Wandern zwischen Reschen, Nauders und Unterengadin
Der Piz Lad erhebt sich über drei Ländern (Italien, Schweiz, Österreich). Er ist jedoch keine »Dreiländerspitze«. Österreich hat keinen Anteil am Gipfel. Der Dreiländerpunkt P. 2181 m, liegt nordöstlich unterhalb des Gipfels. Aber natürlich umfasst die Rundsicht auch viele Berge in Österreich. Und sogar die Zugspitze, höchster Berg Deutschlands, ist vom Gipfel sichtbar.
Bis heute hält sich neben Piz Lad auch die Schreibweise Pit Lat. Mit Milch hat der Name des Berges wohl kaum zu tun. »Lad« ist rätoromanisch für »breit«. Wer den Berg von Reschen oder aus dem Unterengadin sieht, wird den Namen für zutreffend halten. Nicht weit entfernt steht das Gegenstück zum Piz Lad – der Piz Ajüz (sprich: Agüz), der »Spitze Spitz«. Vom Unterengadin aus gesehen bilden sie eine Einheit. Sie sind die letzten Gipfel der Unterengadiner Dolomiten am östlichen Rand der Schweiz.
Wie der Piz Lad ist auch der Piz Ajüz von der Schweizer Seite nur sehr umständlich und mühsam erreichbar. Bei ihm führt der schnellste und einfachste Anstieg ebenfalls von der Südtiroler Seite (Rojen) zum Gipfel. Einige Gegenanstiege ergeben jedoch in Summe mehr als 1150 Hm! Wer aber partout aus dem Unterengadin zum Gipfel steigen will: Hier wären es sogar fast 1700 Hm …
Der Piz Lad hat zwei sehr gegensätzliche Seiten – nach Norden senkrechte Wände aus brüchigem Kalk, nach Süden steile Graspleisen, die mit einem Weg bestens erschlossen sind. Das Bild lässt die Unterschiede erahnen. Man sieht auch die drei Gipfelpunkte.
Tabacco nennt am Piz Lad von Nordost nach Südwest vier Gipfelpunkte: Gipfelkreuz P. 2782 m, »Hauptgipfel« mit Steinmann P. 2808 m, höchster Punkt P. 2810 m und P. 2800 m. Bei Swisstopo differieren die Höhen geringfügig. Die Überschreitung kann ich trittsicheren Bergwanderinnen & Bergwanderern unbedingt empfehlen. Falls Steinböcke am Weg liegen, bitte großräumig umgehen, um die Tiere nicht zu stören.
Im Reich der Steinböcke
Mein erster Besuch am Piz Lad ist schon sehr lange her. 30 Jahre um genau zu sein. Im Juli 1994 erreichte ich den Gipfel an einem diesigen Sommertag mit wenig Fernsicht. Schon lange stand daher ein Besuch in meinem jährlichen »Tourenprogramm«. Dieses Mal hatte ich einen Volltreffer gelandet. Das Wetter zeigte sich von seiner besten Seite. Zum Traumwetter zählen für mich auch Schleierwolken. Ohne die fotogenen Wolken wären die Bilder nicht im Ansatz so schön.
Auch hatte ich das Glück, viele Steinböcke anzutreffen. Getrennt in die Steingeißen mit den Jungtieren und die männlichen Böcke mit ihren großen Hörnern. Ein unvergleichliches Erlebnis, auf einem Gipfel zu rasten, während in 50-100 m Entfernung ein Rudel Steingeißen liegt und grast.
Nachdem ich das Rudel in ausreichender Entfernung umgangen hatte und den zweiten, fast exakt gleich hohen Gipfelpunkt erreicht hatte, folgte die Überraschung: im nächsten Sattel lagen weitere Steinböcke – eben die männlichen Tiere. Sie waren nur zu acht, aber mit eindrucksvollen Hörnern. Auch sie umging ich in großem Abstand. Die männlichen Tiere machten einen sehr gelassenen und entspannten Eindruck, ließen sich in keiner Weise stören.
