Wanderklassiker in den Sextner Dolomiten
Drei Zinnen. Klingende Namen, die selbst in den weitum bekannten Dolomiten noch einen besonderen Klang haben. Nicht nur bei Kletterern. Jedes Jahr pilgern unzählige Bergwanderinnen & Bergwanderer um das berühmte Massiv. Hinauf deutlich weniger. Selbst der »Normalanstieg« auf die Große Zinne wartet mit Stellen im dritten Schwierigkeitsgrad und einer verwinkelten Wegführung auf. Und die berühmten Nordwände, an denen so manche Persönlichkeit Klettergeschichte geschrieben hat, sind nur etwas für Spitzenkletterer. Da muss ich passen. Ich steige gerne auf Berge, aber in einer senkrechten Wand würde ich mich nicht wohlfühlen, um es mal zurückhaltend auszudrücken. Wenn ich an manche Hochtour denke, auf denen Kletterstellen im zweiten Schwierigkeitsgrad oder bis zu 50° steile Gletscherhänge zu bewältigen waren – das genügt mir völlig. Aber faszinierend finde ich es schon, wenn die Cracks in senkrechten Wänden hängen und einfach mal der Schwerkraft trotzen. Und wenn sie dann beschreiben, wie sie sich im Flow fühlen, wenn sie Eins mit dem Berg sind. Das beeindruckt mich schon sehr. Auch wenn ich so etwas wohl kaum einmal machen werden. Aber ich kann es nachvollziehen. Traumgipfel und Traumtouren habe ich auch. Nur eben keine »Sechser-Wände«.
Sextner oder Sextener Dolomiten? Es kommen beide Formen vor. Früher eher Sextener, heute schreiben Kompass und Rother Sextner. Das scheint mittlerweile üblich zu sein. Daher schreibe ich es ebenso.
Erinnerungen, Erlebnisse und Geschichten
Ich erinnere mich noch gut, ich war etwa 12 Jahre alt. Unser Nachbar ging damals mit der Ortsgruppe Trossingen der DAV-Sektion Oberer Neckar auf eine mehrtägige Hüttentour durch die Sextner Dolomiten. Und er brachte mir ein großes Bild mit – von den Drei Zinnen bei Sonnenuntergang. Die Dolomiten waren damals für mich die schönsten Berge der Welt. Überhaupt gefielen mir Kalkberge wie im Rätikon oder im Karwendel besonders gut. Das änderte sich mit der Zeit. Heute liebe ich eher Berge aus Granit oder Gneis oder anderen kristallinen Gesteinen. Aber natürlich bin ich auch gerne in den Kalkalpen unterwegs.
Szenenwechsel: Mit meiner damaligen Partnerin bin ich in Südtirol im Urlaub. Seit einiger Zeit ist sie erklärter Fan von den Drei Zinnen. Ich dagegen bin nur noch mäßig davon begeistert. Schon Richard Goedeke, Autor mehrerer Führer über die Sextner Dolmiten, schrieb Ende der 1980er-Jahre, dass mit »Volksaufläufen zu rechnen« sei. Überall wird davon berichtet, dass die Runde stark überlaufen sei und man ständig das Gefühl habe, auf einer belebten Einkaufsstraße zu sein. Okay, solche Berichte sind manchmal vielleicht ein wenig übertrieben, aber ich habe darauf keine allzu große Lust. Vielleicht noch im späten Herbst an einem Werktag. Jetzt haben wir erst Anfang September. Und die Mautstraße zum Rifugio Auronzo ist auch nicht gerade preiswert.
Alles in allem genügend Gründe für mich, diese Runde nicht in Erwägung zu ziehen. Seit langem hängt mir meine Partnerin nun in den Ohren, dass ich doch endlich mit ihr die Tour »Rund um die Drei Zinnen« mache.
