Wanderklassiker in den Allgäuer Alpen
Der Große Daumen und das Nebelhorn zählen zu den bekanntesten Gipfeln im Allgäu. Beide sind hervorragende Aussichtsberge, der eine etwas stiller, der andere deutlich lebhafter. Der Große Daumen ist der höchste Punkt einer breiten Felsmauer, die von den Allgäuer Voralpengipfeln besonders im Winter und Frühjahr sehr beeindruckend aussieht. Er ist die höchste Erhebung der Allgäuer Alpen nördlich des Hauptkamms. Nach Osten, Norden und Westen gibt es keinen Berg, der die Rundsicht einschränkt. Das verspricht ein sehr ausgedehntes Panorama. Es reicht von den Stubaier Alpen im Südosten bis zu den Glarner Alpen im Südwesten. Hier oben kann man bei schönem Wetter stundenlang sitzen und schauen.
Die Aussicht vom Nebelhorn ist etwa gleichwertig, nach Westen und ins Illertal sogar überlegen. Als Gipfel ist das Nebelhorn jedoch weit weniger bedeutend. Es ist eher eine Schulter im Grat des Westlichen Wengenkopfes und Heinz Groth schrieb im Alpenvereinsführer Allgäuer Alpen (Bergverlag Rother, 10. Auflage 1976) einst, dass die besonders leichte Zugänglichkeit der einzige Grund sei, die Erhebung als Gipfel zu bezeichnen. Eine nicht nachvollziehbare Aussage, wenn man das Nebelhorn bspw. von den Gipfeln der Hörnergruppe betrachtet.
Das Nebelhorn dürfte einer bekannteste Berge der Allgäuer Alpen sein. Der Gipfel lässt sich ohne Anstrengungen mit einer Seilbahn erreichen. Die Nebelhornbahn ist eine von mehreren Bergbahnen rund um Oberstdorf und im Kleinwalsertal. Sie ermöglichen die Planung und Durchführung von vielen lohnenden Bergwanderungen, die ohne Unterstützung nur als sehr lange und anstrengende Touren möglich wären.
Die Daumengrupe ist überwiegend aus Hauptdolomit aufgebaut. Im Gegensatz zum Hauptkamm der Allgäuer Alpen gibt es hier noch viele Rasenstufen in den Bergflanken. Die Gipfel der Daumengruppe wirken zwar nicht ganz so alpin wie die höheren Kollegen weiter südlich. Aber auch hier bildet der Hauptdolomit hohe Wände, unter denen gewaltige Schutthalden liegen. Die Nordseite zwischen Wengenköpfen und Nebelhorn zeigt dies sehr eindrucksvoll.
Man sollte sich also nicht täuschen lassen: Hier warten nicht nur einfache Bergwanderungen, sondern auch Touren, die bereits alpinen Charakter haben. Zum Großen Daumen, dem höchsten Gipfel der Gruppe, führen einige Routen. Einer davon ist der leichte Anstieg von der Nebelhornbahn. Unterwegs warten mit Koblatsee und Laufbichelsee zwei kleine Bergseen. Während der Koblatsee eher versteckt in einer Schuttmulde liegt, gibt der Laufbichelsee ein sehr schönes Fotomotiv ab.
Der Große Daumen ließe sich auch überschreiten. Dabei handelt es sich dann aber um sehr lange und zum Teil anspruchsvolle Touren. Das gilt besonders für den Steig über die »Hohen Gänge«, der klettersteigähnlichen Charakter hat. Die einzige Alternative, die nicht schwieriger ist als der Anstieg von der Nebelhornbahn, ist der Abstieg vom Laufbichelsee zum Engeratsgundsee und von dort zum Giebelhaus im Hintersteiner Tal.
So bleibt in der Regel nur der Abstieg auf dem Anstiegsweg. Lasst euch nicht täuschen: Auch für den Rückweg solltet ihr 2 Std. einplanen. Es geht nicht nur bergab, sondern auch einiges wieder bergauf! Das solltet ihr berücksichtigen, wenn ihr die letzte Talfahrt der Nebelhornbahn nicht verpassen wollt.
Keine Spazierwege
In der Überschrift heißt es zwar »leichte Wanderberge«, dennoch solltet ihr trotz Bergbahnnähe nicht von »Spazierwegen« ausgehen. Das gilt selbst für die beiden Anstiege aufs Nebelhorn, vom Koblat oder über den zum Teil gesicherten Südgrat. Lediglich der »Normalweg« von der Bergstation Höfatsblick über einen Fahrweg, ist ganz einfach zu gehen.
