Südtirol zwischen Reschen und Staben
Er ist noch nicht so alt und längst nicht so bekannt wie andere Höhenwege in den Alpen. Der Vinschger Höhenweg zwischen Reschen und Naturns zählt noch immer zu den eher stillen Touren in Südtirol. Hier gibt es keinen Massentourismus und er wird auch nicht bei den Touren gelistet, die man »gemacht haben muss«. Nebenbei: Kategorien dieser Art sind in meinen Augen sinnlos. Denn wer entscheidet das?
Der Vinschger Höhenweg hat eine Gesamtlänge von 108 Km und wird üblicherweise in 6 Etappen unterteilt. Ursprünglich war er von Süd nach Nord konzipiert, von Juval nach Reschen. In meinem Wanderführer von 2013 habe ich mich für die andere Richtung entschieden, von Nord nach Süd, von Reschen nach Juval. Für Deutsche, Österreicher und Schweizer, die nördlich der Alpen zu Hause sind, ist es eben genau dieser Verlauf, der eine Reise in den Süden so attraktiv macht. Das Licht verändert sich und wird heller, die Luft riecht anders, das Klima wird wärmer und milder und nicht zuletzt mutet auch die Vegetation immer südlicher an. Mittlerweile wird der Höhenweg auch bei Vinschgau Tourismus in dieser Richtung beschrieben.
Es kommt noch hinzu, dass in der Nord-Süd-Richtung am ersten Tag zum Einstieg eine eher moderate Etappe auf dem Programm steht. Wer in der anderen Richtung von Süden nach Norden wandert, hat am ersten Tag einen konditionellen Hammer in Form eines 1200-Höhenmeter-Anstiegs vor sich.
6 Etappen am Vinschger Höhenweg
- 1 Reschen – Planeil / 5¾ Std.
- 2 Planeil – Matsch / 3½ Std.
- 3 Matsch – Glieshof / 4¾ Std.
- 4 Glieshof – Paflur / 6 Std.
- 5 Paflur – St. Martin im Kofel / 7¾ Std.
- 6 St. Martin im Kofel – Juval – Staben / 4¾ Std.
Weitere Angaben zu den Etappen weiter unten im Kasten »Tour«.
Ihr könnt die Etappen am Vinschger Höhenweg nach Belieben auch anders einteilen. Fitte Wanderer können den Weg sogar in drei Tagen schaffen, dann bleibt allerdings kaum Zeit zum Genießen der Landschaft. Wenn ihr zusätzlich die eine oder andere (Gipfel-) Variante einbauen möchtet, dann werdet ihr eher mehr als sechs Tage unterwegs sein. Manche der Etappen lassen sich auch als Tagestouren durchführen. Dies gilt für die Etappen 1, 2, 3 und 6. Besonders die letzte Etappe von St. Martin im Kofel nach Staben ist dafür bestens geeignet. Hier gibt es sehr gute Möglichkeiten, wieder mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Ausgangspunkt zu gelangen.
Der Vinschger Höhenweg ist durchgehend rot-weiß-rot, mit Wegweisern und mit folgendem Logo signalisiert:
Die gezackte Linie stellt die Vinschger Berge dar, die geschwungene Linie hingegen das Tal. Das Logo soll Berge und Tal harmonisch miteinander verbinden. Die geschwungene Linie kann gleichzeitig als Hinweis auf den Höhenweg verstanden werden. Die Kreise sind als Zehen zu verstehen, wobei bewusst nur vier dargestellt sind. Obwohl (fast) alle Wanderwege in Südtirol nummeriert sind, hat der Vinschger Höhenweg keine einheitlich durchgehende Nummer.
Charakter des Vinschger Höhenwegs
Der Vinschger Höhenweg ist ein eher einfacher Höhenweg. Es gibt keine wirklich schwierigen oder ausgesetzten Passagen. Trittsicherheit ist aber auch hier wie auf jeder Bergwanderung ein guter Begleiter. Konditionell sind die Etappen eher als moderat einzustufen. Ausgenommen ist die fünfte und längste Etappe von Tanas nach St. Martin. Hier sind große Höhenunterschiede zu bewältigen und eine Wanderzeit von 8 Std.
