Von Brülisau auf den Hohen Kasten wandern
Im äußersten Nordosten der Schweiz, dort wo die Schweizer Alpen zum Bodensee und ins Rheintal absinken, liegt der Alpstein, ein Faltengebirge par excellence. Hier, im Schnittpunkt der Kantone St. Gallen und der beiden Appenzell, befinden sich Hoher Kasten und Kamor, zwei leicht erreichbare Wanderberge mit schöner Aussicht. Je nach Perspektive sind sie die ersten Gipfel der Schweizer Alpen oder deren Abschluss.
Bestimmt werden viele von euch schon vom Hohen Kasten gehört oder gelesen haben. Oder bereits oben gewesen sein. Schließlich zählt er zu den populärsten Wanderbergen der Schweiz. Der Name ist sehr passend gewählt, denn von fast überall erscheint der Berg wie ein riesiger Kasten, der auf einen Rasenkamm aufgesetzt ist. Die Aussicht ist besonders schön und der Hohe Kasten wird deshalb auch als »Rigi der Ostschweiz« bezeichnet.
Abgesehen vom Anstieg ab Sennwald via Rohrsattel, kenne ich alle Wege am Hohen Kasten. Den langen Weg von Rüthi über Brunnenberg bin ich auch schon gegangen. Ein ziemlich langer Anstieg und daher weniger frequentiert. Schon ein Besuch der Alp Stofel unterhalb der Kuppe der Dürrenegg lohnt sich und die Hütten wären ab Brülisau bestimmt ein schönes Ziel mit Schneeschuhen.
Hoher Kasten & Kamor – Ungleiches Duo im Alpstein
Der breitgelagerte Kamor nebenan (bei Swisstopo erscheint neuerdings zusätzlich der Name »Trestenkof«) gehört irgendwie zum Hohen Kasten dazu. Im Gegensatz zu seinem klotzigen Kollegen präsentiert er sich aus manchen Blickrichtungen als Rasenkegel. Der Kamor hat zwei Gesichter: Nach Osten sanfte Wiesenhänge, nach Westen hingegen hohe Wände. Diese zählen allerdings nicht zum bevorzugten Ziel von Kletterern, wie Manfred Hunziker im SAC-Führer Säntis – Churfirsten schreibt.
Dafür lässt es sich am Kamor gemütlich rasten und schauen. Und der Hohe Kasten steht im Zentrum der Rundsicht. Nach Manfred Hunziker stammt der Name »Kamor« aus dem Romanischen, aus »ganda mora«, was so viel wie »schwarzer Fels« oder »schwarze Geröllhalde« bedeutet. Der Gipfel ist auch Standort einer militärischen Anlage und Endpunkt einer Straße aus dem Rheintal, die nicht öffentlich ist. Beide Gipfel bestehen wie alle Berge im Alpstein aus Kalkgestein.
Der Kastensattel zwischen Kamor und Hohem Kasten ist so etwas wie die Drehscheibe der Wanderwege rund um den Hohen Kasten. Hier treffen die Wanderwege aus vier Richtungen zusammen. Am meisten begangen wird der Weg ab Brülisau, sehr oft im Abstieg. Wesentlich ruhiger, weil länger und mit mehr Höhenmetern verbunden, sind die Anstiege aus dem Rheintal. Der Hohe Kasten ist auch der Startpunkt des Geologischen Wanderwegs zur Saxer Lücke, einem Panoramaweg erster Güte.
Im Winter ist der Hohe Kasten kein Ziel für Winterwanderungen. Wie der SAC-Skitourenführer Glarus – St. Gallen – Appenzell schreibt, verlangt der Übergang vom Kamor sichere Verhältnisse! Hingegen ist der Kamor für erfahrene Winterwanderer ab Brülisau mit Schneeschuhen leicht erreichbar.
