Muttler – Leichter 3000er zwischen Samnaun & Engadin

Auf dem Bild geht der Blick vom Muttler in Richtung Westen zu den Gipfeln der Silvretta mit Piz Linard und Fluchthorn. Weiter rechts sieht man den markanten Stammerspitz, darüber die Glarner Alpen und am rechten Bildrand oben die Schesaplana. Am Gipfel steht ein große Signalstange, aber kein Gipfelkreuz. An der Stange hängen einige tibetische Gebetsfahnen. Es ist ein außergewöhnlich klarer Tag. Der Himmel ist blau und wolkenlos.
Panorama – Ausblick vom Muttler nach Westen

Auf den höchsten Berg bei Samnaun wandern

In vielen Gebirgsgruppen der Zentralalpen sind die höchsten Gipfel nur selten auch für Bergwanderinnen & Bergwanderer machbar. Einer dieser Gipfel ist der Muttler, der höchste Berg der Samnaungruppe. Manchmal wird er von Alpinisten der schärferen Richtung etwas geringschätzig als »Schuttler« bezeichnet. Da er aus Bündnerschiefer besteht, ist diese abwertende Charakterisierung gar nicht mal so falsch. Und erst der Schieferschutt ermöglicht einen einfachen Anstieg.

Der Muttler ist ein gewaltiger Berg, der seine Nachbarschaft zum Teil deutlich überragt. Selbst sein nächster »Rivale«, der wilde Stammerspitz, ist 40 m niedriger. Wie viele Berge in den Alpen hat sich auch der Muttler zum Teil verändert. Bis in die 1980er-Jahre war am Nordgrat noch von einem Firngrat die Rede und man stieg einfacher durch die Schutthalden und Gletscherreste der Nordwestflanke zum Gipfel. In alten Karten von Swisstopo war dort eine Wegspur eingetragen. Das wird heute niemand mehr machen, zumindest nicht im Sommer. Der Muttler ist schon seit längerem gletscherfrei und der Nordgrat ab Mitte/Ende Juli schneefrei.

Auf dem Bild geht der Blick vom Piz Ajüz in der Sesvenna-Lischana-Gruppe in Richtung Norden zum Muttler, der sich knapp rechts der Bildmitte erhebt. Er ist zwar nicht so scharf geschnitten wie die anderen Gipfel, dafür überragt er sie deutlich. Rechts sieht man noch Piz Salet und Piz Malmurainza, nach links den zum Teil verdeckten Stammerspitz und ganz links am Bildrand das Fluchthorn. Die Gipfel sind im September alle mit Neuschnee bedeckt, der am Muttler in Schieferflanken eher liegen bleibt als in den felsigen Wänden der Nachbargipfel. Auch deshalb wirkt er höher und majestätischer als die anderen Gipfel. Die Alpweiden unterhalb der Berge sind bereits braun gefärbt. Unten links sieht man noch die Ortschaft Tschlin.
Majestätisch – Muttler von Süden

Der Name Muttler leitet sich aus dem rätoromanischen Wort »Muot« her, was so viel wie Hügel, Bergkuppe oder Anhöhe bedeutet. Der Muttler ist also, wenn man so will, ein etwas überdimensionierter Hügel. Von vielen Standorten trifft dies zu: man erkennt keine wilde Spitze und auch kein markantes Horn, sondern einen abgerundeten Berg. Dennoch macht er aufgrund seiner Höhe auch einen majestätischen Eindruck.

Muttler – Bergtour oder Wanderung?

Bitte den Muttler keinesfalls unterschätzen. In meinem Tourenführer Leichte 3000er in der Schweiz hatte ich den Anstieg mit T4- bewertet, andere Publikationen stuften ihn mit T4 oder T3+ ein. Oft findet man heute ein T3. Der erfahrene Alpinschriftsteller Dieter Seibert schrieb in seinem Standardwerk Leichte 3000er (Bruckmann 2002), dass der Muttler bei schlechten Verhältnissen (gefrorener Boden) sehr gefährlich werden könne. Seinerzeit stufte er den Berg in der schwierigsten Kategorie ein.

