Wandern im ältesten Nationalpark in Europa
Als dritter Nationalpark weltweit und als erster in Europa wurde 1914 der Schweizer Nationalpark gegründet. Oberste Ziele sind die Entwicklung der Natur ohne menschliche Eingriffe und die Forschung. Der Park liegt in den Gebirgsgruppen der Livigno-Grosina-Alpen und der Sesvenna-Lischana-Gruppe. Meist haben wir hier Sedimente, kristalline Gesteine finden sich lediglich im Bereich von Macun.
Der Park hat eine sehr strenge Besucherordnung. Er wurde in einer Zeit gegründet, als es in den Alpen noch wenig Tourismus gab. Damals war es problemlos möglich, den Bewegungsdrang der Besucherinnen & Besucher auf einige wenige markierte Wege und Plätze zu begrenzen. Heute wäre das wohl kaum mehr möglich, wie andere Nationalparks in den Alpen zeigen. Noch deutlicher wurde das Problem bei der Diskussion um einen zweiten Nationalpark in der Schweiz, den Parc Adula. Die Idee scheiterte letztlich nicht zuletzt deshalb, weil zu viele unterschiedliche Interessen hätten berücksichtigt werden müssen.
Die Wege im Nationalpark sind gut markiert und ausgeschildert. Dabei handelt es sich meistens um Tal- und Passwanderungen. Von den vielen Gipfeln im Park dürfen lediglich zwei bestiegen werden: Munt la Schera und Piz Quattervals. Und eben auch der auf der Parkgrenze gelegene Spi da Baselgia.
Per Volksentscheid in der Gemeinde Lavin wurde der Nationalpark im Jahr 2000 um die einzigartige Seenplatte von Macun erweitert. Dieses Gebiet ist quasi eine Exklave, liegt es doch außerhalb des eigentlichen Parkgebietes. Zusätzliche Erweiterungen für eine Randzone wurden von den Stimmberechtigten der beiden anderen Orte, Zernez und Tarasp, abgelehnt. Der Nationalpark ist ein bedeutender Anziehungspunkt im Unterengadin und in der Val Müstair und damit gleichzeitig ein wichtiger wirtschaftlicher Faktor für die Region.
Ein Abweichen vom markierten Wanderweg ist wie überall im Schweizer Nationalpark auch auf den Wegen zu den Lais da Macun verboten! Dies gilt hier vom Gipfel des Spi da Baselgia bis zur Stufe unterhalb der Seen. Im Gelände weisen Markierungspfosten darauf hin. In den Karten von Swisstopo ist die Parkgrenze eingetragen. Außerdem gut zu wissen: Hunde sind im Schweizer Nationalpark nicht erlaubt.
Mehr Infos zum Schweizer Nationalpark findet ihr weiter unten im Kasten.
Der »Kirchenberg« von Zernez
In älteren Karten hatte P. 2945 keinen Namen. Als Munt Baselgia (sprich: Baseltscha) wird der gesamte Berghang nordöstlich oberhalb von Zernez bezeichnet. In der Karte steht der Name bei der unbedeutenden Schulter P. 2681. Baselgia ist rätoromanisch und bedeutet »Kirche«. Der Munt Baselgia ist demnach der »Kirchenberg«. Der höchste Punkt heißt bei Swisstopo nun Spi da Baselgia. Das charakterisiert den Gipfel tatsächlich sehr gut, denn das rätoromanische Wort »Spih« bedeutet »Grat«. Der Grat bildet hier keinen besonders markanten Gipfelpunkt. Es ist eher ein lang gezogener Rücken, der eine leichte Gipfelüberschreitung und gleichzeitig den einfachsten Übergang von Zernez nach Lavin oder umgekehrt ermöglicht. Wenn ihr vom Gipfel zu den Lais da Macun absteigt, begeht ihr den Grat bis in die Fuorcletta da Barcli.
Der Blick vom Spi da Baselgia auf die Lais da Macun hinterlässt einen tiefen Eindruck. Die Momente auf dem Gipfel, mit dem Blick auf die Seen und die Berge dahinter und drum herum, werdet ihr nie mehr vergessen! Man kann sich kaum von diesem Anblick trennen – zumal bei Traumwetter wie ich es hatte. Zweifellos eine der schönsten Bergwanderungen im Engadin!
Es handelt sich um eine lange und anstrengende Tour, die eine solide Kondition erfordert. Der Anstieg lässt sich mit dem Wanderbus bis Plan Sech wesentlich verkürzen und damit 2 Std. Anstiegszeit einsparen. Dennoch solltet ihr den Zeitbedarf keinesfalls nicht unterschätzen. Auch der Abstieg ist sehr lang und ganz zum Schluss wartet auf euch noch eine kleine Gegensteigung nach Lavin.
