Von Zürs über den Nördlichen Trittkopf auf den Aussichtsgipfel über dem Arlberg
Der Trittkopf ist der südwestlichste Eckpfeiler der Lechtaler Alpen. Mit steilen Felsflanken beherrscht er die Pässe Arlberg und Flexen. Der Berg ist eher in Skifahrerkreisen bekannt. (Berg-) Wanderer verirren sich nur selten auf den Berg. Das hat einen guten Grund: Die Eingriffe in die Landschaft sind nicht zu übersehen. Der Trittkopf ist im Süden und Westen mittlerweile fast komplett von Bergbahnen eingekreist. Eine Tour, über die man streiten kann – keine Frage.
Außer dem Anstieg von Zürs gäbe es noch eine andere Möglichkeit, die faktisch nicht mehr zu empfehlen ist. Der um einiges anspruchsvollere Anstieg durch die Ostflanke auf den Trittkopf wurde früher gerne beim Übergang von der Stuttgarter zur Ulmer Hütte gemacht. Von dem markierten Steig zum Trittkopf ist nicht mehr viel zu sehen, wie sven86 bei Hikr.org schreibt. Die Route wird wohl nur noch wenig begangen und die Schwierigkeiten könnten bereits im Bereich T5 liegen, also deutlich jenseits davon, was man unter Bergwandern versteht.

Hinzu kommt, dass der Übergang zwischen Stuttgarter Hütte und Ulmer Hütte nicht mehr möglich ist. Bei OSM ist dies eingetragen. Auf der Homepage der Stuttgarter Hütte steht unmissverständlich, dass der Weg über die Trittscharte zur Ulmer Hütte wegen Felssturz nicht mehr begehbar ist (Rubrik Touren). Wer zur Ulmer Hütte will, muss also die Valluga überschreiten. Auf der Homepage der Ulmer Hütte liest man hierzu erstaunlicherweise gar nichts.
Bergtour zum Trittkopf mit gegensätzlichen Aspekten
Skigebiet auf der einen Seite, Felssturz auf der anderen – das hält viele davon ab, den Trittkopf zu besteigen. Als ich zuletzt für ein paar Tage in der Region war, suchte ich für Sonntag ein Ziel, das nicht überlaufen war. Markierte Anstiege schieden also aus. Es war zudem ein heißer Tag, ein Anstieg auf der Westseite, der morgens lange im Schatten liegt, war also ideal. Den Trittkopf hatte ich schon sehr lange im Fokus. Für mich wurde der Tag zum Volltreffer.

Der Anstieg führt lange Zeit über breite Fahrwege und Skipisten. Nicht unbedingt schön. Aber auf dem Nördlichen Trittkopf ändert sich die Tour schlagartig, obwohl es auch hier oben noch einen Masten hat. Der erste Blick zur Roggspitze, zur Valluga und ins oberste Pazüelbecken ist einer der schönsten Momente der Tour. Auf der anderen Seite vom Flexenpass zieht die an diesem Tag allgegenwärtige Wildgruppe schon während des gesamten Anstiegs die Blicke auf sich. Zuletzt lässt sich der Gipfelanstieg über einen breiten Grat wirklich genießen. Hier gibt es keinen Weg, maximal Spuren. Gegen den Gipfel hin sind im Kalkschiefer ein sicherer Tritt und Erfahrung nötig. Der Trittkopf ist kein Ziel für Anfänger & Einsteiger! Der Gipfelgrat sollte schneefrei sein. In manchen Jahren kann dies bis Mitte/Ende Juli dauern, dieses Jahr war es bereits Mitte Juni soweit. Eine solide Kondition ist ebenfalls gefragt, es sind immerhin 1000 Hm.

Trittkopf & Ulmer Hütte
Am Gipfel angekommen treten die negativen Erscheinungen in den Hintergrund – die Rundsicht ist top! Der aus manchen Richtungen massig wirkende Trittkopf bildet am Gipfel eine schmale, teilweise ausgesetzte Gratschneide in Ost-West-Richtung. Dies gilt besonders auf der östlichen Seite, wenn ihr etwas absteigend noch einen Blick auf die Trittscharte werfen möchtet. Der Trittkopf war früher vermutlich einiges populärer. Am Gipfel sind die Markierungen des Anstiegs von der Ulmer Hütte noch zu sehen. Und selbst am Nordgrat fand ich einen Stein mit verblichener Markierung. Auf alten Karten sind Steigspuren eingetragen, die in etwa der hier beschriebenen Route folgten. Tempi passati.

