Leichter 3000er in der Schweiz
Betrachtet man das Schwarzhorn von Norden, bspw. vom Schottensee auf der Flüela-Passhöhe, kommt man kaum auf die Idee, dass dieses düstere Horn einfach zu besteigen wäre. Über den breiten und flachen Südkamm lässt sich der Gipfel jedoch ohne Schwierigkeiten erreichen. Von allen Seiten zeigt sich das Schwarzhorn als edle Pyramide, je nach Blickwinkel steil und düster oder aber flach und einladend.
Es gibt viele leichte 3000er in der Schweiz. Einer der attraktivsten und schönsten Gipfel in dieser Kategorie ist zweifellos das Schwarzhorn. Wenn ihr körperlich fit, trittsicher und gut ausgerüstet seid, könnt ihr diesen schönen Berg problemlos besteigen. Bei guten Verhältnissen einer der einfachsten Gipfel über 3000 Meter. Ein echter Bergwanderklassiker, eine einfache, bereits schon etwas alpinere Bergwanderung auf einen überaus populären Gipfel.
Erinnerungen, Erlebnisse und Geschichten
Im Oktober 1986 erreichte ich endlich meinen ersten Dreitausender: Das Schwarzhorn bei Davos in Graubünden. Mein höchster Gipfel für die nächsten drei Jahre. Zur Unterscheidung von anderen Schwarzhörnern im Alpenraum, wird es manchmal auch Flüela-Schwarzhorn genannt. Das Schwarzhorn ist ein »echter Wanderdreitausender«. Die Hände braucht ihr auf dieser Tour kaum und das einstmals große Schneefeld unter der Schwarzhornfurgga ist im Sommer mittlerweile komplett verschwunden.
Meine erste nähere Bekanntschaft mit dem Schwarzhorn durfte ich bereits in 1981 machen. Seinerzeit weilte ich von Ende März bis Anfang Mai für insgesamt sechs Wochen in Davos. Ein Traum würde man meinen. Sechs Wochen in den Bergen klingt richtig gut. Aber ich war nicht im Urlaub, sondern wegen meiner Allergien (Heuschnupfen und Asthma) dort. Von meinem Zimmer in der Klinik aus hatte ich einen Blick ins Dischmatal über dem ganz hinten das düstere Schwarzhorn aufragte. Schon damals hatte ich eine Landkarte von Davos und Umgebung dabei und konnte den schönen Berg identifizieren. Und das Beste: Auf der Karte war ein Wanderweg bis zum Gipfel eingetragen. Ich wusste: Da steige ich irgendwann hoch!
Gerne hätte ich seinerzeit schon kleinere Touren ab Davos unternommen, zum Seehorn oder zum Strelapass. Die Verantwortlichen der Klinik bewilligten dem unternehmungslustigen Minderjährigen leider keine Ausflüge auf eigene Faust. Verständlich und ich sollte fairerweise hinzufügen, dass um die Jahreszeit noch zu viel Schnee lag. Realistisch betrachtet wäre keines der beiden Ziele für mich erreichbar gewesen.
Am Strelapass war ich mittlerweile mehrfach, bin von dort zum Schiahorn und auf die Strela gestiegen und habe den Pass von Davos nach Langwies im Schanfigg überschritten. Auf dem Seehorn war ich auch, am Schwarzhorn drei Mal.
Passgeschichten zwischen Davos und Engadin
Über den Flüelapass, 2384 m, verläuft die Europäische Wasserscheide Rhein/Donau. Richtung Westen fließt der Flüelabach via Landwasser und Albula zum Rhein. Nach Osten fließt die Susasca bei Susch im Engadin in den Inn und weiter zur Donau. Der Pass trennt die Silvrettagruppe im Nordosten von der Albulagruppe auf der Südwestseite.
Geologisch befinden wir uns hier in den kristallinen Gesteinen der Silvretta-Decke. Die meisten Berge rund um den Flüelapass sind aus Gneisen aufgebaut. Davon heben sich einige eher düstere Gipfelgestalten ab. Das Schwarzhorn besteht wie mehrere andere Berge der Albulagruppe (Leidbachhorn, Chüealphorn, Piz Grialetsch, Piz Vadret) aus Amphibolit. Die grünen bis schwarzen Gesteine verleihen diesen Bergen ein markantes Aussehen. Amphibolit ist ein hartes metamorphes Gestein aus mehrfach umgewandelten Meeresbodenbasalten. Beim Anblick dieser Gipfel könnte man tatsächlich an Vulkane denken. Unterschiedliche Gesteine ergeben unterschiedliche Namen: Auf der anderen Seite des Passes steht das Flüela Wisshorn (Weißhorn). Es besteht aus Gneis, ist ebenfalls ein 3000er, aber im Gegensatz zum Schwarzhorn nicht einfach zu besteigen.