Die Rundtour lässt sich perfekt mit dem ÖV durchführen. Wie viele anderen Touren in Graubünden ist die Wanderung zu den Lais da Macun ein gutes Beispiel für Bergwanderungen mit der Rhätischen Bahn.
Anstieg zum Spi da Baselgia
Vom Bahnhof Zernez, 1471 m, folgt ihr den Wegweisern bis zur großen Kreuzung, an der sich die Hauptverkehrsstraßen treffen. Die Kreuzung überqueren und unterhalb der Kirche vorbei zu einer Abzweigung. Hier ist es egal, wie ihr euch entscheidet, beide Alternativen treffen oberhalb bereits nach etwa 15 Min. wieder zusammen. Links herum auf einem Wanderweg durch den Wald, der den Fahrweg abkürzt, ist es schöner. Ihr trefft erneut wieder auf den Fahrweg, folgt ihm nur kurz, bis nach rechts wieder ein Wanderweg abzweigt. Der Wechsel zwischen Fahr- und Wanderweg geht dann noch eine Zeit lang weiter. Dabei gibt es aber keine Orientierungsschwierigkeiten. Es ist alles bestens beschildert und markiert. Wenn ihr morgens zeitig dran seid, könnt ihr einen großen Teil des Anstiegs im Schatten bewältigen. Bei einer Hütte, 2266 m, endet der Fahrweg. Bis hierher (Plan Sech) ist eine Auffahrt mit dem Wandertaxi Macun-Shuttle möglich. Der Wanderweg zum Munt Baselgia zweigt bereits kurz vor der Hütte nach links ab.
Der Anstieg wird nun steiler und führt durch die Lawinenverbauungen und teilweise durch Blockfelder in Kehren bis zum eigentlichen Munt Baselgia, 2681 m. Dieser Vorsprung wird auf der Karte so bezeichnet. Er gewährt bereits einen sehr schönen Tiefblick auf Zernez, das mittlere Engadin und viel Gipfel der Region, ist aber lediglich eine Schulter im Südwestgrat unseres Gipfel. Nordöstlich ragt die runde Kuppe des Spi da Baselgia in den Himmel. Über den Kamm steigt die Spur steil dem Gipfel entgegen. Nach der Querung durch ein großes Blockfeld, erreicht ihr ziemlich rasch den Gipfel des Spi da Baselgia, 2945 m, mit Steinmann und Gipfelbuch.
Was für eine Aussicht! Unten im Kessel liegen die Perlen der Lais da Macun, umgeben von unbekannten und einsamen Gneisgipfeln. Dahinter die Berge der Südsilvretta und des Samnaun. Im Süden sehr ihr hinter den Bergen des Nationalparks die Eisgipfel der Bernina. Rechts vom Engadin steht die komplette Ostfront der Albulaberge. Im Osten über der Ofenpassregion zeigt sich der Ortler mit seinen Trabanten. Er steht genau auf der Achse des mittleren Engadins und bietet neben dem Blick auf die Seen den vielleicht schönsten Überblick über das Engadin zwischen Zernez und Samedan. Aber die Seen unter uns stellen alles andere in den Schatten. Bilder von unbeschreiblicher Schönheit!
Im Zauberreich der Lais da Macun
Vom Gipfel geht’s in östlicher Richtung den Blockgrat entlang hinab in die Fuorcletta da Barcli, 2850 m. Hier weist eine Tafel auf den Beginn des Nationalparks hin. Der Steig wendet sich nach links und führt in Kehren durch die Schutt- und Blockhalden hinab. Vom Gipfel bis zum unteren Ende der Blockhalden ist bei Schnee Vorsicht geboten! Ihr erreicht dann eine Art Rücken, der zu den Seen hinab führt. Dort bietet ein Wegweiser bei P. 2615 die Möglichkeit eines Rundganges um die Seen an. Er führt an einigen Seen vorbei bis zum Lai dal Dragun, 2628 m, dem nördlichsten See. Darüber bauen sich grandios die Silvretta-Gipfel auf. Was für ein Bild. Stundenlang könnte man hier einfach nur sitzen und schauen. Für den Rundgang solltet ihr etwa 30 Min. einplanen.
Vom Lai dal Dragun könnt ihr in einem Rechtsbogen zur unten erwähnten Abzweigung absteigen oder wieder zurück, bis zum Wegweiser, östlich der Seen. Von dort führt der Weg am Bach entlang hinab auf eine Wiesenstufe mit prächtigem Blick zum Piz Linard. Der höchste Berg der Silvretta ist zweifellos eine der schönsten Berggestalten der Alpen. Eine formvollendete Pyramide, die beim Abstieg nach Lavin immer wieder im Blickpunkt steht.
