Charakterberge in der Ostschweiz
Die Churfirsten gehören zu den eigenwilligsten Bergen der Schweiz. Sie liegen geografisch zwischen dem Alpstein im Norden und dem Walensee im Süden. Nach Norden (Toggenburg und Rheintal), zeigen sie ihre charakteristischen Pultdächer. Nach Süden zum Walensee stürzen sie hingegen mit prallen Steilwänden ab. Unter anderem diese Gegensätze machen sie so interessant. Wenn ihr die Churfirsten zum ersten Mal von Norden seht, könnt ihr euch nicht vorstellen, was sich auf der anderen Seite verbirgt – einer der schönsten Seen der Alpen, der Walensee. Einem Fjord gleich liegt er zu Füßen der Churfirsten und wird von ihnen um bis zu 1800 Hm überragt! Müsste ich meine Lieblingsberge nennen – die Churfirsten wären in jedem Fall dabei.
Manche Historiker vetreten die Ansicht, dass sich der Name von den sieben deutschen Kurfürsten ableitet. Aber wieso sollten ausgerechnet die freiheitsliebenden Eidgenossen ihre Berge nach den deutschen Reichsfürsten nennen? Und würden die Gipfel dann vielleicht Philipp, Hermann oder Berthold heißen?
Für mich eher nachvollziehbar ist eine andere, viel einfachere Erklärung: Die Bergkette bildete in früheren Zeiten die Grenze gegen Chur und die ehemalige spätrömische Provinz Churrätien. Die Gipfel wären demnach Grenzfirsten – die Bezeichnung »First« bedeutet hier eine langgezogene Bergkette mit verschiedenen Einzelgipfeln. Wie auch immer: Selun, Frümsel und Brisi sind in jedem Fall originellere Namen!
Die Churfirsten verbindet man in erster Linie mit dem Toggenburg. Dies mag daher kommen, dass die Normalwege alle im Toggenburg starten.
Um für euch die Orientierung etwas einfacher zu machen, habe ich hier zwei beschriftete Panoramen eingefügt. Einmal von Norden …

… und als Kontrast einmal von Süden.

7 oder 6 Gipfel?
Sind es nun sieben oder nur sechs Gipfel? Oder am Ende vielleicht sogar mehr als zehn? Je nach Perspektive eine interessante oder belanglose Frage. Fest steht, dass man mit dem »klassischen« Bergriff Churfirsten die sieben Gipfel zwischen Chäserrugg und Selun meint.
Westlich schließen sich noch weitere Gipfel an: Wart, Schären, Nägeler (früher Nägeliberg), Glattchamm sowie die drei Leistchamm-Gipfel. Diese Erhebungen werden allgemein nicht als Churfirsten angesprochen. Manche Tourengänger auf dem Portal hikr.org haben sie daher als »Neue Churfirsten« bezeichnet.
Bergführer Thomas Wälti kommt auf 21 selbständige Gipfel zwischen der Nideri und dem Hinter Leistchamm bei Amden. Im warmen Sommer 2003 überschritt er mit Christoph Angst die Churfirstenkette in einem Rutsch, in insgesamt 16 Stunden!
Wanderungen in den Churfirsten
Bleiben wir doch einfach bei den sieben Gipfeln zwischen Chäserrugg und Selun. Für Bergwanderinnen & Bergwanderer gibt es hier reichlich Möglichkeiten. Allein das Duo Hinterrugg-Chäserrugg bietet nicht weniger als fünf eigenständige Anstiege, Varianten nicht mitgerechnet.
Die Normalanstiege erfolgen ausschließlich von Norden über die fast schon kurios anmutenden Pultrücken. Die zum Teil senkrechten Wände auf der Südseite bleiben hingegen Kletterern der schärferen Richtung vorbehalten. Ausnahme ist der Aufstieg von Lüsis/Tschingla durch das Valsloch, ein steiles Couloir, zum Hinderrugg.