Die Straße über den Flüelapass wurde 1867 eröffnet. Der Pass verbindet die Landschaft Davos mit dem Unterengadin (Susch, Zernez, Scuol). Ähnlich wie am Julierpass zwischen Bivio und Silvaplana, wurde der Flüelapass bis 1998 im Winter offen gehalten, trotz Lawinengefährdung. Seit die Rhätische Bahn im Herbst 1999 den Vereinatunnel zwischen Klosters und Sagliains im Unterengadin in Betrieb nahm, ist der Flüelapass über die Wintermonate gesperrt.
Im Jahr 2000 wurde daher in Zernez der Verein Pro Flüela gegründet. Er setzt sich für die Interessen »rund um den Flüelapass, insbesondere die Offenhaltung der Passtrasse im Winter und Wiedereröffnung im Frühling sowie als kulturelle und wirtschaftliche Brücke zwischen dem Engadin und Davos« ein. Ein Hauptanliegen ist die verlängerte Öffnungszeit der Straße. Sie kann nun zusätzlich 100 Tage im Jahr offen gehalten werden.
Der Flüelapass machte im Sommer 2007 Schlagzeilen anderer Art: Ein Bär, der aus dem Trentino eingewandert war, hielt sich für mehrere Tage in der Passregion auf. Dabei »plünderte« er einige Mülltonnen auf der Passhöhe. In der Sendung NetzNatur des Schweizer Fernsehens SRF waren seinerzeit Bilder von Meister Petz zu sehen. Um die Schaf- und Ziegenherden wirkungsvoll vor Raubtieren zu schützen, werden seit einigen Jahren nicht nur in Graubünden Herdenschutzhunde eingesetzt. Hinweistafeln am Weg informieren über das richtige Verhalten. Mehr bei Herdenschutz Schweiz, mit interaktiver Karte der Schutzgebiete. Bei Swisstopo könnt ihr ebenfalls schauen, wo in der Schweiz Alpweiden mit Herdenschutzhunden ausgewiesen sind.
Wanderung zum Flüela-Schwarzhorn
Von der Bushaltestelle bei P. 2330 m, oder vom Parkplatz, der an schönen Wochenenden relativ schnell ausgebucht ist, steigt ihr am markierten Bergwanderweg in südöstlicher Richtung an. Eine steile Passage umrundet den Ausläufer des Schwarzchopfs und ihr erreicht das Hochtal von Radönt.
Bei P. 2458 m, zweigt der Weg zur Chamanna da Grialetsch links ab. Nun folgt eine längere, gleichmäßig steigende Querung über einen Rasenhang. Weiter oben erreicht ihr in Kehren die ersten Geröllfelder. Dahinter geht’s erneut in Kehren auf eine Hochfläche unterhalb der Schwarzhornfurgga. Hier zweigt bei P. 2802 m, erneut ein Steig nach links zur Chamanna da Grialetsch und nach Dürrboden im Dischmatal ab. Kurz darauf erreicht ihr die Schwarzhornfurgga, 2879 m, die euch bereits ein schönes Panorama der Albulaberge bietet.
Der Steig wendet sich nun in nördlicher Richtung und führt auf den breiten Südkamm. Dieser ist nur im untersten Teil etwas steiler und wird zum Gipfel hin immer breiter und flacher. In großen, gut angelegten Kehren steigt ihr durch die Blöcke ohne Schwierigkeiten zum breiten Gipfel des Schwarzhorns, 3146 m.
Rundsicht vom Schwarzhorn
Die Rundsicht ist großartig und im Herbst reicht die Fernsicht bei klarem Wetter bis zu den Berner Alpen. Vom Schwarzhorn seht ihr alle wichtigen Gipfel der Bündner Alpen: Im Süden die vergletscherte Berninagruppe und die großen Albula-Gipfel mit Piz Kesch, dem Err-Gebiet und den Pizs da Bravuogn (Bergüner Stöcke).