Seilbahn und Drehrestaurant am Hohen Kasten
Von der Appenzeller Seite führt eine Seilbahn von Brülisau direkt zum Gipfel und dementsprechend wird der Berg viel besucht. Die Seilbahn wurde 1964 in Betrieb genommen und seither mehrfach erneuert. Die Talstation ist mit dem ÖV erreichbar und in der Nähe der Talstation hat es einen großen Parkplatz.
Früher konnte man auf dem Hohen Kasten im Berggasthaus übernachten. Seit der Eröffnung des Drehrestaurants am Gipfel im Jahr 2008 ist dies nicht mehr möglich. Das alte Berggasthaus existiert nicht mehr und das ehemalige Massenlager im dem kleinen Haus wird nun als Vorratslager genutzt.
Auf der Website der Seilbahn findet ihr immer aktuelle Informationen zu den Wetterbedingungen und Schneeverhältnissen und zum Zustand der Wanderwege. Das Wetter am Hohen Kasten zeigen mehrere Webcams und gleichzeitig gibt’s hier Informationen zum Seilbahnbetrieb. So kann es vorkommen, dass der Bahnbetrieb wegen Föhnsturm eingestellt werden muss, wie folgender Screenshot zeigt.
Die Wanderkarte auf der Homepage dient in jedem Fall nur zur ersten Orientierung. Ihr solltet für unterwegs unbedingt eine topografische Karte dabei haben – in Papierform (Kasten »Wanderkarten«) oder die Swisstopo-App.
Von Brülisau zum Hohen Kasten
Von Brülisau, 922 m, erreicht ihr teils auf Wanderwegen, teils auf Straßen, über Rossberg, 1137 m, das Berggasthaus Ruhesitz, 1279 m (»Ruhsitz« bei Swisstopo). Hier beginnt der Bergweg, der zunächst die steilen Hänge unter dem Kamor quert und zuletzt in Kehren den Kastensattel, 1678 m, erreicht.
Hier gibt’s zwei Alternativen, beide sind auf dem Beitragsbild erkennbar. Der übliche und meist begangene Anstieg führt links unter den Felsen hindurch in die Nordostflanke und steigt durch diese in Kehren bequem zum Gipfel des Hohen Kasten, 1794 m hinauf. Achtung: In der Mulde unter dem Gipfel liegt im Frühjahr sehr lange ein großes Schneefeld, das in hartem Zustand Ungeübte in Schwierigkeiten bringen kann. Etwas anspruchsvoller ist der Anstieg übers »Katzentöpli«, der teilweise drahtseilgesichert direkt durch den Felsengürtel auf die oberste Wiese unter dem Gipfel führt. Für den kurzen und einfachen Felsanstieg sind trotz Sicherungen Trittsicherheit und Schwindelfreiheit erforderlich.
Über den Kamor zurück nach Brülisau
Vom Hohen Kasten wieder in den Kastensattel. Von hier auf Pfadspuren über den Kamm zum Kamor, 1751. Im Gegensatz zu seinem bekannten Nachbarn wird der Kamor von vielen Wanderern gar nicht beachtet, obwohl der Blick zum Hohen Kasten von hier besonders schön ist.
Vom Gipfelkreuz wandert ihr über den Nordrücken hinab, fast bis zur großen Alpsiedlung von Stofel, 1559 m, die auf einem aussichtsreichen Plateau unterhalb des Kamors liegt. Unterwegs habt ihr stets einen schönen Blick ins Rheintal. Der Weg nach Brülisau berührt die Alpe nicht, bleibt weiterhin am Kamm und kreuzt anschließend vier Mal die Straße zum Kamor. Kurz darauf zweigt der Weg Richtung Brülisau links ab. Wenn ihr es etwas gemütlicher haben wollt, dann einfach geradeaus weiter bis zum nächsten Sattel, 1285 m. In beiden Fällen erreicht ihr die Hütten von Schaienrossberg und bald drauf den bereits bekannten Weg via Rossberg nach Brülisau.
