Wandergipfel im Tessin

Auf dem Bild geht der Blick vom Madone, einem Berg oberhalb Locarno, Richtung Norden zu den Bergen der Tessiner Alpen zwischen Valle Maggia und Val Verzasca. Die Gipfel bestehen aus Gneisen, mit zum Teil steilen Grasflanken. Genau in der Bildmitte beherrscht der breite Pizzo d'Orgnana die Szene. Die Berge im Hintergrund tragen schon die ersten herbstlichen Neuschneeflecken. Der Himmel ist blau und wird von ein paar flachen Schleierwolken verziert.
Tessin – Wildnis zwischen Valle Maggia und Val Verzasca

Wandergipfel in der Schweiz – Vom Pilone zum Pizzo Centrale

Dies ist der sechste von sieben Beiträgen der Serie Wandergipfel in der Schweiz. Ausgangspunkt ist mein Wanderbuch Traumwandergipfel in der Schweiz von 2011. Es beschreibt eine Rundreise über 50 traumhafte Aussichts- und Wanderberge in der Schweiz. Wie es zum Buch und zur Idee mit der Rundreise kam, lest ihr im Beitrag Wandergipfel in der Schweiz – Ein Buch & die Story dahinter.

Den vorherigen Abschnitt der Rundreise findet ihr im Beitrag Wandergipfel im Wallis.

Dieser Beitrag (ent-) führt euch auf die nächsten sechs Wandergipfel der Rundreise, im Tessin. Hier ist die Liste der Wandergipfel im Tessin, die wir besuchen werden:

Lago Maggiore, Locarno, Lugano – Schlagwörter und Begriffe aus dem Tessin, die fast jeder kennt. Beim Stichwort Tessin denken viele von euch vermutlich an Lago Maggiore und Palmen. Das ist natürlich nicht völlig verkehrt, gleichzeitig aber nur ein kleiner Ausschnitt des Tessins. In weiten Teilen der Tessiner Bergwelt ist es vor allem steinig und steil. Das Beitragsbild vom Gipfel des Madone oberhalb von Locarno illustriert dies sehr schön. Landschaften wie diese entdecken wir auf unserer Rundreise.

Auf eine eher ungewöhnliche Art und Weise, quasi von hinten, erreichen wir auf unserer Rundreise das Tessin – aus dem Wallis via Domodossola und die Centovalli.

Pilone

Noch bevor wir den Lago Maggiore erreichen, biegen wir links ab, um zunächst die Valle Onsernone genauer unter die Lupe zu nehmen. Das Tal mit der gefühlt kurvenreichsten Straße der Welt, ist vor längerer Zeit durch Aussteiger aus der Deutschschweiz und aus Deutschland, die sogenannten Neo-Rurali, bekannt geworden. Am Weg zum Pilone können wir einige ihrer Exponate bestaunen und uns unsere eigenen Gedanken darüber machen oder uns einfach an der schönen Landschaft erfreuen. Vom Gipfel sehen wir dann sowohl auf die Bergregion, die gerade hinter uns liegt, als auch auf die Gipfel, die uns auf den nächsten Touren erwarten.

Auf dem Bild geht der Blick vom Pilone Richtung Osten über einen Vorgipfel hinweg zu den Bergen der Tessiner Alpen. Links steht ein großer Steinmann. Man sieht, dass die Täler auf der Alpensüdseite zum Teil tief eingeschnitten sind. Nach rechts, Richtung Süden, verblauen die Berge im Dunst. Der Himmel ist blau, nur links am Horizont hat es Schleierwolken.
Pilone – Tessiner Bergwelt im Blick

Oberhalb von Spruga warten am Wegesrand einige »Kunstwerke«, mit denen Aussteiger ihre Abneigung mit ihrem früheren Leben vor ihrem Ausstieg zu Schau stellen. Oder anders ausgedrückt: vom einen Extrem ins Andere. Jeder so wie er meint. Wir dagegen genießen einen ausgeglichenen und wunderschönen Tag am Rande der Schweiz.

Cima della Trosa & Madone

Nachdem wir wieder das Tal herabgekurvt und deshalb möglicherweise ein wenig genervt sind, wollen wir als nächstes die Hausberge von Locarno erwandern. Drei sind es, den ersten davon, die Cimetta könnten wir mit dem Sessellift »besteigen«. Es ist aber nicht verboten, auch diesen bescheidenen Gipfel zu erwandern. Dann aber geht’s zur Sache. Die Cima della Trosa ist schnell erreicht und mit einem Zwischenabstieg ersteigen wir noch den Madone. Dieser Abschnitt ist übrigens Teilstück der Via Alta Valle Maggia. Obwohl wir die Val Verzasca nur im untersten Teil kennen lernen, ist der Abstieg nach Mergoscia mehr als lohnend. Er bietet die typischen Bilder aus den Tessiner Bergen, mit den Hütten aus Stein, wo die Welt angeblich noch in Ordnung ist …