Wanderung von der Rescher Alm auf den Piz Lad
Wenn ihr bei der Kopferbrücke, 1792 m, startet, kommen noch 1¾ Std. insgesamt dazu. Der Weg führt ohne Orientierungsprobleme auf einem breiten Fahrweg zur Rescher Alm (früher Reschener oder Reschner Alm), 2020 m.
Von hier weiterhin auf dem Fahrweg, bis die Nummer 5 nach links auf einen anderen Fahrweg abzweigt. Noch um ein Eck herum, dann verlasst ihr links haltend den Fahrweg auf einem Wanderweg. Es geht nun steiler über einen Rücken empor, bis ihr wieder auf einen breiteren Weg trefft. Was zunächst wie ein Wirtschaftsweg aussieht, entpuppt sich weiter oben als ehemaliger Militärweg. Vorbei am Sesslad Kreuz, 2342 m, in eine Mulde und weiter auf dem Militärweg zum Beginn des breiten Rückens des Piz Lad. Viel einfacher als erwartet passiert ihr die ersten etwas steileren Stufen. Trittsicherheit ist im Kalkgeröll dennoch angenehm.
Der Weg zieht in Kehren direkt in Richtung Gipfelkreuz. Auf ca. 2630 m weist der Wegweiser jedoch nach links. Man könnte zwar von hier auch direkt ansteigen, aber das bringt kaum Zeitgewinn und ist eher mühsamer – auch wenn es direkter aussieht. Bei OTM ist dieser Weg korrekt eingezeichnet. Einfach auf die Karte unten klicken und vergrößern. Gleiches gilt für OSM. Warum der Weg nun so ausgeschildert ist, erschließt sich nicht sofort. Ich könnte mir vorstellen, dass dies aus Erosionsschutzgründen geschieht. Mit der weit ausholenden Kehre, wie im Bild oben schön zu sehen, geht es schließlich hinauf zum Gipfelkreuz am Osteck des Piz Lad, 2782 m.
Bereits von hier genießt man eine spektakuläre Aussicht. Selbst wenn ihr nicht die gesamte Überschreitung machen wollt, lohnt sich der Weg zum ersten Gipfelpunkt in jedem Fall. Er dauert gerade mal 10 Min. Dann seid ihr am Steinmann bei P. 2808 m, dem Gipfel des Piz Lad. Zumindest steht der Name in allen Karten bei diesem Punkt.
Auf diesem Punkt hat man das Gefühl, der nächste Punkt könnte etwas höher sein. Auf P. 2809 m, denkt man hingegen, dass der erste Gipfel vielleicht doch etwas höher gewesen sein könnte …
Rundsicht vom Piz Lad
Die Angaben beziehen sich auf den eigentlichen Piz Lad, der vom Gipfelkreuz aus rasch erreichbar ist. Von jedem Gipfelpunkt ist die Rundsicht ein wenig anders. Müsste ich einen Favoriten nennen, wäre dies der Punkt, auf dem ich meine Gipfelrast verbringe. In jedem Fall einen klaren Tag abwarten.
Die Tiefblicke in die Finstermünzschlucht und ins Engadin sind sehr eindrucksvoll. Achtung: Nicht zu weit auf die Kante steigen. Bei dem bröseligen Kalk weiß man nie …
Blickfang ist die lange Kette der Unterengadiner Dolomiten: Vom mächtigen Piz S-chalambert Dadaint über Piz Lischana und Piz Pisoc bis zum Piz Nuna in der Nähe der Lais da Macun im Schweizer Nationalpark, präsentiert sich hier eine sehr eindrucksvolle Bergkette. Dahinter erkennt man am Horizont noch die Albulaberge, mit Piz Kesch, Piz Vadret und Schwarzhorn.
Im Norden dominiert der mächtige Muttler, höchster Berg der Samnaungruppe. Nach links schließen sich die Silvretta-Gipfel an: Fluchthorn, Piz Tasna, Piz Buin und Piz Linard sind die auffälligsten. Rechts und links vom Muttler stehen die vielleicht wildesten Samnaunberge: links der nicht ganz so dominante, weil etwas zurückversetzte Stammerspitz, nach rechts Piz Mundin und Piz Alpetta.