Ein wenig schade ist die Tatsache, dass viele Wanderwege und Passagen des Vinschger Höhenwegs auf breiten Wirtschaftswegen, zum Teil sogar auf asphaltierten Straßen verlaufen. Seit langem bin ich es gewohnt, dass ich in der Nähe von Ortschaften mit breiten oder gar asphaltierten Wegen vorlieb nehmen muss. Trotzdem freute ich mich über jeden Abschnitt am Vinschger Höhenweg auf einem »echten« Wanderweg. Da der Vinschger Höhenweg oft in Talnähe oder durch Alpgebiete verläuft, müssen Bergwanderinnen & Bergwanderer damit leben, dass ein Teil dieser Wanderwege eben Wirtschaftswege und manchmal auch Straßen sind. Andererseits gibt es viele Abschnitte, die auf Waalwegen entlang den berühmten Bewässerungskanälen führen. Mehr Meditation beim Wandern geht kaum.
Wie bereits angedeutet, ist der Vinschger Höhenweg in weiten Teilen noch immer ein stiller Höhenweg. Manche Abschnitte werden von Einheimischen für Spaziergänge oder Kurzwanderungen genutzt. Es gibt aber auch Abschnitte, die viel begangen und auf denen ihr nicht allein seid. Allerdings werden es am Weg zwischen Reschen und Naturns kaum einmal ähnliche Massen sein, wie in anderen touristischen Hotspots in Südtirol. Ich habe auf vielen Bergwanderungen die Erfahrung gemacht, dass der Vinschgau in weiten Teilen ein stilles Wanderparadies ist. Dies hängt auch mit den zum Teil sehr großen Höhenunterschieden zusammen und der verhältnismäßig geringen Zahl an Aufstiegshilfen in Form von Seilbahnen.
Auf dem Vinschger Höhenweg werden ihr am meisten »Wanderverkehr« vermutlich auf den letzten beiden Etappen erleben. Auf der 5. Etappe zwischen St. Martin im Kofel und Tappein gibt’s oft Gegenverkehr, da der Abstieg von St. Martin nach Schlanders fast schon zum Pflichtprogramm eines Vinschgau-Urlaubs zählt und sehr beliebt ist.
Ähnlich ist es auf der 6. Etappe zwischen St. Martin im Kofel und Tschars und rund um Schloss Juval. Häufiger begangen wird auch der Höhenweg zwischen dem Glieshof und Matsch, also die 3. Etappe. Grund dafür ist unter anderem der Wanderbus, der im Sommer (etwa Mitte Juni bis Ende September) morgens von Matsch zum Glieshof fährt
Gipfel am Vinschger Höhenweg
Unterwegs gibt es mehrere Möglichkeiten für Gipfeltouren, von ganz einfach bis anspruchsvoll. Im Vinschgauer Oberland sind das Großhorn bei St. Valentin, das Stoanmandl bei Planeil und vor allem die Spitzige Lun zwischen Planeil und Matsch sehr lohnende Ziele. Vom Glieshof lässt sich mit dem Upikopf sogar ein leichter 3000er besteigen. Ab St. Martin im Kofel gibt es mit der Vermoispitze nochmals einen großen Gipfel. Für alle Gipfeltouren solltet ihr zusätzliche Tage einplanen. Ausgenommen ist die Spitzige Lun, denn sie lässt sich alternativ bei der zweiten Etappe von Planeil nach Matsch überschreiten.
Geschichte des Vinschger Höhenwegs
Wie bei vielen touristischen Projekten, war auch der Start des Vinschger Höhenwegs eine zähe und mühsame Angelegenheit. Schließlich müssen bei solchen Projekten stets verschiedene, ja teils gegensätzliche Interessen unter einen Hut zu gebracht werden. Die Regionalzeitung »der Vinschger« titelte 2009 zur Entstehung: »Eine touristische Schwergeburt«.
Die Idee, einen Höhenweg im Vinschgau zu schaffen, hatte Matthias Pircher aus Tarsch, der in den Jahren 2000–2002 die Wanderwege im Vinschgau mit GPS vermessen hatte. Nach seinen Plänen sollte der Vinschger Höhenweg nicht nur auf der linken Talseite am Sonnenberg entlang führen, sondern auch auf der rechten Talseite, dem Nörderberg. Der Vinschger Höhenweg würde dann 14 Etappen umfassen.