Es durchaus denkbar, dass der Anstieg aufgrund der vielen Begehungen einfacher geworden ist. Dies trifft aber nur bei besten Verhältnissen zu: Kein Schnee, kein Eis und eine trockene Wegspur. Dies ist im August der Fall. Nicht vergessen: Hier handelt es sich um einen nordseitigen Anstieg über 3000 m. Der Gipfelgrat ist ab 2950 m immer über 30°, zuletzt über 45° steil. Im sehr steilen Gipfelhang können harte Altschneefelder oder auch gefrorener Neuschnee aus der an sich einfachen Bergwanderung eine ernste Angelegenheit machen! Die aktuellen Verhältnisse seht ihr auf der Webcam Alp Trida Sattel. Folgendes Bild ist von dort aufgenommen.

Auf dem Bild geht der Blick vom Piz Munschuns, nördlich oberhalb von Samnaun in Richtung Süden zu den beiden höchsten Bergen der Samnaungruppe, dem Muttler links und dem Stammerspitz rechts. Beide sind Ende Juni noch in weiten Teilen schneebedeckt. Dies gilt vor allem für den Muttler, der in der Gipfelregion fast noch ganz weiß ist. Das liegt daran, dass er aus weichem Schiefer aufgebaut ist und keine steilen Wände hat, wie der Stammerspitz nebenan. Zwischen den beiden Gipfeln ist die Val Maisas mit dem gleichnamigen Bach eingekerbt. Der Himmel ist blau, es hat aber viele kleine Schönwetterwolken und dünne Schleierwolken.
Duo bei Samnaun – Muttler links und Stammerspitz rechts, von Norden

Bei frühsommerlichen Verhältnissen mit viel Schnee, etwa wie auf Bild, müsstet ihr euch auf eine veritable Hochtour einstellen …

Der Anstieg ist durchgehend als Bergweg markiert. Wichtig ist in jedem Fall eine ausgezeichnete Kondition: 1470 Hm sind schon was. Ebenso ist die Höhe von knapp 3300 m zu berücksichtigen. Unterwegs gibt es zudem keine Möglichkeit, einzukehren.

Rotes Seeli beim Samnaun

Eine Besonderheit der Tour ist das Rote Seeli. Seinen Namen hat es von einer Blutalgenart, die es während der Blütezeit zwischen Anfang August und Mitte September blutrot färben, wie eine Tafel am See erklärt.

Auf dem Bild geht der Blick über das kleine Rote Seeli hinweg in südwestlicher Richtung zum Stammerspitz. Der Berg und der Grat, der von dort nach links zieht, spiegeln sich im See. Die rote Farbe des Sees kann man um diese Uhrzeit (morgens) allerdings nur erahnen, da der Mini-See zum Teil noch im Schatten liegt. Der Himmel ist blau und wolkenlos. Es ist ein außergewöhnlich klarer Tag.
Spiegelung – Rotes Seeli & Stammerspitz

Der See hat keinen Zu- oder Abfluss. Er speist sich ausschließlich durch Niederschläge in Form von Regen oder Schnee. Eigentlich wäre das Seeli zu klein, um in eine amtliche Karte aufgenommen zu werden. Laut Swisstopo geschieht dies nur bei besonderen Landschaftsmerkmalen.

Wanderung von Samnaun zum Muttler

Von Samnaun, 1827 m, zunächst auf dem Fahrweg in die Val Maisas. Über dem Talschluss ist von Anfang an die runde Kuppe des Muttlers zu sehen. Der Fahrweg wird bei P. 2029 m, zum Wanderweg. Bei P. 2181 m, zweigt die Route über das Stammerjoch rechts ab. Euer Weg steuert nun direkt auf die Schutthalden unter dem Muttler zu, bleibt vorerst aber noch auf einem guten Weg durch Alpweiden. Bei P. 2530 m, könntet ihr direkt zum Rossbodenjoch empor steigen. Das wäre schade, denn dabei würde euch einer der schönsten Plätze der Tour entgehen, das Rote Seeli, 2575 m. Die Markierung führt rasch dorthin und wer zur rechten Zeit kommt, kann den See mitsamt dem sich spiegelnden Stammerspitz fotografieren – ein wunderschönes Bild. Vom Seeli ist die Grathöhe beim Rossbodenjoch, 2751 m, im Muttler-Nordgrat schnell erreicht.