Am Weg zum Großen Daumen ist an vielen Stellen Trittsicherheit erforderlich. Was in manchen Wanderkarten wie ein sehr direkter und bequemer Weg aussieht, entpuppt sich unterwegs als Bergwanderweg mit viel Auf und Ab. Dazu umgeht der Steig viele kleinere Hindernisse. Das ist bisweilen mühsam und in den Latschen kann es ziemlich warm werden. Immer mal wieder braucht es auch die Hände. Zwar nicht zum Klettern, aber doch zum Abstützen.
Bei schlechter Sicht würde ich von einer Tour zum Großen Daumen eher abraten. Auf dem Koblat ist dann die Orientierung trotz Markierungen alles andere als einfach. Ganz abgesehen davon, dass euch in dem Fall eine der großartigsten Rundsichten im Allgäu entgeht.
Auch bei meinem ersten Besuch vor zehn Jahren habe ich beide Gipfel an einem Tag gemacht. Vom ersten Parkplatz am Ortseingang von Oberstdorf. Von dort bin ich via Seealpe und Edmund-Probst-Haus und den Südgrat zum Nebelhorn. Vom Gipfel Abstieg aufs Koblat und weiter zum Großen Daumen. Und von dort wieder via Edmund-Probst-Haus zurück ins Tal. Macht inkl. Gegensteigungen mindestens 1800 Hm. Das Ganze im Juli bei sehr warmem Wetter. Dieses Mal habe ich die Tour dann deutlich reduziert.
Großer Daumen
Von der Bergstation Höfatsblick / Edmund-Probst-Haus, 1927 m, führt der zunächst breite Weg Richtung Koblat in eine Mulde und erreicht in einem Bogen einen Sattel, ca. 2000 m. Danach geht es erst einmal wieder hinab und die gewonnenen Höhenmeter sind gleich wieder passé. Mit mehr Ab als Auf in nordöstlicher Richtung und fast parallel zu den Wengenköpfen weiter. Dort oben könnt ihr fast den ganzen Tag Klettersteiggeher am Hindelanger Klettersteig beobachten. Beim Abstieg zum Koblatsee weisen die Markierungen durch eine Felsstufe. Viel einfacher geht es aber etwas weiter unten rechts. Beim Rückweg ist die Spur, die zu dieser Stelle führt, nicht zu übersehen und der einzig logische Weg.
Der Koblatsee, 1968 m, liegt unter Schutthalden in einer Mulde. Von hier steigt der Weg wieder etwas an und ihr erreicht schon bald den Laufbichelsee, 2012 m. Der See ist ein wunderschöner Rastplatz und für viele Wanderinnen & Wanderer das Ziel ihrer Tour.
Ab hier wird es nun deutlich steiler. Über einen Rasenhang, der im unteren Abschnitt mit ausgewaschenen Felsplatten durchsetzt ist, steigt der Steig in Kehren an. Achtung: Im unteren Abschnitt nicht einer offensichtlichen Spur folgen, die nach rechts in den Hang hinein quert. Sie endet bei einer Schuttrinne und das Gelände ab dort liegt im Bereich T5 oder höher, also deutlich jenseits der Anforderungen an eine Bergwanderung.
Weiter oben legt sich der Hang etwas zurück und mit einer letzten etwas ausgesetzten Querung erreicht ihr den Sattel am Glasfeld. Vorsicht, wenn im Frühsommer unter dem Sattel noch ein Schneefeld auf dem Weg liegt! Vom Sattel leitet der Steig sehr einfach hinauf zum breiten Gipfelplateau auf dem Großen Daumen, 2280 m, mit Gipfelkreuz.
Was für eine Rundsicht! Im Norden geht der Blick über die deutlich niedrigeren Allgäuer Voralpen weit ins Flachland hinaus und bis zur Schwäbischen Alb. Im Südhalbrund sind die Berge der Allgäuer Alpen im Hauptkamm vom Hochvogel bis zum Biberkopf aufgestellt. Im Osten die Zugspitze, rechts davon die Mieminger Kette. Noch weiter rechts seht ihr bei klarem Wetter die Stubaier Alpen, mit Rietzer Grieskogel und Pirchkogel, Strahlkogel und Breiter Grieskogel. Im Südwesten das Lechquellengebirge, dahinter die Schesaplana und die Glarner Alpen. Ganz im Westen steht der Säntis. Auch der Bodensee ist bei klarem Wetter zu sehen. Im Herbst liegt er bei Schönwetter allerdings oft unter einer Nebeldecke. Aus meiner eigenen Erfahrung empfehle ich euch, für die Besteigung unbedingt einen klaren Tag zu wählen. Es lohnt sich!