Rundsicht vom Hohen Kasten
Vom Gipfel sollen über 300 Berge zu sehen sein. Der Hohe Kasten ist einer der aussichtsreichsten Berge in der Nordostschweiz. Auch die Rundsicht vom Kamor ist sehr schön. Und mittendrin der Hohe Kasten.
Das Rheintal zwischen dem Bodensee und Sargans liegt euch zu Füßen. Jenseits des Rheintals erheben sich die Gipfel in Vorarlberg und Liechtenstein (Bregenzerwaldgebirge, Lechquellengebirge, Verwall, Rätikon). Den südlichen Halbrund füllen die Bündner und Glarner Alpen. Hinterm Kamor und dem Appenzeller Hügelland erkennt ihr bei klarer Sicht den Bodensee. Und in südwestlicher Richtung genießt ihr intime Einblicke in die ganz spezielle Welt des Alpsteins mit dem überragenden Säntis.
Ausgangs- und Endpunkt
Brülisau im Appenzellerland, Busendstation von Weissbad (80.192). Gut ausgebaute Straße von Appenzell, großer Parkplatz nahe der Talsation im Ort.
Zeiten & Höhenmeter
Brülisau – Hoher Kasten 2¼ Std.
Hoher Kasten – Kamor 30 Min.
Kamor – Brülisau 2¼ Std.
950 Hm
Anforderungen & Jahreszeit
T2, Trittsicherheit wenn noch Schnee liegt, Katzentöpli T3
Mai bis November
Appenzell Ausserrhoder Wanderwege, Appenzellerland, basiert auf Swisstopo 25, enthält den Alpstein und die Vorberge im Norden.
edition mpa, Obertoggenburg – Alpstein, basiert auf Swisstopo 25, enthält den Alpstein, die Vorberge im Norden und die Churfirsten.
Swisstopo 33, 3301 T Säntis (wasserfest, Vergrößerung der 50er-Karte, enthält fast alle Anstiege zum Hohen Kasten, nur Rüthi im Rheintal fehlt)
Swisstopo 50, 227 Appenzell oder 227 T Appenzell (mit Wanderwegen)
Swisstopo-App für Smartphone und Tablet
Mehr Infos bei Swisstopo
Hunziker, Manfred: Clubführer Säntis – Churfirsten, SAC Verlag, Bern, 1999. Beschreibt alle Berge zwischen Appenzell und dem Walensee. Mehr geht nicht, sehr empfehlenswert!
Schatz, Ruedi: Säntisführer, St. Gallen, 10. Auflage 1976. Der fast schon legendäre »Klassiker«, veraltet und nur noch antiquarisch erhältlich. Ein schönes Stück Alpinhistorie aus einer Zeit, in der Informationen über Berge ein rares Gut waren!
Deuble, Peter: Rheintaler Höhenweg, Conrad Stein Verlag, Welver 2012. Beschreibt neben dem Höhenweg verschiedene Anstiege zum Hohen Kasten und den Stauberen-Höhenweg. Vergriffen, wird nicht mehr aufgelegt, nur noch antiquarisch erhältlich.
Rund um den Hohen Kasten gibt es eine sehr große Auswahl an Berggasthäusern und Unterkunftsmöglichkeiten wie selten auf so kleinem Raum.
Drehrestaurant Hoher Kasten, nur Einkehr
Berggasthäuser im Alpstein, Übersicht
Brülisau ist von Weissbad mit dem Bus erreichbar (80.192). Weissbad ist Haltestelle der Appenzeller Bahnen zwischen Appenzell und Wasserauen (854). Zum Hohen Kasten führt eine Seilbahn (2745).
Die Schweiz hat das beste System des öffentlichen Verkehrs – zumindest im Alpenraum. Ich habe selbst ein Halbtax-Abo (»Schweizer Bahncard«). Das Halbtax ist nicht nur in den Zügen, sondern auch in Bussen und vielen Bergbahnen gültig. Die Bahntickets sind nicht gerade preiswert, Parkplätze und Parkhäuser aber auch nicht.
Infos zu Preisen und Verbindungen:
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