Auf dem Bild sieht man den Gipfelkopf des Muttlers von Norden. Nach rechts fällt die Nordwestflanke, die zum Teil noch im Schatten liegt, steil in die Val Maisas ab. Nach links zieht der Nordgrat zum Gipfel, der nach oben hin immer steiler wird. Ein paar kleinere Schneefelder halten sich noch rund um den Gipfel. Der Himmel ist blau und wolkenlos.
Steil – Gipfelaufbau am Muttler

Der Steig wird nun felsiger und ihr meistert die ersten unschwierigen Stufen. An einigen Stellen weicht er nach rechts in die weniger steile Westflanke aus. Nachdem ihr P. 2844 m, umgangen habt, legt sich das Gelände nochmals ein wenig zurück. In Kehren geht es nun immer am Nordgrat hinauf. Zum Gipfel hin wird es immer steiler und auch etwas rutschiger. Solange es aber weder Schnee noch Eis hat, wird euch das kaum in Schwierigkeiten bringen, wenn ihr Erfahrung im Bergwandern habt. Unter dem Gipfel quert der Steig kurz nach rechts hinüber zum obersten Südwestgrat. Dann seid ihr am Muttler-Gipfel, 3295 m, dem höchsten Berg der Samnaungruppe.

Rundsicht vom Muttler

Aufgrund der freistehenden Lage, reicht die Sicht vom Muttler besonders weit. Die Rundsicht zählt zu den ausgedehntesten in Graubünden und in den Bündner Alpen. Richtung Westen sind Fluchthorn und Piz Linard in der Silvretta die beiden einzigen höheren Gipfel. Sie befinden sich aber schon in einiger Entfernung. Ansonsten sind höhere Gipfel ziemlich weit weg.

Auf dem Bild geht der Blick vom Muttler in Richtung Südwesten über die Bergwelt Graubündens, die Bündner Alpen. Man sieht viele bedeutende Gipfel der Albulagruppe (Piz Ot, Piz Kesch, Piz Ela) links und in der Mitte. Rechts die Silvretta mit Piz Linard und Piz Fliana. Dazwischen schauen noch der Pizzo Tambo am Splügenpass, die Adula mit Rheinwaldhorn und Güferhorn und das Bruschghorn über der Viamala hervor. Es ist ein außergewöhnlich klarer Tag. Der Himmel ist blau und wolkenlos.
Gipfelmeer – Bündner Alpen vom Muttler

Wild und zackig präsentiert sich im Westen die Schweizer Silvretta, mit Fluchthorn, Piz Linard und Piz Buin. Links davon das Gipfelmeer der Albulagruppe. Am Horizont schauen noch Rheinwaldhorn und Pizzo Tambo hervor. Ganz nah und doch unnahbar der wilde Stammerspitz.

Im Süden schaut man souverän über die kahlen Gipfel der Sesvenna-Lischana-Gruppe hinweg zu den Eisgipfeln der Bernina, dem »Festsaal der Alpen«, die den Horizont begrenzen.

Auf dem Bild geht der Blick vom Muttler in Richtung Süden zu den vergletscherten Gipfeln der Bernina. Vom Piz Palü in der Bildmitte über Piz Zupò und Piz Bernina bis zum Piz Roseg sind alle Hauptgipfel der Gruppe zu sehen. Links sieht man noch weniger unbekannten Gipfel Piz Scalino und Piz Varuna. Sie schließen die Bernina im Südosten zur Valposchiavo ab. Im Mittelgrund stehen dazu die grauen Kalkberge der Sesvenna-Lischana-Gruppe. Im Vordergrund ist in der Tiefe noch das Unterengadin zu erahnen. Es ist ein außergewöhnlich klarer Tag. Der Himmel ist blau und wolkenlos.
»Festsaal der Alpen« – Bernina vom Muttler

Weiter links der mächtige Ortler mit seinen Trabanten. Im Osten im Vordergrund die Mundin-Gruppe, dahinter die Ötztaler Alpen, mit Wildspitze und Weißkugel.

Auf dem Bild geht der Blick vom Muttler Richtung Südosten zu den 3000ern der Ötztaler Alpen. Ganz links die Wildspitze, der höchste Berg der Gruppe und ganz rechts die Weißkugel der zweithöchste Berg. Dazwischen sieht man noch viele bedeutende Gipfel wie die breite Weißseespitze in der Bildmitte. Unten links erkennt man noch im Vordergrund Nauders am Reschenpass und an den Wiesenhängen die Skilifte. Es ist ein außergewöhnlich klarer Tag. Der Himmel ist blau und wolkenlos.
3000er – Ötztaler Alpen vom Muttler

Im Nordosten schauen viele Gipfel der Nördlichen Kalkalpen (Zugspitze) hervor. Genau im Norden fällt ein ähnlich bedeutender Berg auf: der Hohe Riffler, höchster Berg der Verwallgruppe. Richtung Nordwesten sind bei klarem Wetter hinter der Silvretta noch Schesaplana und Säntis sichtbar. Und auch der Bodensee (!) ist unter dem Dunst zu erahnen.