Auch das schlichte Gipfelkreuz stammt fast schon aus einer anderen Zeit. Es wurde 1978 von der DAV-Sektion Ulm zum 100-jährigen Jubiläum der Ulmer Hütte aufgestellt, und ist also auch bald 50 Jahre alt. Was ich ja noch nie verstanden habe: Warum bekleben Menschen völlig sinnfrei Gipfelkreuze oder Wegweiser mit irgendwelchen Aufklebern? Wen interessieren diese »Botschaften«?
Hätte die Sektion Ulm seinerzeit geahnt, dass ihre Hütte eines Tages mitten im Skizirkus liegt, wäre es vielleicht ein anderer Standort geworden. Als Tourenziel oder Stützpunkt ist sie weniger bedeutend als andere AV-Hütten. Dies spiegelt sich auch in den Öffnungszeiten wieder: Sie ist im Sommer nur zwei Monate geöffnet (Mitte Juli – Mitte September). Ungewöhnlich kurz für eine AV-Hütte.

Entscheidet selber, ob ihr die Tour zum Trittkopf machen möchtet. Ich verspreche euch unschöne Bilder, gepaart mit einer sensationellen Rundsicht. Meine zwei Stunden dort oben bleiben unvergessen. Ich würde euch zudem empfehlen, am Wochenende zu gehen. Werktags ist in Skigebieten im Sommer immer mit Baulärm zu rechnen. Ob am Gipfelgrat noch Schnee liegt, zeigt euch die Webcam auf dem Rüfikopf bei foto-webcam.eu (dort könnt ihr das Bild vergrößern).
Wanderung von Zürs zum Nördlichen Trittkopf
Startpunkt ist die Talstation der Trittkopfbahn in Zürs, 1717 m. Auf einem breiten Fahrweg zunächst fast parallel zur Seilbahn. Er steigt dann in Kehren am Hang entlang. Dabei passiert man zwei Felsen, an denen Drahtseile hängen. Klettersteige? Ihr folgt dem Fahrweg bis zum Bett des Baches, der vom Nördlichen Trittkopf herabkommt (im Sommer möglicherweise ausgetrocknet). Dahinter links ab und steil in direkter Linie über ein Skipiste bergan (Balmen-Piste bei OSM). Man könnte auch dem Fahrweg folgen und in einem Bogen vorbei an der Mittelstation der Trittkopfbahn die Kreuzung der Fahrwege erreichen. Das ist mit etwas mehr Zeit und einem Gegenanstieg von ca. 50 Hm verbunden.

Am oberen Ende der Skipiste trefft ihr wieder auf den Fahrweg. Hier kurz nach links, bis zur Kreuzung zweier Fahrwege. Dort rechts haltend hinauf in das eindrucksvolle Geröllkar unter dem Trittkopf. Der Fahrweg wendet sich dann wieder nach links und quert unter steilen Felswänden auf ein Eck hinaus. Diesen Bereich unbedingt zügig passieren. Die Felsbrocken, die auf dem Fahrweg liegen, sprechen eine deutliche Sprache! Vom Eck sieht man die Bergstation, die schnell erreicht ist. Links daran vorbei und über einen steilen Schieferschutthang hinauf. Hier finden sich vereinzelt Wegspuren. Zuletzt legt sich das Gelände wieder etwas zurück und ihr steht am Nördlichen Trittkopf, 2581 m. Die Aussicht kann sich schon von hier sehen lassen. Unvergesslich aber bleibt der Moment, wenn die Roggspitze auftaucht.

Wanderung zum Trittkopf
Vom Nördlichen Trittkopf ist der letzte Abschnitt bestens zu überblicken. Ihr seht den meist breiten Kamm und die felsigen Passagen im oberen Abschnitt, die Aufmerksamkeit erfordern. Zunächst bummelt man über Gras und Kalkschutt gemütlich hinab in den Sattel vor dem Trittkopf. Hier hat es einen Blumenreichtum sondergleichen! Der Kalkschiefer ist offensichtlich sehr nährreich. Auf ca. 2630 m wird der Grat steiler. Aber auch hier gibt es immer wieder Wegspuren. Am besten hält man sich stets auf der Grathöhe, die Schieferplatten sind meist besser zu gehen als das mitunter rutschige Gelände rechts unterhalb. Im obersten Abschnitt quert eine schwache Wegspur nach rechts hinaus zum Gipfelgrat. Zuletzt über einen Rasenrücken zum etwas ausgesetzten Gipfelkreuz auf dem Trittkopf, 2720 m. Vorsicht, der Gipfel bricht auf der Südseite steil und unvermittelt ab!
Rundsicht vom Trittkopf
So gegensätzlich diese Tour ist, so gegensätzlich ist auch die Rundsicht vom Trittkopf. Einerseits kann man dem bunten Treiben und Gewusel rund um den Arlbergpass und den Flexenpass zusehen. Gleichzeitig fühlt man sich hier oben fast ein wenig weltentrückt – weit und breit ist niemand zu sehen.
Die Rundsicht dürfte zu den schönsten im östlichen Teil von Vorarlberg zählen. Einen besseren Platz, um das Verwall von Norden zu überblicken, gibt es kaum.