An der Stelle kommt von links der oben erwähnte Rundweg hinab. Durch die Schutthalden des Piz Macun geht’s in Kehren zum Teil recht steil in die Val Zeznina und zur Alp Zeznina Dadaint, 1958 m. Hier gibt es verschiedene Möglichkeiten. Keine davon drängt sich auf, keine ist besonders direkt. Am einfachsten folgt ihr den Wegweisern Richtung Lavin. In jedem Fall müsst ihr zur schönen Holzbrücke, 1387 m, bei Plans. Es ist tatsächlich die einzige Möglichkeit, Lavin zu erreichen! Nach der Brücke kommt noch eine etwas lästige Gegensteigung von knapp 50 Hm bis zum Bahnhof Lavin, 1432 m.
Ausgangspunkt
Zernez im Unterengadin, erreichbar auf der Kantonsstraße von Scoul oder St.Moritz/Samedan. Alternativ von Davos über den Flüelapass. Wesentlich bequemer geht es mit der Rhätischen Bahn ab Landquart via Klosters durch den Vereinatunnel, mit umsteigen in Sagliains (910, 960).
Endpunkt
Lavin im Unterengadin, erreichbar auf der Kantonsstraße von Scoul oder St.Moritz/Samedan. Alternativ von Davos über den Flüelapass. Wer mit dem Zug Richtung Klosters (zurück-) fährt, muss nicht in Sagliains umsteigen (910).
Zeiten & Höhenmeter
Zernez – Plan Sech 2¼ Std.
Plan Sech – Spi da Baselgia 2¼ Std.
Spi da Baselgia – Lais da Macun 45 Min.
Lais da Macun – Lavin 3 Std.
1520 Hm, inkl. Gegenanstieg nach Lavin
1560 Hm, bis zur Holzbrücke bei Lavin-Plans
Anforderungen & Jahreszeit
T3, Trittsicherheit in Blockfeldern, am Grat und beim steilen Abstieg
Juli bis September, oft noch im Oktober möglich
Wanderrouten im Schweizer Nationalpark, sehr informative Seite, die einen Überblick über alle erlaubten und markierten Wanderungen im Schweizer Nationalpark gibt, mit Karten und Fotos. Außerdem mit Hinweisen, welche Routen offen sind. Nummer 21 ist die hier beschriebene Wanderung zu den Lais da Macun.
Schutzbestimmungen im Schweizer Nationalpark, diese müssen zwingend beachtet werden. Bitte informiert euch unbedingt darüber.
Swisstopo 33, 3327 T Unterengadin (wasserfest, Vergrößerung der 50er-Karte). Die perfekte Karte für diese Bergwanderung!
Wenn ihr lieber mit der 25er unterwegs seid – für diese Tour benötigt ihr zwei Blätter (1198 Silvretta & 1218 Zernez).
Swisstopo-App für Smartphone und Tablet
Infos und Blattschnitte bei Swisstopo.
Robin, Klaus & Lozza, Hans: Wanderführer durch den Schweizerischen Nationalpark, Ediziun Cratschla, Zernez. Beschreibt ausführlich die 21 Routen im Schweizer Nationalpark. Dazu viele Hintergrundinformationen zum Nationalpark und seiner Flora und Fauna. Der perfekte Begleiter im Nationalpark, sehr empfehlenswert.
Gujan, Peter & Hartmann, Gian Andrea: Alpine Touren Silvretta / Unterengadin / Münstertal, SAC Verlag, Bern, 2010. Mit einem ausführlichen Abschnitt zur Geologie.
Auf dieser Tour gibt es unterwegs keine bewirtschaftete Hütte. Das bedeutet, ihr müsst eure Verpflegung und Getränke komplett dabei haben.
Zernez und Lavin sind Bahnhöfe an der Engadinlinie (960) zwischen dem Oberengadin und Scuol mit regelmäßigen Verbindungen. Zwischen beiden Orten liegt Sagliains. Ab hier führt die Bahnlinie durch den Vereinatunnel von und nach Klosters und weiter nach Landquart (910).
Die Schweiz hat das beste System des öffentlichen Verkehrs – zumindest im Alpenraum. Ich habe selbst ein Halbtax-Abo (»Schweizer Bahncard«). Das Halbtax ist nicht nur in den Zügen, sondern auch in Bussen und vielen Bergbahnen gültig. Die Bahntickets sind nicht gerade preiswert, Parkplätze und Parkhäuser aber auch nicht.
Infos zu Preisen und Verbindungen:
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