Auch die markierten Südanstiege zur Gocht und zur Palisnideri sind sehr ausgesetzte Steige, die Erfahrung, absolute Trittsicherheit und vor allem Schwindelfreiheit verlangen!
Die in den Kästen angegeben Zeiten beziehen sich auf die Normalwege. Weitere Tourenmöglichkeiten findet ihr im SAC-Führer.
Hinderrugg & Chäserrugg
Dieses Duo kann man nicht getrennt betrachten. Das Doppelgespann Hinderrugg & Chäserrugg gehört fest zusammen. Es wird oft die Frage gestellt, ob der Chäserrugg tatsächlich als ein eigenständiger Gipfel angesehen werden darf. Die Kritik bezieht sich in erster Linie darauf, dass die Einschartung zwischen den beiden nicht markant genug sei. Betrachtet man aber die beiden Rücken, wird klar: Es sind zwei Gipfel.

Der Hinterrugg wird bei Swisstopo seit einiger Zeit »Hinderrugg« geschrieben. Swisstopo ist vermehrt dazu übergegangen, Namen in Mundart zu schreiben. Eine, wie ich finde, unglückliche Entscheidung, denn dies wird nicht immer konsequent umgesetzt. Auf Wegweisern stehen weiterhin die hochdeutschen Namen.
Abgesehen vom Anstieg durch das Valsloch sind alle Wege auf das Duo einfach. Dennoch verlangen sie zumindest Trittsicherheit und bei Nebel auch Orientierungssinn. Einzig der breite Rücken zum Chäserrugg stellt keine besonderen Anforderungen. Am Gipfel steht die Bergstation der Chäserugg-Bahn.
Das Duo Hinderrugg & Chäserrugg hat insgesamt fünf verschiedene Normalanstiege im Programm: Über die beiden Rücken, durch das Gluristal, von der Voralp und den anspruchsvollsten Weg von Süden durch das Valsloch. Die Anforderungen liegen meist zwischen T2 und T3 und erfordern Trittsicherheit. Nur das Valsloch ist mit T3+ schwieriger. Der direkte Steig von der Tschingla über das Chammsässli ins Valsloch ist noch eine Nuance anspruchsvoller.
Zeiten & Höhenmeter Selamatt – Hinderrugg 2¾ Std.
Hinderrugg – Chäserrugg 15 Min.
Chäserrugg – Selamatt 2 Std.
930 Hm
Schibenstoll
Mein erster Besuch am Schibenstoll stand wie zwei Tage zuvor am Brisi im Zeichen der Bise. Im Gegensatz zum Brisi war ich am Schibenstoll aber zeitig unterwegs und konnte die Rundsicht noch eine Zeit lang genießen, bevor der Nebel alles einhüllte.

Er ist vielleicht der unbekannteste Churfirst. Die Anforderungen liegen zwischen denen der beiden Nachbargipfel: anspruchsvoller als der Hinderrugg, leichter als der Zuestoll. Das Band zwischen den Wänden, auf dem der Weg verläuft, sollte unbedingt schneefrei sein. Dies ist normal ab Juni der Fall. Mit Trittsicherheit ist der Anstieg dann kein Problem.
Die Schibenstoll wird von der Bergstation Selamatt bestiegen, T3, Trittsicherheit.
Zeiten & Höhenmeter Selamatt – Schibenstoll 2¾ Std.
Schibenstoll – Selamatt 2 Std.
850 Hm
Zuestoll
Der Zuestoll steht schon lang auf meiner Liste. Der einzige Churfirst, auf dem ich immer noch nicht war. Fast jedes Jahr nehme ich mir vor, ihn zu machen. Im Laufe des Jahres werden dann andere Ziele wichtiger. Aber er läuft ja nicht weg.