Abgesehen von der Valluga, schränkt kein höherer Gipfel in der näheren Umgebung die Rundsicht ein. Gemeinsam mit der Roggspitze, die aus diser Perspektive nicht ganz so schnittig aussieht wie vom Nördlichen Trittkopf, hinterlässt die mächtige Valluga einen starken Eindruck. Die Umrahmung des obersten Pazüelbeckens sieht richtig wild aus!
Rechts von der Valluga zeigen sich am Horizont die Stubaier Alpen (Breiter Grieskogel, Schrankogel), rechts vom Hohem Riffler die Ötztaler Alpen (Watzespitze, Wildspitze).

Links von der Roggspitze beherrschen einige Schwergewichte der Allgäuer Alpen den Horizont. Über den Nördlichen Trittkopf und die Rüfispitze geht der Blick im Norden hinab nach Zürs, zum Geißhorn, zum Widderstein und zu den grünen Gipfeln im Bregenzerwald. In der Ferne grüßt der Hochgrat in der Nagelfluhkette.

Genau im Westen stehen die Türme und Zacken der Wildgruppe, der höchsten Untergruppe im Lechquellengebirge. Die Rote Wand ist übrigens nur vom Nördlichen Trittkopf zu sehen.

Im Südhalbrund bilden Verwall, Silvretta und Rätikon gemeinsam ein riesiges Panorama, vom Hohen Riffler bis zur Schesaplana. Das alles zu erfassen, nimmt einige Zeit in Anspruch. Einzelheiten zeigen euch die Bilder. Im Südwesten reicht der Blick bis zum Rheinwaldhorn in der Adula, dem höchsten Berg im Tessin. Es lohnt sich also, einen klaren Tag abzuwarten!
Ausgangs- und Endpunkt
Zürs am Flexenpass, Parkplätze am südlichen Ortsrand nähe Trittkopfbahn. Bus von Lech nach Langen (750) oder St. Anton am Arlberg (760), Haltestelle Trittkopfbahn.
Zeiten & Höhenmeter Zürs – Nördlicher Trittkopf 2½ Std.
Nördlicher Trittkopf – Trittkopf 30 Min.
Trittkopf – Nördlicher Trittkopf 20 Min.
Nördlicher Trittkopf – Zürs 2 Std.
1010 Hm
Anforderungen & Jahreszeit T3+, Trittsicherheit am Gipfelaufbau, nicht bei Schnee oder Regen!
Juli – September (Oktober)
Alpenvereinskarte: 3/2 Lechtaler Alpen, Arlberggebiet, 1:25 000. Schönste & beste Karte, jedoch nicht immer aktuell.
Mayr: 401 St. Anton am Arlberg, XL Wanderkarte, 1:25 000. Großer Maßstab, gut lesbar und reißfest.
Kompass: 33 Arlberg Verwallgruppe,1:50 000. Kleiner Maßstab, reißfest. Interessant zum Bestimmen der Gipfel.
Aus verständlichen Gründen findet sich der Trittkopf nicht in den üblichen Wanderführern. Es bleibt also nur der »Klassiker«, der AVF Lechtaler Alpen.
Seibert, Dieter: Alpenvereinsführer Lechtaler Alpen, Bergverlag Rother, München, 2. Auflage 2008. Der vielleicht beste Gebietskenner beschreibt alle Gipfel der Lechtaler Alpen, oft in Form von Rundtouren. Eine echte Fundgrube, top! Nur noch antiquarisch erhältlich, evtl. bei Alpen-Antiquariat Ingrid Koch oder digital (gescannte Bibliotheksausgaben).
Unterwegs keine Möglichkeit.
Haltestelle Trittkopfbahn an der Buslinie von Lech nach Langen (750) und St. Anton am Arlberg (760).
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