Gletscherfreier 3000er im Ötztal
In kaum einem anderen Tal in Österreich gibt es so viele leichte 3000er wie im Ötztal. Bekannte Gipfel in dieser Kategorie sind die Kreuzspitze als einer der höchsten Wanderberge der Alpen oder der prominent über dem Tal platzierte Nederkogel. Eher weniger spektakulär und ein wenig versteckt, ist der Scheiblehnkogel ein Berg, der zwar einfach, aber nur mit einem langen Anstieg zu erreichen ist.
Blickt man auf die Karte und schaut sich den sehr langen Weg durch das Windachtal zum Scheiblehnkogel an, könnte man fast den Mut verlieren. Bis zur Abzweigung bei der Materialseilbahn zur Siegerlandhütte ist man schon 2 Std. unterwegs, hat aber gerade mal 400 Hm gemacht. Bis zum Gipfel warten weitere 700 Hm, die in diesem Gelände je nach Fitness nochmals 2-2½ in Anspruch nehmen. Ja, der Weg ist sehr lang und im Abstieg sollte man nicht mit den üblichen ⅔ der Anstiegszeit kalkulieren. Hier funktioniert das nicht. Das Windachtal ist sehr lang und im flachen Talboden ist man im Abstieg nicht viel schneller unterwegs. Dies solltet ihr bei eurer Zeitplanung unbedingt berücksichtigen.

Aber es muss ja keine Tagestour sein. Die Siegerlandhütte bietet sich als Stützpunkt an. Dann wird daraus eine moderate Gipfeltour. In diesem Fall solltet ihr unbedingt reservieren, denn seit der Alpenverein und verschiedene Führerpublikationen die mehrtägige Hüttentour rund um das Windachtal propagieren, erfreut sich dieser Teil der Stubaier Alpen wachsender Beliebtheit.
Falls ihr also den Scheiblehnkogel als Hüttentour machen möchtet, habt ihr am ersten Tag lediglich 3 Std. im Aufstieg zu bewältigen. Am zweiten Tag sind es dann 2 Std. zum Gipfel plus 3¼ Std. zum Gasthaus Fiegl.
Scheiblehnkogel
Auf der Open Topo Map hat der Scheiblehnkogel keinen Namen. Beim Vergrößern der Karte erscheint immerhin das Gipfelkreuz neben der Peillöcherspitze (auf der AV-Karte Beillöcherspitze).
Vielfach wird der Scheiblehnkogel als Vorgipfel der Peillöcherspitze angesehen. Betrachtet man das Duo aber bspw. vom Hohen Nebelkogel, erkennt man zwei gleichwertige Gipfel und der Scheiblehnkogel zeigt sich als schöne Pyramide. 10 Meter Differenz sind ja nun auch keine Welt!

Wer noch AV-Karten aus den 1980er-Jahren hat, weiß, dass seinerzeit der Westliche Scheiblehnferner noch ein kleines Stück überquert werden musste. Dies ist längst Geschichte, der Anstieg ist komplett gletscherfrei. Der Gletscher hat sich stark zurückgezogen. Größtenteils ist er von Blockwerk bedeckt, das vom Hohlkogel und der Beilspitze herabstürzt.
Wanderungen & Touren im Windachtal
Das Windachtal ist ein langes Seitental des Ötztals, gleichzeitig aber Teil der Stubaier Alpen, die das gesamte Ötztal rechtsseitig begleiten. Es wird gerne als »Söldens Stille Seite« beworben. Was tatsächlich auch stimmt, verglichen mit der »Fun & Action-Welt« gegenüber am Gaislachkogel und den anderen Bergbahnen.
Zentraler Ausgangspunkt im Windachtal ist das Gasthaus Fiegl. Von hier lassen sich Bergwanderungen und alpine Touren unternehmen. Wer von hier tiefer ins Windachtal eindringt, kann zur Siegerlandhütte oder auf den Scheiblehnkogel steigen. Ein weiteres lohnendes Tourenziel ist die Hildesheimer Hütte, die in aussichtsreicher Lage über dem Tal thront. Sie ist Ausgangspunkt für das Zuckerhütl, den höchsten Berg der Stubaier Alpen. Für diese Tour sind aber Erfahrung und die nötige (Gletscher-) Ausrüstung oder ein Bergführer Voraussetzung!

