Chur und Illanz erreichbar (90.081). Bus ab Flims nach Nagens (90.125), Bus nach Bargis (90.118). Die Bergbahn zum Cassonsgrat nimmt voraussichtlich zur Wintersaison 2024/2025 den Betrieb auf.
Die Schweiz hat das beste System des öffentlichen Verkehrs – zumindest im Alpenraum. Ich habe selbst ein Halbtax-Abo (»Schweizer Bahncard«). Das Halbtax ist nicht nur in den Zügen, sondern auch in Bussen und vielen Bergbahnen gültig. Die Bahntickets sind nicht gerade preiswert, Parkplätze und Parkhäuser aber auch nicht.
Infos zu Preisen und Verbindungen:
graubünden invia (Verkehrsverbund)
Flims Laax Falera (Bergbahnen, Tourismus usw.)
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