Schließlich lasse ich mich darauf ein, unter einer Bedingung: Start kurz nach Sonnenaufgang, um schöne Stimmungen zu erleben und um den Massen auszuweichen. Außerdem hatte ich mir noch überlegt, von der Dreizinnenhütte auf den kleinen Mugel Sextner Stein zu wandern. Nach meinem Plan könnten wir auch dem Rummel an der Hütte ausweichen. Ob der Plan funktioniert hat? Größtenteils ja. Morgens waren wir meist allein, erst ab der Dreizinnenhütte wurde es lebhafter. Auch am Sextner Stein war außer uns niemand. Ganz anders war es nachmittags auf dem Rückweg über die Langalm …
Falls ihr mir nicht glaubt – Auf der Homepage der Dreizinnenhütte steht seit diesem Jahr: »Wegen der Flut an Anfragen die wir normalerweise erhalten, mussten wir unser Anmeldesystem umstellen! Wir sind mit schätzungsweise 10.000 e-mail Anfragen im Jahr überfordert und schaffen es nicht auf all die eingehenden mails persönlich zu antworten.« Zehntausend Anfragen pro Jahr. Nur für Anfragen, nicht für Gäste. Jetzt habt ihr eine Vorstellung, was dort los ist. Gut, dass ich so etwas vorher nicht gelesen hatte …
Nachdem ich die Runde gemacht hatte, konnte ich sagen: Die Tour ist eine schöne und einfache Wanderung, fast schon ein alpiner Spaziergang. Und die Drei Zinnen beeindrucken von Anfang bis Ende. Der Rundweg ist tatsächlich sehr leicht zu gehen. Bis zur Hütte spaziert ihr auf einem Fahrweg, also ein »klassisches« T1. Die Runde erreicht lediglich bei zwei Passagen ein T2. Und noch beim fakultativen Anstieg zum Sextner Stein. Aber die Tour ist tasächlich sehr überlaufen. Das merkt man vor allem nachmittags.
Wenn ihr Wert auf ein wenig Ruhe legt, würde ich folgende Empfehlung machen: Ein sehr früher Aufbruch bei Sonnenaufgang ist zumindest im Sommer ohne Alternative. Im Frühsommer oder Spätherbst dürfte es unter der Woche allgemein ruhiger sein. Wenn euch der Rummel aber nicht stört, dann spielt es keine Rolle. Wobei die Stimmungen am frühen Morgen besonders schön sind. Die Bilder hier unterstreichen das.
Zuletzt bleibt der Wermutstropfen, dass ein früher Aubruch mit Öffis leider nicht möglich ist. In der Vor- und Nachsaison gibt es gar keine Verbindung.
Rund um die Drei Zinnen
Ausgangspunkt ist der große Parkplatz beim Rifugio Auronzo, 2320 m. Wenn ihr hier früh morgens startet, könnt ihr euch kaum vorstellen, dass nachmittags der gesamte Parkplatz voll ist. Die Mauteinnahmen möchte man gerne haben …
Der Fahrweg leitet fast eben hinüber zur Cappella degli Alpini, 2314 m. Auf diesem Abschnitt dominiert der Zwölferkofel das Panorama. Zwar weit entfernt, sieht man dennoch, dass es sich um ein mächtiges Bergmassiv handelt. Nach Süden geht der Blick weit hinaus über die Dolomiten des Cadore und man kann die italienische Tiefebene erahnen.
Bald gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder ihr bleibt am Fahrweg, der am Rifugio Lavaredo, 2344 m, vorbei in einem großen Bogen zum Paternsattel führt. Oder ihr nehmt den direkten Wanderweg, der links abzweigt. In jedem Fall habt ihr Zeit und Muße, die Südseite der Drei Zinnen intensiv zu studieren. Auf dieser Seite zeigen sie keine mauerglatten Wände, bilden sie ein Gewirr von Zacken und Türmen. Welches sind die höchsten Punkte? Die Identifikation bereitet einige Mühe.
Am Paternsattel, 2454 m (Forcella Lavaredo), stehen wir dann direkt neben den Zinnen. Auch eine interessante Perspektive – nicht umsonst habe ich es zum Titelbild für diesen Beitrag auserkoren. Die prallen Nordseiten sieht man immer und überall. Bilder von hier sind seltener.
Weiterhin auf dem breiten Fahrweg geht’s dann leicht bergab. Im Rücken setzen die Drei Zinnen ihre Nordwände immer besser in Szene. Von der Dreizinnenhütte, 2405 m, habt Ihr wohl den schönsten Blick. Kein Wunder, dass dieser Platz so beliebt ist. Nebenbei: Die Querung weiter oben unter den Wänden des Paternkofels macht keinen Sinn und ist dem Steinschlag ausgesetzt.
Der Rundweg führt euch von der Hütte auf dem Weg 105 (»Dolomiten Höhenweg Nr. 4«) hinab zum Rienzboden. Es folgt ein Gegenanstieg – hier ist zum ersten Mal auf der Runde ein wenig Trittsicherheit gefordert. In einer längeren Querung erreicht ihr dann die ausschließlich im Sommer bewirtschaftete Langalm, 2283 m. Der Weg steigt nun noch etwas an und es bietet sich ein schöner Blick zur Hohen Gaisl und zum Dürrenstein.