Wer gerne leichte 3000er besteigt, dem empfehle ich die landschaftlich einmalige Tour über die Hochstubaihütte zum Hohen Nebelkogel. Sie erfordert neben Trittsicherheit auch eine gute Kondition. Einfacher und schneller erreichbar ist der Söldenkogel mit tollem Tiefblick ins Ötztal.
Südlich des Windachtals, quasi am anderen Ende des Windachkammes, wartet mit dem Brunnenkogelhaus auf dem gleichnamigen Gipfel eine sehr schöne Tour, die sich zu einer abwechslungsreichen Überschreitung nach Sölden ausbauen lässt.
Leichter 3000er mit Öffis
Zum Glück gibt es den Wanderbus zum Gasthaus Fiegl im Windachtal. Sonst müsste man dorthin mühsam in 2 Std. wandern – und das Ganze natürlich auch wieder hinab.
So abgelegen der Scheiblehnkogel auch sein mag, aber diese Tour ist ein perfektes Beispiel dafür, dass im Ötztal viele Bergtouren – auch lange – mit Öffis machbar sind. Mittlerweile passt auch der Anschluss morgens an den ersten Bus ins Windachtal ab den Dörfern talabwärts (Längenfeld, Umhausen, Oetz: Linie 320). Das war zumindest bis 2021 nicht der Fall.
Im gesamten Ötztal ist der ÖV gut bis sehr gut ausgebaut. Selbst in Obergurgl sind (Tages-) Touren problemlos mit Öffis möglich. Bei manchen Vermietern ist die Summer Card im Preis inbegriffen. Die Karte bietet u.a. freie Fahrt mit allen Bussen im Tal – auch mit dem Wanderbus ins Windachtal.
Wanderung durch das Windachtal
Vom Gasthaus Fiegl, 1965 m, folgt man zunächst dem breiten Fahrweg. Wie die meisten Talwege ist auch dieser mitunter etwas monoton. Andererseits ist das Windachtal wirklich sehr schön. Nach etwa 1 Std. zweigt der Weg zur Hildesheimer Hütte links ab. Kurz darauf wird aus dem Fahrweg ein Wanderweg und im Hintergrund zeigt sich die kleine Pyramide des Scheiblehnkogels.

Meist in unmittelbarer Nähe zur Windache gewinnt man nur langsam an Höhe. Kurz nach einer Brücke gelangt man zur Materialseilbahn, 2392 m, der Siegerlandhütte. Hier zweigt der Anstieg zum Scheiblehnkogel rechts ab.
Wer zur Siegerlandhütte möchte, hat etwa noch 1 Std. auf einem guten Wanderweg. Den Rucksack kann man von hier mit der Seilbahn zu Hütte befördern.
Bergtour zum Scheiblehnkogel
Nun geht es »richtig« bergauf. Endlich, möchte man nach dem endlos erscheinenden Talhatscher fast schon meinen. Zunächst nun über einen Moränenrücken in südöstlicher Richtung bis auf eine Geländestufe, mit einem kleinen namenlosen See und einem Wegweiser.
Hier trifft von links der Weg von der Siegerlandhütte dazu. Gemeinsam weiter bis zum untersten Nordwestgrat des Scheiblehnkogels. Man erreicht so das große, blockübersäte Hochkar westlich unter dem Gipfel. Der Gelände ist in diesem Bereich etwas unübersichtlich, bei schlechter Sicht ist Vorsicht geboten.
Der Scheiblehnkogel zeigt sich im Hintergrund als flache Pyramide. Weiterhin gut markiert führt der Steig dann Richtung Grathöhe und hinauf in den namenlosen Sattel, P. 2888 m der AVK. Dabei wird nicht der tiefste Punkt betreten, der Steig erreicht den Grat etwas links oberhalb.