In den 1990-er-Jahren hatte bereits der Wanderführerautor Karl-Heinz Rochlitz einen Versuch unternommen, einen Höhenweg von Burgeis nach Juval zu kreieren, den er »Sonnenberger Höhenweg« taufte: In seinem Wanderführer Schlanders, erschienen 1993 im Tappeiner Verlag, ist diese Route beschrieben. Sein Verlauf ähnelte zum Teil dem heutigen Vinschger Höhenweg, zum Teil verlief er auf anderen Pfaden, wie beispielsweise über St. Peter. Eine sehr schöne Alternative, die ich als wesentlich lohnender einstufen würde, als den eigentlichen Höhenweg über Obfrini. In meinem Wanderführer ist diese Alternative ebenfalls beschrieben.
Herausforderungen für den Vinschger Höhenweg
Im Sommer 2007 starteten Vinschgau Tourismus, der Alpenverein Südtirol und das Forstinspektorat Schlanders mit den Arbeiten am Vinschger Höhenweg. Finanziert wurde das Projekt mit EU-Fördermitteln und vom Tourismusverband Vinschgau. Doch bereits nach der Fertigstellung der ersten Etappen zwischen Juval und Matsch kam das Projekt ins Stocken, der Weiterbau zwischen Matsch und Reschen lag zunächst auf Eis. Wie so oft ging es um die Klärung von Zuständigkeiten für die Wegabschnitte: Zwischen Alpenverein und Tourismusverband einerseits, aber auch zwischen den beteiligten Tourismusvereinen und Gemeinden.
Im Sommer 2010 wurde die Beschilderung komplett abgeschlossen und der Vinschger Höhenweg war nun als Ganzes begehbar. Nur ein kleiner Teil der Wege wurde dafür neu angelegt, größtenteils nutzte man bestehende Wander- und Versorgungswege. Außerdem wurden einzelne Abschnitte schon länger von den Vinschgauer Tourismusvereinen kräftig beworben. Bekannte Beispiele dafür sind die beiden Abschnitte von St. Martin im Kofel nach Schlanders und Juval.
Noch immer ist die geringe Anzahl der Übernachtungsmöglichkeiten am Vinschger Höhenweg ein großes Problem. Darauf weist Vinschgau Tourismus auf seiner Website ausdrücklich hin. Ihr solltet daher frühzeitig reservieren. Als ich vor gut zehn Jahren den Wanderführer schrieb, dachte ich, dass sich das schon bald ändern würde. Aber natürlich kann man am Vinschgauer Sonnenberg nicht einfach mal ein paar Hotelbetriebe oder Appartements bauen. Und sie würden hier vermutlich kaum hinpassen.
Die beste Jahreszeit am Vinschger Höhenweg
Die schönsten Jahreszeiten für den Vinschger Höhenweg sind Frühjahr, Spätsommer und Herbst. Der Weg ist in manchen Jahren schon im April begehbar, allerdings solltet ihr dann damit rechnen, dass in den steilen Seitentälern und Tobel noch Lawinenreste liegen. Diese Erfahrung durfte ich auf der sechsten Etappe im Tal des Vermoibachs machen. Im Mai könnt ihr die Blumenblüte bereits in vollem Maße genießen und in der warmen, teils schon heißen Sonne unterwegs sein, während auf der anderen Talseite die Nordfront der Ortlergruppe noch tief verschneit ist. Abstecher auf Gipfel sind dann meist noch nicht möglich. Dort liegt in der Regel noch zu viel Schnee und selbst auf eher »kleineren« Gipfeln wie der Spitzigen Lun oder dem Stoanmandl müsst ihr noch mit Schneefeldern rechnen. Diese solltet ihr nur dann begehen, wenn ihr trittsicher seid und über die nötige Erfahrung verfügt!