Im Westen, über den Plessurbergen, die Glarner Alpen mit dem breiten Tödi, links davon die Adula. Im Nordwesten die Ostschweizer Berge mit Pizol, Säntis und Churfirsten. Im Norden die von dieser Seite ungewohnt kahle Silvretta. Im Osten geht der Blick über das Grialetsch-Massiv zum Ortler. Über dem Engadin erheben sich die Gipfel der Sesvenna-Lischana-Gruppe mit den Ötztaler Alpen im Hintergrund. Sehr schön sind auch die Tiefblicke auf den Flüelapass mit den beiden Seen.
Abstiegsvarianten
Für den Abstieg gibt es keine Alternative. Falls Ihr noch Lust auf eine Zusatzrunde habt, könnt Ihr wie unten angedeutet ab P. 2802 Richtung Fuorcla Radönt wandern. Knapp unterhalb der Fuorcla ist bei P. 2716 eure Abzweigung zum Flüelapass.
Früher gab es die Möglichkeit, von der Schwarzhornfurgga nach Dürrboden im Dischmatal abzusteigen und von dort mit dem Bus Davos zu erreichen. Nachdem immer wieder Muren und Steinschlag den Wanderweg unpassierbar machten, wurde er in den 1990er-Jahren gesperrt und letztlich ganz aufgegeben. Er ist zwar im Gelände zum Teil noch sichtbar, wird aber nicht mehr unterhalten und nicht mehr markiert. Auch in den Karten von Swisstopo ist er schon lange nicht mehr eingetragen. Falls ihr in der Schwarzhornfurgga also Wegspuren findet, die euch zu diesem Abstieg »einladen« – besser nicht.
Heute gibt es als einzige sinnvolle Alternative vom Schwarzhorn nach Dürrboden nur den Umweg über die Chamanna da Grialetsch. Unterhalb der Schwarzhornfurgga zweigt bei P. 2802 der markierte Bergwanderweg in östlicher Richtung ab. Er führt zunächst in die Fuorcla Radönt, 2785 m, und steigt dann hinab zur Fuorcla da Grialetsch, 2536 m. Von hier rechts haltend hinab nach Dürrboden, 2004 m, im Dischmatal. Ihr habt in der Chamanna da Grialetsch Grialetsch-Hütte des SAC die Möglichkeit zum Übernachten. Die Hütte ist Stützpunkt am relativ neuen Kesch-Trek.
Ausgangs- und Endpunkt
Flüela-Passhöhe, erreichbar ab Davos oder Susch im Unterengadin. Im Sommer (Ende Juni bis Ende Oktober) verkehrt ein Bus über den Pass (Linie 90.331). Mehr unter »ÖV«.
Zeiten & Höhenmeter
Flüelapass – Schwarzhornfurgga 1¾ Std.
Schwarzhornfurgga – Schwarzhorn ¾ Std.
Schwarzhorn – Schwarzhornfurgga ½ Std.
Schwarzhornfurgga – Flüelapass 1½ Std.
815 Hm
Anforderungen & Jahreszeit
T2+, Trittsicherheit im Geröll erforderlich
Juli bis September, in vielen Jahren auch im Oktober möglich
Swisstopo 25, 1217 Scalettapass (ohne Hervorhebung der Wanderwege, aber sehr genau und wunderschön).
Swisstopo 50, 258 T Bergün/Bravuogn (wasserfest, mit Wanderwegen der Schweizer Wanderwege).
Swisstopo-App für Smartphone und Tablet.
Infos und Blattschnitte bei Swisstopo.
Hunziker, Manfred: Clubführer Bündner Alpen 6 – Vom Septimer zum Flüela, SAC-Verlag, Bern, 3. Auflage 2000. Beschreibt sämtliche Gipfel der Albulaberge. Der schon etwas in die Jahre gekommene, aber von Manfred Hunziker souverän verfasste Führer, ist noch immer »State of the art«. Zwar im Gletscherbereich nicht mehr ganz aktuell, dennoch topp!
Im Sommer (Ende Juni bis Ende Oktober) verkehrt ein Bus über den Flüelapass von Davos nach Susch, Flüelapass-Line, 90.331. Davos ist von Landquart (910) oder Thusis (940, 915) mit der Rhätischen Bahn erreichbar, Susch ist Haltestelle an der Engadinlinie (960).
Die Schweiz hat das beste System des öffentlichen Verkehrs – zumindest im Alpenraum. Ich habe selbst ein Halbtax-Abo (»Schweizer Bahncard«). Das Halbtax ist nicht nur in den Zügen, sondern auch in Bussen und vielen Bergbahnen gültig. Die Bahntickets sind nicht gerade preiswert, Parkplätze und Parkhäuser aber auch nicht.
Infos zu Preisen und Verbindungen:
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