Nebelhorn
Wenn ihr auf dem Rückweg vom Großen Daumen noch Zeit und Lust auf einen zweiten Gipfel habt, lohnt auch das Nebelhorn durchaus einen Besuch. Die Abzweigung auf dem Koblat ist nicht ausgeschildet, bei guter Sicht aber leicht zu finden. Bei einem Wegweiser, in etwa dort, wo ein Abstiegsweg der Klettersteiggeher herab kommt, findet ihr Markierungen, die vom Weg über das Koblat in nordwestlicher Richtung abzweigen. Diesen folgt ihr und schon bald habt ihr einen passablen Steig. Er führt in westlicher Richtung durch schrofiges Gelände hinauf zum Plateau unter dem Westlichen Wengenkopf. Bei einer Hütte, 2068 m, mündet der kleine Steig in den breiten Fahrweg. Über diesen einfach zum Nebelhorn, 2224m, mit Bergstation, Bergrestaurant, Gipfelkreuz, Nordwandsteig und mehreren schönen Aussichtpunkten. Besonders schön ist der Blick vom westlichen Eck hinab ins Illertal und über den Grat zum Gundkopf und zum Rubihorn.
Der Abstieg über den Fahrweg zur Bergstation der Nebelhornbahn ist sehr einfach. Schöner, aber auch anspruchsvoller ist der Südgrat. Er zweigt knapp unterhalb der Bergstation rechts ab und ist an einigen ausgesetzten Stellen gesichert. Wer jedoch über Bergerfahrung verfügt, für den ist dieser Steig kein Problem. Er wäre auch der Auftakt zu einer kleinen Nebelhorn-Rundtour: Höfatsblick – Südgrat – Nebelhorn – Fahrweg – Höfatsblick. Eine lohnende und eher kurze Tour, insgesamt ca. 1½ Std., 300 Hm, T3 am Südgrat.
Ausgangs- und Endpunkt
Bergstation Höfatsblick der Nebelhornbahn. Parkplätze bei der Talstation in Oberstdorf. Zugverbindung ab Kempten, Ortsbus Oberstdorf (Linie 9) vom Bahnhof zur Talstation. Info unter »ÖV«.
Zeiten & Höhenmeter
Station Höfatsblick – Laufbichelsee 1¾ Std.
Laufbichelsee – Großer Daumen 45 Min.
ca. 400 Hm, inkl. geschätzter Gegensteigungen
ca. 50 Hm
Großer Daumen – Nebelhorn 2¼ Std.
300 Hm, 250 Hm
Nebelhorn – Station Höfatsblick 30 Min.
300 Hm
Anforderungen & Jahreszeit
Großer Daumen T3, Trittsicherheit erforderlich
Nebelhorn T2+ vom Koblat, T1 beim Abstieg, T3 Südgrat, Trittsicherheit
Juli bis Oktober, Vorsicht bei Schnee im Frühsommer (Großer Daumen)
Alpenvereinskarte: BY4 Allgäuer Hochalpen – Hochvogel, Krottenkopf, 1:25 000. Die weitaus beste und schönste Karte der Daumengruppe! Basiert auf der Karte des Bayerischen Landesvermessungsamtes.
Bayerisches Landesvermessungsamt: UK50-47 Allgäuer Alpen, 1:50 000. Ebenfalls eine sehr schöne und exakte Karte, aber kleinerer Maßstab.
Kompass: 03 Oberstdorf, Kleinwalsertal,1:25 000. Weniger schön, dafür gut lesbar und reißfest.
Seibert, Dieter: Alpenvereinsführer Allgäuer und Ammergauer Alpen, Bergverlag Rother, München, 18. Auflage 2013. Der Klassiker vom vielleicht besten Gebietskenner. Beschreibt alle Gipfel beider Gebirgsgruppen, oft in Form von Rundtouren. Eine echte Fundgrube, topp! Nur noch antiquarisch erhältlich, evtl. bei Alpen-Antiquariat Ingrid Koch oder digital (gescannte Bibliotheksausgaben).
Baumann, Franziska: Allgäu 1 – Oberallgäu und Kleinwalsertal, Bergverlag Rother, München, 15. Auflage 2023.
Gastronomie Nebelhornbahn (Nebelhorn Marktrestaurant bei der Bergstation Höfatsblick & Nebelhorn Gipfelrestaurant)
Die Talstation der Nebelhornbahn ist vom Bahnhof Oberstdorf mit dem Bus erreichbar, Linie 9 (Ortsbus Oberstdorf).
Busfahren in Oberstdorf Fahrplanauskunft, Busbroschüre & Fahrpläne zum Download.
Abfahrtszeiten auch über die Fahrplanauskunft Allgäu (Linienfahrpläne als PDF).
ÖPNV-Angebote im Allgäu.
Abfahrtszeiten & Anschlüsse auch über die Homepage der DB.
Alpininfo Oberstdorf Nützliche Tipps zu den Verhältnissen am Berg, Wetter, Ausrüstung uvm.
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