Der letzte Abschnitt sieht von hier und auf dem Bild wilder aus, als er tatsächlich ist. Es wird zwar steiler, aber es ist an keiner Stelle schwierig oder ausgesetzt – sofern man genügend Abstand zum Gratabbruch rechts Richtung Süden hält! Bald steht ihr oben, am großen Gipfelkreuz auf dem Scheiblehnkogel, 3055 m.
Wer im Abstieg noch in der Siegerlandhütte einkehren möchte: Der Umweg erfordert zusätzlich etwa 1 Std. und 100 Hm Gegenanstieg.
Rundsicht von Scheiblehnkogel
Zugegeben – die knapp höhere Peillöcherspitze schränkt das Panorama ebenso etwas ein wie das mächtige Zuckerhütl im Norden. Aber das stört überhaupt nicht, denn Richtung Süden ist der Blick vollkommen frei. Bei schönem und klarem Wetter sieht man über das Passeiertal hinweg zum Meraner Land und in der Ferne bis zum Lagorai. Hinter den Ridnauner Bergen im Südosten zeigen sich die Sarntaler Alpen und bei klarem Wetter am Horizont die Dolomiten. Aus dem Timmelstal ist mitunter der Klang von Kuhglocken zu vernehmen.
Sehr schön ist der Blick auf die Ötztaler Alpen, mit dem Gurgler Kamm (Hoher First & Seelenkögel), wie das Beitragsbild oben illustriert. Links dahinter erkennt man noch die Ausläufer der Texelgruppe. Richtung Westen präsentieren sich im Vordergrund die wilden und einsamen Gipfel im Windachkamm, der von hier zum Timmelsjoch zieht. Darüber ragen neben anderen auch die zwei höchsten Gipfel der Ötztaler Alpen (Wildspitze, Weißkugel) auf.

Nördlich über dem Windachtal stehen die mächtigen und schönen Gipfel zwischen Hohem Nebelkogel und Schaufelspitze Parade (Bild ganz oben). Dahinter schaut noch der Schrankogel herüber, während weiter rechts das von hier etwas düster wirkende Zuckerhütl den Blick begrenzt. Fast noch mächtiger erscheint die nahe Sonnklarspitze rechts davon. Links hinter der Peillöcherspitze schaut auch der Wilde Freiger heraus. Also einige Gipfel, die in der Stubaier Alpen Rang und Namen haben!
Mehr Ideen und Vorschläge für einfache Hochgipfel im Ötztal gewünscht? Ihr findet sie im Beitrag leichte 3000er im Ötztal.
Ausgangs- und Endpunkt
Gasthaus Fiegl im Windachtal. Erreichbar mit dem Wanderbus ab Sölden oder in 2 Std. zu Fuß.
Zeiten & Höhenmeter Gasthaus Fiegl – Abzweigung Materialseilbahn 2 Std.
Abzweigung Materialseilbahn – Scheiblehnkogel 2¼ Std.
Scheiblehnkogel – Abzweigung Materialseilbahn 1½ Std.
Abzweigung Materialseilbahn – Gasthaus Fiegl 1¾ Std.
1100 Hm
Anforderungen & Jahreszeit T3, Trittsicherheit im Blockgelände und am Grat
Ende Juli bis September
Alpenvereinskarte: 31/1 Stubaier Alpen – Hochstubai, 1:25 000. Beste und schönste Karte für die Bergwelt rund um das Windachtal.
freytag & berndt: 251 Ötztal – Pitztal – Kaunertal – Wildspitze, 1:50 000. Kleiner Maßstab, sehr schönes Kartenbild.
Kümmerly+Frey: 6 Ötztal, 1:50 000. Ebenfalls kleiner Maßstab, dafür reißfest, inkl. Download Karte für Smartphone.
Zahel, Mark: Ötztal, Oetz – Umhausen – Längenfeld – Sölden – Vent – Obergrugl, Bergverlag Rother, München, 9. Auflage 2024. In meinen Augen aktuell der beste Wanderführer über das Ötztal. Sehr empfehlenswert!
Das Berggasthaus Fiegl ist ab Sölden mit dem Wanderbus erreichbar (Linie 54 Windach). Im gesamten Ötztal ist der ÖV gut bis sehr gut ausgebaut. Mittlerweile passt auch der Anschluss an den ersten Bus ins Windachtal ab den Dörfern talabwärts (Längenfeld, Umhausen, Oetz: Linie 320).
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