Auf dem Bild geht der Blick vom Madone über Cima della Trosa hinweg zum Lago Maggiore. Der verwinkelte See ist nicht in seiner ganzen Länge zu sehen, sondern nur in Ausschnitte. Gen Horizont verliert er sich fast im Dunst. Man sieht auch sehr schön die Biegungen, die der See macht. Am Seeufer sind auf beiden Seiten einige Siedlungen zu sehen. Der Himmel ist blau und wolkenlos, am Horizont über der Poebene hat es etwas Dunst.
Madone – Cima della Trosa & Seeblick inklusive

Jeder bekannte Tourismusort in den Alpen hat seinen Hausberg. Ob das im Italienischen dann »Monte della Casa« heißt? Vielleicht lässt sich das gar nicht so einfach übersetzen und es heißt einfach »Il Hausberg da Locarno«? Lohnend sind die drei Hausberge von Locarno, Cimetta, Cima della Trosa und Madone aber in jedem Fall!

Monte Tamaro

Auf der gegenüberliegenden Seite des Lago Maggiore haben wir von der Cimetta bereits die Berggruppe ins Auge gefasst, die sich oberhalb des Gambarogno erhebt. Schließlich sollte wenigstens ein Gipfel aus dem Sottoceneri in unserer Sammlung stehen. Ideales Ziel dafür ist der Monte Tamaro. Er bietet mehrere Anstiegs- und Überschreitungsmöglichkeiten. Entweder ganz kurz von der Alpe di Neggia oder ganz lang vom Ufer des Lago Maggiore.

Der Monte Tamaro ist auch Etappenziel der beliebten Höhenwanderung vom und zum Monte Lema. Und mit einem Panorama, das seinesgleichen sucht. Bei ganz klarem Wetter sind nicht nur Monte Rosa und Piz Bernina zu sehen, sondern auch der Monviso und die Berge im Apennin.

Auf dem Bild geht der Blick zum Monte Tamaro, der sich in der rechten Bildhälfte erhebt. Er besteht größtenteils aus steilen Grasflanken, die bereits herbstlich gelb gefärbt sind. Nach links zieht ein langer Grat in den Sattel der Alpe di Neggia hinab. Dahinter erhebt sich die flache Kuppe des Monte Gambarogno. Darüber sieht man im Hintergrund noch viele Gipfel der Tessiner Alpen. Der Himmel ist blau und wolkenlos.
Monte Tamaro – Aussichtsreicher Gipfel im Sottoceneri

Ein konkaver Blickwinkel schränkt die Sicht ein. Konvex, also nach außen gebogen, lässt einen mehr sehen. Theoretisch richtig. Aber wer zum ersten Mal auf einem Berg im Sottoceneri steht, der wird vielleicht das Gefühl haben, von hier so viele Berge zu sehen, wie er von einem Voralpengipfel nördlich der Alpen noch nie gesehen hat. Eben – weil im Süden die Alpen im Halbkreis um uns herum stehen.

Gaggio

Nahe Bellinzona erhebt sich im Schnittpunkt der Täler Mesolcina und Rivera sowie der Magadino-Ebene der Gaggio. Diese Lage verspricht eine außergewöhnliche Rundsicht. Müssten wir den Gipfel vom Talboden aus besteigen, so wäre das eine sehr langwierige Angelegenheit und er bliebe wohl eher ein einsamer Berg. Die Seilbahn von Monte Carasso nach Mornera nimmt uns jedoch weit mehr als die Hälfte des Anstiegs ab und schwuppdiwupp haben wir einen auf ein erträgliches Maß gestutzten Traumwandergipfel. Wem das zu wenige Höhenmeter sind, der versuche sich an der langen Überschreitung von der Capanna Albagno über den Pizzo di Vogorno in die Valle Verzasca. Der Autor erinnert sich noch gut an diese Tour. Fantastisch, aber lang, sehr lang und nur als Zweitagestour zum empfehlen.

Auf dem Bild geht der Blick vom Wanderweg ab Mornera auf einer Lichtung im Wald zum Gaggio, dessen Gipfel links oben zu sehen ist. Links unten sieht man den Wanderweg und eine weiß-rot-weiße Markierung auf einem Stein. Die Bäume sind zum Teil herbstlich rot verfärbt. Rechts im Hintergrund erkennt man noch den Pizzo di Claro auf der anderen Talseite der Rivera. Der Himmel ist blau und wolkenlos.
Gaggio – Gipfel im Bellinzonese

Er ist so was wie der »Erste Tessiner Berg«. Zumindest für alle Reisenden, die vom San Bernardino kommen. Auf dieser Route beginnt das Tessin erst kurz vor Bellinzona, die Valle Mesolcina gehört noch zu Graubünden. Und der Gaggio ist der erste ganz auf Tessiner Boden gelegene Berg, den man sieht.