Richtung Osten dominieren die Ötztaler Alpen, vom Schmalzkopf bei Nauders über Kaunergrat, Glockturm, Wildspitze und Weißseespitze zur Weißkugel und den vielen unbekannten Bergen über dem Planeiltal. Darunter liegt der Reschensee zu unseren Füßen.
Die Ortlergruppe im Süden ist schon ein gutes Stück entfernt. Der Ortler selbst erhebt sich knapp rechts über der Elferspitze, dem höchsten Gipfel der Rojener Sonnenuhr.
Überschreitung und Abstieg
Nach dem ersten Gipfel könnte man den nächsten Punkt auch umgehen – die Wegspur Nummer 5 A deutet dies zumindest an. Ein Hinweis darauf, dass weitaus mehr diesen Punkt umgehen als überschreiten. Viel lohnender und kaum schwieriger ist es, der Kammlinie zu folgen. Vom zweiten Gipfel führt die Wegspur in den nächsten Sattel und auf eine letzte Erhebung, die ebenfalls fast noch die 2800-m-Marke erreicht oder, je nach Karte, überschreitet.
Der folgende Abstieg verlangt im steilen Kalkgeröll Trittsicherheit. Im nächsten Sattel ändert sich das Gestein: dunkle Gneise bestimmen nun das Landschaftsbild. Der Weg umgeht den dunklen Kamm auf der Westseite bis in einen weiteren, unscheinbaren Sattel, ca. 2710 m. Hier findet ihr keine Beschilderung, ein Grenzstein dient als Orientierung. Knapp davor macht der in diesem Bereich nicht sehr ausgeprägte Steig eine Biegung nach links. Der Steig führt steil in das Klampertal unter dem Piz Lad (Grüne Pleisen) und führt abwechselnd durch Kalkgestein oder dunklen Gneis hinab zum Weg Nummer 5. Auf dem Anstiegsweg zur Rescher Alm.
Ausgangs- und Endpunkt
Rescher Alm, zuletzt nur auf einer geschotterten Straße erreichbar. Achtung: Die Straße darf zwischen 10 und 16 Uhr nicht befahren werden! Parkplätze bei der Alm. Alternativ Start bei der Kopferbrücke im Rojental, Parkplätze.
Zeiten & Höhenmeter
Kopferbrücke – Rescher Alm 1 Std.
Rescher Alm – Piz Lad 2½ Std.
Piz Lad – Sattel ca. 2710 30 Min.
Sattel ca. 2710 – Rescher Alm 1¼ Std.
Rescher Alm – Kopferbrücke 45 Min.
810 Hm, 1030 Hm ab Kopferbrücke, inkl. Gegenanstiege
Anforderungen & Jahreszeit
T3, Trittsicherheit in der Flanke und am Gipfelgrat, ohne Überschreitung T2+
Juni bis Oktober, in manchen Jahren bis November
Tabacco: 043 Vinschgauer Oberland, 1:25 000. Beste Wanderkarte. Zudem enthalten die Karten von Tabacco mehr kotierte Punkte als die anderen Karten (abgesehen von Swisstopo) und sind mittlerweile wetter- und reißfest.
Kompass: 041 Obervinschgau, 1:25 000. Ebenfalls geeignet, aber eine Nuance schwächer als Tabacco.
Swisstopo 25: 1199bis Piz Lad, schönste Darstellung, aber ohne farbliche Hervorhebung der Wanderwege.
Klier, Henriette & Hirtlreiter, Gerhard: Vinschgau, Reschenpass – Sulden – Martelltal – Schnalstal, Bergverlag Rother, München, 10. Auflage 2022.
Rochlitz, Karl-Heinz: Südtirol für Bergwanderer Band 1 Vinschgau, Athesia-Tappeiner, Bozen, 3. Auflage 2000. Zuletzt unter dem Titel Bergwandern in Südtirol erschienen. Zwar nicht mehr überall aktuell, aber bis heute der beste Gebietswanderführer über den Vinschgau mit ausführlichen Wegbeschreibungen und einer exzellenten Bebilderung. Unübertroffen! Leider kaum mehr erhältlich.
Kein ÖV im Rojental. Wer mit dem Bus anreist, muss bereits in Reschen starten.
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