Er ist der anspruchsvollste der sieben Churfirsten. Wer ihn besteigen möchte, braucht neben absoluter Trittsicherheit eine solide Portion Schwindelfreiheit. Der Anstieg wartet mit gesicherten und zum Teil ausgesetzten Abschnitten auf. Er ist als einziger der sieben Gipfel blau-weiß markiert. Für Unerfahrene also nicht die beste Wahl für die erste Tour in den Churfirsten.
Die Zuestoll wird üblicherweise von der Bergstation Selamatt bestiegen, T4, Trittsicherheit und Schwindelfreiheit. Keine Tour für Einsteiger!
Zeiten & Höhenmeter Selamatt – Zuestoll 3 Std.
Zuestoll – Selamatt 2 Std.
850 Hm
Brisi
Bise am Brisi. Beim ersten Mal saß ich oben im Nebel. Die Bise hatte die Voralpen komplett im Griff. Zwar war in der Tiefe der Walensee zu sehen, aber sonst nicht viel. Beim zweiten Besuch im Oktober hatten wir dann Traumwetter. Es war ein wunderschöner Tag mit Fernsicht, dazu warm, ein perfekter Bergtag. Den Brisi erreicht ihr bei normalen Verhältnissen ohne Probleme.

Ihr habt es vielleicht schon bemerkt: Falls der Schweizer Wetterbericht von Bise (= Ost- oder Nordostwind) spricht, sind die Churfirsten und die Schweizer Voralpen insgesamt nicht die beste Region. Die Bise treibt die Feuchtigkeit in die Höhe, die sich dann an den Berggipfeln festsetzt. Bis es wieder aufmacht, wird es meist (später) Nachmittag.
Der Brisi wird üblicherweise von der Bergstation Selamatt bestiegen, T3, Trittsicherheit.
Zeiten & Höhenmeter Selamatt – Brisi 3 Std.
Brisi – Selamatt 2 Std.
890 Hm
Frümsel
Am Tag nach dem WM-Finale 1998 war ich mit einem Freund oben, der auch Peter heißt. Peter & Peter am Frümsel. Ein diesiger Tag und damals noch mit Dias unterwegs, bei denen es sich nicht lohnt, sie zu scannen. Ein erneuter Besuch steht daher schon lange auf meiner Liste. Wie viele andere Berge auch …

Der Anstieg ist zwar steil, aber es hat nur ganz unten am Beginn des Rückens in einer Stufe eine anspruchsvolle Stelle. Trittsicherheit solltet ihr am steilen Rücken aber in jedem Fall mitbringen. Der Weg ist selbst von der Selamatt lang, sodass am Frümsel eher weniger los ist als auf den anderen Churfirsten. Die Selunbahn verkürzt die Tour erheblich.
Der Anstieg zum Selun führt von Starkenbach im Toggenburg über Vorderselun und den steilen Rücken zum Gipfel, T3, Trittsicherheit. Auffahrt mit der Selunbahn möglich.
Zeiten & Höhenmeter Starkenbach – Frümsel 4¼ Std.
Frümsel – Starkenbach 3 Std.
Vorder Selun – Frümsel 3 Std.
Frümsel – Selamatt 3 Std.
1380 Hm, 690 Hm ab Vorder Selun
Selun
Gemeinsam mit dem Duo im Osten ist der Selun der einfachste Churfirst. Die Anforderungen sind hier eher konditioneller Natur. Wer die Fahrt in einer luftigen Kiste nicht scheut, kann den Anstieg mit der Selunbahn deutlich verkürzen. Ihr solltet in jedem Fall vorher die Betriebszeiten abklären.