Pizzo Molare

Unser nächster Gipfel steht über der Valle Leventina. Dort machen (fast) alle dasselbe: schnell vorbei rauschen, zum Lago Maggiore, nach Ligurien und in die Toskana oder wieder nach Hause. Wäre doch schön, wenn wir die Bergwelt über der Leventina genauer unter die Lupe nehmen würden. Immer diese Konjunktive, aber diesmal gibt es keine Ausrede, schließlich wollen wir ja nicht dorthin, wo die Zitronen blühen, sondern wir sind Richtung Norden unterwegs und möchten auf unserer Rundreise durch die Schweiz noch ein paar Traumwandergipfel besteigen.

In Faido brechen wir aus nach Molare, um von dort den gleichnamigen Berg, den Pizzo Molare zu besteigen. Vom Gipfel aus blicken wir zurück auf die Tessiner Berge, sehen im Nordhalbrund am Horizont die Eisriesen der Berner und Urner Alpen und freuen uns schon auf die Bündner Alpen, die sich von hier hinter den Bergen der Adula verstecken.

Auf dem Bild geht der Blick vom kleinen Gipfel des Pizzo di Nara Richtung Norden zum Pizzo Molare, der mächtig seine Umgebung überragt. Er ist überwiegend aus steilen Rasenflanken aufgebaut, die bereits herbstlich gelb-braun verfärbt sind. Links sieht man noch die markante und felsige Spitze des Poncione di Nara. Der Himmel ist blau und wolkenlos.
Pizzo Molare – Gipfel zwischen Leventina & Blenio

Unten Verkehr, Lärm und Hektik – oben Natur und Ruhe. Das sind die Gegensätze in der Valle Leventina. Als Durchgangstal gab es hier schon immer mehr Verkehr als anderswo. Ob die Bewohner irgendwann davon profitierten? Schwer zu sagen. Sicher ist aber, dass es auf den Bergen noch immer eher ruhig zugeht, abgesehen von ein paar touristischen Punkten.

Pizzo Centrale

Wir beenden unseren Tessin-Trip am St.-Gotthard-Pass. Der legendäre Walter Pause täuschte sich gewaltig, als er 1968 in seinem fast ebenso legendären Buch Zürcher Hausberge schrieb: »Der Pizzo Centrale, ist mit 3001 m Höhe ein regelrechter Dreitausender, wenigstens noch für die nächsten 50 000 Jahre.« Dem ist, wie wir mittlerweile wissen, nicht mehr so. Nach Erscheinen des Buches hat es nur wenige Jahre gedauert, bis ein Teil des Gipfels abgebrochen und in die Tiefe gestürzt ist. Seitdem misst der Berg nur noch 2999 m. Von der Natur zum 2000er degradiert.

Der umfassenden Aus- und Rundsicht hat das keinen Abbruch getan und mit der Nase schnuppern wir noch immer echte Dreitausenderluft! Auf unserer Reise ist der Pizzo Centrale der höchste und auch einer der anspruchsvollsten Gipfel, hart an der Grenze zu den alpinen 3000ern.

Auf dem Bild geht der Blick vom Pizzo Centrale Richtung Westen und Südwesten zu den Gipfeln der Berner und Walliser Alpen. Ganz rechts dominiert das Finsteraarhorn, links der Bildmitte stehen am Horizont Mischabel und Monte Rosa. Das Blinnenhorn begrenzt den Bildausschnitt links. Den Mittelgrund nehmen die Berg rund um den St.-Gotthard-Pass ein. Auf den Nordseiten der Gipfel liegen noch viele Altschneefelder. Der Himmel ist blau und fast wolkenlos, ein unglaublich klarer Tag!
Pizzo Centrale – Mitten in der Schweizer Bergwelt

Der Anstieg zum Pizzo Centrale wird heutzutage gar nicht so selten unternommen wie zu den Zeiten von Pause. An schönen Wochenenden erhält der Berg sogar regen Besuch. Nebenbei: Zürcher Hausberge zählt noch immer zu den liebsten Büchern des Autors, »köstlich« zu lesen, um mit Walter Pause zu sprechen. Was sich nicht geändert hat, ist die unglückliche Lage der Gotthard-Region im Schnittpunkt mehrerer Kartenblätter. Die weitaus beste Karte ist die wunderschöne Urner Wanderkarte, Blatt Gotthard.

Die Fortsetzung der Rundreise findet ihr im Beitrag Wandergipfel in Graubünden.