Im Hochsommer ist es auf dem Vinschger Höhenweg definitiv zu heiß, da braucht es schon sehr viel Motivation … Etwa ab Mitte September ist die optimale Jahreszeit, um den Höhenweg und mögliche Gipfelabstecher unter einen Hut zu bekommen. Auch sind die Tage noch lang genug, um ohne Zeitprobleme den Wandertag genießen zu können. Der Oktober ist zwar meist wunderschön, aber die Tage sind bereits deutlich kürzer und leider führen die Waale dann kein Wasser mehr. Machbar ist der Vinschger Höhenweg oft auch noch im November, aber es haben nicht mehr alle Unterkünfte geöffnet.
Ausgangspunkt
Reschen am gleichnamigen Pass, Bus ab und bis Mals und Nauders (273). Mals ist Endstation der Vinschger Bahn (250) von Meran.
Endpunkt
Staben bei Naturns, Bahnhof an der Vinschger Bahn (250) zwischen Latsch und Naturns. Die Rückkehr nach Reschen ist gut mit Öffis machbar: Mit der Vinschger Bahn bis Mals und von dort mit dem Bus nach Reschen.
Zeiten & Höhenmeter
1 Reschen – Planeil 5¾ Std.
670 Hm, 580 Hm
2 Planeil – Matsch 3½ Std.
550 Hm, 540 Hm
3 Matsch – Glieshof 4¾ Std.
750 Hm, 540 Hm
4 Glieshof – Tanas/Paflur 6 Std.
650 Hm, 940 Hm
5 Tanas/Paflur – St. Martin im Kofel 7¾ Std.
1306 Hm, 1130 Hm
6 St. Martin im Kofel – Juval – Staben 4¾ Std.
250 Hm, 1500 Hm
Die Höhenunterschiede sind teilweise geschätzt.
Anforderungen & Jahreszeit
Etappen 1, 2, 4: T1
Etappen 3, 5, 6: T2, Trittsicherheit für einzelne Abschnitte
Mai bis Oktober
Tappeiner: 165 Vinschger Höhenweg, 1:25 000. Basiert auf Tabacco und deckt den gesamten Wegverlauf ab. Sehr zuverlässig, der Vinschger Höhenweg war schon früher korrekt eingetragen – seinerzeit im Maßstab 1:50 000.
Alternativ können andere Karten von Tabacco oder Kompass verwendet werden. Allerdings braucht es dann immer mehrere Blätter. Ausnahme ist Kompass Blatt 52 Vinschgau, allerdings im Maßstab 1:50 000.
Deuble, Peter: Vinschger Höhenweg, Conrad Stein, Welver, 2013. Der erste Führer über den noch relativ jungen Höhenweg im Vinschgau. Mit einigen Gipfelvarianten.
Rochlitz, Karl-Heinz: Südtirol für Bergwanderer Band 1 Vinschgau, Athesia-Tappeiner, Bozen, 3. Auflage 2000. Zuletzt unter dem Titel Bergwandern in Südtirol erschienen. Zwar nicht mehr überall aktuell, aber bis heute der beste Gebietswanderführer über den Vinschgau mit ausführlichen Wegbeschreibungen und einer exzellenten Bebilderung. Unübertroffen! Leider kaum mehr erhältlich.
Rampold, Josef: Vinschgau, Südtiroler Landeskunde Band 1, Athesia, Bozen, 5. Auflage 1997. Das Standardwerk über den Vinschgau wird leider nicht mehr neu aufgelegt, ist aber antiquarisch noch erhältlich. Wer sich intensiver mit dem Vinschgau beschäftigen möchte, für den dieses Buch eine wahre Fundgrube und unbedingt empfehlenswert!
Wielander, Hans: Der Vinschgauer Sonnenberg, Tappeiner, Lana 2012. Interessantes Buch, in dem diese einmalige Landschaft von einem Einheimischen, der in ihr aufgewachsen ist, wunderbar charakterisiert wird. Mit vielen, zum Teil historischen Bildern. Nur noch antiquarisch erhältlich.
Es ist hier nicht möglich, alle Übernachtungsmöglichkeiten aufzuführen. Hierfür bitte Vinschgau Tourismus konsultieren.
Vinschgau Tourismus empfiehlt, die Unterkünfte im Voraus zu buchen, da die Übernachtungsmöglichkeiten entlang des Weges beschränkt sind. Falls ihr den Höhenweg kurzfristig machen wollt, solltet ihr auf die Wochentage ausweichen. Diese Empfehlungen kann ich beide nur unterstützen.
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