Anschließend quert er die Flanke unter dem Torre Lavaredo, zuletzt leicht ansteigend durch Schutt in die Mitterscharte, 2315 m (Forcella del Col de Medo). Auf diesem kurzen Abschnitt braucht es nochmals ein wenig Trittsicherheit. Die Passage ist auf dem Bild unten gut zu erkennen. Von der Scharte ist es noch eine gute Viertelstunde bis zum Ausgangspunkt.
Sextner Stein
Sagte ich vorhin, dass der Blick auf die Drei Zinnen von der Hütte am schönsten ist? Der kurze Anstieg zum Sextner Stein lohnt sich in jedem Fall. Direkt hinter der Kappelle bei der Dreizinnenhütte, setzt ein Steig ein, der die steile Ostseite des Sextner Steins quer. Er führt zu den Klettersteigen am Toblinger Knoten. Bald wird der Hang wieder flacher und mit einer Linkskehre geht’s in einen Sattel, ca. 2500 m. Er trennt unseren kleinen Gipfel von dem nicht einmal 100 m höheren, aber beeindruckenden Toblinger Knoten. Vom Sattel problemlos auf das geräumige Gipfelplateau am Sextner Stein, 2539 m.
Der Blick auf die Drei Zinnen stellt auch hier alles andere in den Schatten. Fast schon schade, denn es hat noch viele andere schöne Berge hier. Wie zum Beispiel den nahen Toblinger Knoten auf der anderen Seite, auf den zwei Klettersteige führen.
Hier oben sind noch Überreste und Stellungen aus dem Ersten Weltkrieg zu sehen. Wie im Buch von Heinz von Lichem über den Gebirgskrieg zu lesen ist, war der Sextner Stein während des Ersten Weltkriegs in der Hand der Italiener, der Toblinger Knoten nebenan von den Österreichern besetzt. Das verleiht dem ansonsten eher wenig bedeutenden Mergel-Buckel ein zusätzliches Interesse.
Ausgangs- und Endpunkt
Rifugio Auronzo, erreichbar von Toblach via Misurina auf einer sehr gut ausgebauten, aber auch sehr teuren Mautstraße. Im Sommer ab Toblach auch per Bus (Linie 444, ca. Anfang Juli – Mitte September).
Zeiten & Höhenmeter
Rifugio Auronzo – Dreizinnenhütte 1¾ Std.
135 Hm, 50 Hm
Dreizinnenhütte – Rifugio Auronzo 2 Std.
225 Hm, 140 Hm
Dreizinnenhütte – Sextner Stein gut 30 Min. hin und zurück
135 Hm
Anforderungen & Jahreszeit
Rund um die Drei Zinnen T2, Trittsicherheit bei zwei Passagen
Sextner Stein T2, Trittsicherheit im Geröll
Juni bis Ende Oktober
Tabacco: 010 Dolomiti di Sesto / Sextener Dolomiten, 1:25 000. Die wohl beste Karte für die Sextner Dolomiten.
Kompass: 58 Sextner Dolomiten, Toblach, Innichen, Lienz / Dolomit di Sesto, Dobbiaco, San Candido, Lienz, 1:50 000. Kleinerer Maßstab, dafür reißfest.
Hauleitner, Franz: Dolomiten 5 – Sextner Dolomiten: mit Naturpark Drei Zinnen und Pragser Tal. Bergverlag Rother, München, 11. Auflage 2023. Perfekter Querschnitt durch die Sextner Dolomiten von einem der besten Gebietskenner.
Huber, Alexander & Schwenkmeier, Willi: Drei Zinnen: Klettern in den Dolomiten, Malik National Geographic, München, 2014. Wenn ihr verstehen wollt, was in Extremkletterern vorgeht, seid ihr bei Alexander Huber richtig.
Von Lichem, Heinz: Gebirgskrieg 1915-1918: 3 Bände im Schuber, Reproduktion, Athesia, Bozen, 2018. Ein Klassiker der Weltkriegsliteratur. Anlässlich des 100-Jahr-Jubiläums zum Ende des Ersten Weltkriegs als Faksimile-Ausgabe neu aufgelegt. Band 2 beinhaltet die Dolomitenfront. Wer sich dafür interessiert – sehr empfehlenswert. Die Einzelbände sind nur antiquarisch erhältlich.
Im Sommer (ca. Anfang Juli – Mitte September) gibt es eine Busverbindung ab Toblach zum Rifugio Auronzo (Linie 444). Leider nicht in der Vor- und Nachsaison. Ihr könnt die Tickets vorab buchen.
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