Der flache Rücken ist perfekt für eine Schneeschuhtour geeignet, die man aufgrund der nordseitigen Exposition noch im Frühjahr machen kann. Als ich seinerzeit anfangs April oben war, durfte ich auf den Churfirsten ein besonderes alpines Flair genießen. Ich war ganz allein oben, alles war noch schneebdeckt, aber bei angenehmen Temperaturen.
Der einfachste und übliche Anstieg zum Selun führt von Starkenbach im Toggenburg über Vorderselun und den langen Rücken einfach zum Gipfel, T2. Auffahrt mit der Selunbahn möglich. Im Winter lohnende Schneeschuhtour.
Zeiten & Höhenmeter Starkenbach – Selun 3¾ Std. ¾
Selun – Starkenbach 1¾ Std.
Vorder Selun – Selun 1¾ Std.
Selun – Vorder Selun 1¼ Std.
1320 Hm, 630 Hm ab Vorder Selun
Ausgangspunkte
Alle Normalanstiege auf die sieben Churfirsten führen über die nordseitigen Rücken. Ihr werdet also in der Regel im Toggenburg (Unterwasser, Alt St. Johann, Starkenbach) starten. Im Toggenburg verkehrt regelmäßig das Postauto zwischen Nesslau und Buchs im Rheintal (80.790). Alternativ von der Voralp zum Chäserrugg, Bus ab Grabs im Rheintal (80.412).
Ab Unterwasser führt eine Seilbahn in zwei Sektionen (2767, 2768) via Iltios zum Chäserrugg. Von Alt St. Johann führt eine Seilbahn nach Selamatt (2765).
Nur beim Duo Hinderrugg-Chäserrugg ist ein südseitiger Anstieg ab Walenstadtberg möglich. Bus ab Bahnhof Walenstadt (80.443). Walenstadt liegt an der Bahnlinie Zürich-Chur (900).
Zeiten & Höhenmeter
Die Angaben findet ihr direkt bei den einzelnen Gipfeln.
Anforderungen & Jahreszeit
Ihr solltet die Churfirsten keinesfalls unterschätzen. Es sind mitnichten »harmlose Grasberge«. Abgesehen vom Rücken auf den Chäserrugg verlangen alle Anstiege zumindest Trittsicherheit, am Zustoll ist auch Schwindelfreiheit gefragt. Bei rutschigem Boden oder gar Schnee und Eis werden die Wege rasch anspruchsvoll bis gefährlich!
Die besten Verhältnisse finden sich in der Regel etwa ab Juni bis Oktober. Diese allgemeinen Angaben können jedes Jahr variieren.
Swisstopo 25, 1134 Walensee. Das perfekte Blatt für die Churfirsten.
Swisstopo 25, 1135 Buchs. Ergänzung für die Anstiege vom Voralpsee.
Swisstopo 50, 237 T Walenstadt, wenn ihr eine Karte mit eingetragenen Wanderwegen bevorzugt, ist dies die erste Wahl.
Swisstopo-App für Smartphone und Tablet.
Infos und Blattschnitte bei Swisstopo.
Hunziker, Manfred: Clubführer Säntis – Churfirsten, SAC Verlag, Bern, 1999. Beschreibt alle Berge zwischen Appenzell und dem Walensee. Mehr geht nicht, sehr empfehlenswert!
Widmer, Erich & Etter, Paul & Eschenmoser, Jakob: Churfirstenführer, Verlag Paul Haupt, Bern, 2. Auflage 1983. Der Vorgänger des SAC-Führers, etwas veraltet und nur noch antiquarisch erhältlich. Mit interessanten Schwarz-Weiß-Bildern und lesenswerten Kapiteln zur Geologie und zu Orts- und Flurnamen. Für die damalige Zeit fast schon ein Meilenstein in Sachen Layout und Optik!
Zopfi, Emil: Churfirsten – Über die sieben Berge, AS Verlag Zürich, 2006. Wunderbare Bergmonografie, fantastisches Buch, das eines Tages zum Klassiker avancieren wird – quasi schon jetzt die »Churfirsten-Bibel«!
Gipfelrestaurant Chäserrugg, nur Einkehr
Bergrestaurant Iltios, nur Einkehr
Bergbahnen Chäserrugg & Alp Sellamatt
Die Schweiz hat das beste System des öffentlichen Verkehrs – zumindest im Alpenraum. Ich habe selbst ein Halbtax-Abo (»Schweizer Bahncard«). Das Halbtax ist nicht nur in den Zügen, sondern auch in Bussen und vielen Bergbahnen gültig. Die Bahntickets sind nicht gerade preiswert, Parkplätze und Parkhäuser aber auch nicht.
Infos zu Preisen und Verbindungen:
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