Auf dem Bild geht der Blick vom Muttler über die kahlen Gipfel der Silvretta hinweg zum Rätikon (Sulzfluh, Schesaplana, Zimba), zum Säntis und zum Bodensee, der sich unter einer Dunstschicht verbirgt. Es ist ein außergewöhnlich klarer Tag, selbst der nur 1500 m hohe Fähnerenspitz im Appenzellerland ist bestens zu erkennen. Der Himmel ist blau und wolkenlos.
Fernsicht – Rätikon, Säntis und Bodensee vom Muttler

Hier oben kann man stundenlang sitzen und schauen. Genau das habe ich gemacht. Unbedingt einen klaren Tag abwarten. Die Bilder vom Gipfel zeigen, warum.

Von 1972 bis 2011 stand am Muttler-Gipfel eine große Antenne, die als Sendeanlage für Samnaun diente. Sie war nicht unbedingt eine Zierde und wurde zwischenzeitlich abgebaut.

Im Abstieg besteht auch die Möglichkeit einer Muttler-Überschreitung. Diese führt über den vermutlich etwas anspruchsvolleren Südwestgrat. Da ich die Route aber nicht kenne, möchte ich keine Angaben machen. Der SAC-Führer bewertet den Südwestgrat mit T4.

Tourencharakter
Im obersten Abschnitt anspruchsvolle Bergtour, die vor allem bei Nässe und Eis recht heikel werden kann. Bei trockenen Verhältnissen wird man vor keine großen Probleme gestellt. Trittsicherheit ist erforderlich und dazu eine sehr gute Kondition. Zum Rossbodenjoch leichte Wanderung.

Ausgangs- und Endpunkt
Samnaun, gut ausgebaute, aber sehr kurvenreiche Straßen von Martina oder Pfunds (Österreich). Busverbindung ab Scuol (90.921) via Martina.

Zeiten & Höhenmeter
Samnaun – Rossbodenjoch 3 Std.
Rossbodenjoch – Muttler 1½ Std.
Muttler – Rossbodenjoch 1 Std.
Rossbodenjoch – Samnaun 2½ Std.
1470 Hm

Anforderungen & Jahreszeit
T3+, Trittsicherheit am steilen Gipfelaufbau, nicht bei Schnee
August & September, im Juli manchmal noch (zu viel) Schnee

Swisstopo 25, 1179 Samnaun (perfektes Blatt, ohne Hervorhebung der Wanderwege, aber sehr genau und wunderschön).

Swisstopo 50, 249 T Tarasp (wasserfest, mit Wanderwegen der Schweizer Wanderwege).

Swisstopo-App für Smartphone und Tablet.

Infos und Blattschnitte bei Swisstopo.

Gujan, Peter & Hartmann, Gian Andrea: Alpine Touren Silvretta / Unterengadin / Münstertal, SAC Verlag, Bern, 2010. Mit einem ausführlichen Abschnitt zur Geologie.

Unterwegs keine Möglichkeit.

ÖV

Samnaun ist mit dem Bus von Scuol (90.921) via Martina erreichbar. Scuol ist Endbahnhof der Engadinlinie (960). Regelmäßige Verbindungen ins Oberengadin und nach Sagliains, dem Ostportal des Vereinatunnels und weiter durch den Vereinatunnel nach Klosters und Landquart (910).

Die Schweiz hat das beste System des öffentlichen Verkehrs – zumindest im Alpenraum. Ich habe selbst ein Halbtax-Abo (»Schweizer Bahncard«). Das Halbtax ist nicht nur in den Zügen, sondern auch in Bussen und vielen Bergbahnen gültig. Die Bahntickets sind nicht gerade preiswert, Parkplätze und Parkhäuser aber auch nicht.

Infos zu Preisen und Verbindungen:

graubünden invia (Verkehrsverbund)

Schweizerische Bundesbahnen SBB

Rhätische Bahn RhB

PostAuto Schweiz

Fahrplanauskunft ÖV Schweiz

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