Die besten Tipps zum Bergwandern
Bergwandern ist kein Spaziergang – Das sage nicht ich, sondern die Schweizerische Beratungsstelle für Unfallverhütung bfu. Wobei ich die Aussage direkt unterschreibe. In einer umfassenden Studie zum Bergwandern stellte die bfu fest, dass Wandern / Bergwandern schweizweit die Sportart mit den meisten tödlichen Unfällen ist! Die Unfallstatistiken zeigen in den anderen Alpenländern ähnliche Zahlen. Das mag auf den ersten Blick überraschen, denn beim Wandern denkt man nicht unbedingt an lebensgefährliche Situationen. Wenn man sich genauer damit beschäftigt, wird jedoch klar, dass die Einflussfaktoren beim Bergwandern komplex und dynamisch sind. Potentielle Faktoren sind Ausrüstung (Schuhwerk), körperliche Voraussetzungen (Fitness), mentale Voraussetzungen (Selbstüberschätzung) oder objektive Gefahren (Wetter, Steinschlag). Kommen mehrere negative Faktoren zusammen wie bspw. schlechtes Schuhwerk auf rutschigen Wegen bei einsetzendem Regen, kann aus einer an sich einfachen Bergwanderung rasch eine sehr ernste und gefährliche Angelegenheit werden.
Zugegeben: Auf Bergwanderungen sind mehr Menschen unterwegs als bspw. auf Hochtouren. Die statistische Wahrscheinlichkeit für Unfälle ist allein daher schon größer. Jedoch wären viele Unfälle vermeidbar. Wie die Studie der bfu ergab, erfüllen viele Bergwanderinnen & Bergwanderer eine oder mehrere Voraussetzungen zum Bergwandern (Trittsicherheit, Fitness, realistische Selbsteinschätzung) nicht. Oft ist das notwendige Bewusstsein, was es braucht, schlicht nicht vorhanden. An diesem Punkt möchte ich gerne ansetzen und euch hier ein paar »Basics« in Sachen Planung & Taktik beim Bergwandern vermitteln.
Die Einzelheiten zur Studie des bfu gibt’s als PDF. Der ausführliche Bericht zur Studie steht allen Interessierten kostenlos zur Verfügung (»sicher bergwandern« als Suchbegriff eingeben).
Der Schweizer Alpenclub SAC hat als Konsequenz dieser Studie aktuell seine Wanderskala überarbeitet und neu gestaltet. Dazu schreibt der SAC: »Die Planung einer Bergwanderung ist von zentraler Bedeutung, um das Risiko von Unfällen zu reduzieren. Wandern ist sehr beliebt und wird immer populärer. Laut einer Studie des bfu verlieren jedes Jahr rund 50 Menschen in der Schweiz bei Wander- oder Bergwanderunfällen ihr Leben. Viele dieser Tragödien könnten mit einer gründlichen Vorbereitung vermieden werden.«
Bergwanderung planen – Infos sammeln
Eine seriöse Vorbereitung und Planung ist in vielen Lebensbereichen sinnvoll und hilfreich: Beim Vorstellungsgespräch, beim Hausbau, bei der Urlaubsplanung … Das gilt auch für Bergwanderungen. Heutzutage gibt es viele Möglichkeiten, sich differenziert zu informieren. Existierten früher lediglich Wanderkarten & Führer, bietet das Internet sehr viel mehr Informationen. Nicht alle Quellen sind jedoch wirklich brauchbar, das muss man an der Stelle klar sagen. Auch das ist ein Zeichen von Kompetenz – die »richtigen Infos« zu finden, für sich zu bewerten und zu nutzen.
Das Stichwort in diesem Zusammenhang heißt »Erfahrung«. Das mache ich übrigens noch heute so – ich informiere mich bei verschiedenen Quellen, die ich für mich bewerte und daraus meine Schlüsse ziehe. Ich komme aus einer Zeit, in der Informationen über Berge oft ein rares Gut waren. Führer mit komplett ausgearbeiteten Tourenvorschlägen waren selten. Man musste sich seine Touren selbst zusammenstellen. Wie bei einem Baukastensystem.
Fragen schaffen Klarheit
Die Frage bei einer Bergwanderung ist immer: Was erwartet mich auf der Tour? Daraus ergeben sich weitere Fragen: Wie lange dauert die Tour? Bin ich der Tour konditionell und technisch gewachsen? Gibt es kritische Stellen? Welche Ausrüstung brauche ich? Der Schweizer Alpenclub SAC stellt euch Formulare zur Tourenplanung (Tool in Form von Tabellen) zur Verfügung. Damit könnt ihr fragliche Punkte vorab sachlich und in Ruhe klären.
Zu einer vernünftigen Taktik gehört auch, sich zunächst mit einfacheren Zielen heranzutasten und nicht direkt mit anspruchsvollen Touren zu beginnen. Jeden Berg, jede Route solltet ihr ernst nehmen und mit einer gewissen Demut angehen. Es geht nicht um sportliche Höchstleistungen, sondern darum, dass ihr einen schönen Tag habt und dann vor allem, dass ihr wieder gesund zurückkehrt.
Als Einzelgänger können euch schon kleinere Zwischenfälle in eine ernste Notsituation bringen. Wie heißt es so schön: Ihr solltet einer Tour nicht nur gewachsen, sondern überlegen sein. Ich bin sehr oft allein unterwegs und schon manches Mal umgekehrt. Das ist keine Schande, sondern nur vernünftig. Wenn euer Bauch »Nein« sagt, solltet ihr unbedingt auf ihn hören. Besser einmal zu oft umgekehrt als einmal zu wenig.
Wetterberichte sind mehr als Events
Wer hätte vor etwa 30 Jahren gedacht, dass Wetterberichte eines Tages zum Event und erst noch gesponsert werden? Für eure Tourenplanung ist ein aktueller Wetterbericht aber weit mehr als das – er ist eine eurer wichtigsten Planungshilfen. Mittlerweile könnt ihr von fast überall und zu jeder Zeit den Wetterbericht abrufen. Nutzt diese Möglichkeit, auch wenn andere euch dafür vielleicht belächeln.
An dieser Stelle eine Bemerkung zum Mobiltelefon: Ihr solltet beachten, dass in den Bergen nicht überall eine Netzabdeckung gesichert ist. Euer Risiko-Management beginnt besser schon bei der Tourenplanung und nicht erst dann, wenn ihr in Schwierigkeiten steckt.
Ein Zeitplan – Nicht nur für Projektleiter
Ein wesentlicher Punkt eurer Tourenplanung ist euer Zeitplan. Dazu ist es wichtig zu wissen, wie lange die ins Auge gefasste Bergwanderung dauert. Im digitalen Zeitalter gibt es im Internet Tools um die Gehzeiten zu berechnen. Der Gehzeitrechner des Deutschen Alpenvereins ist einfach zu bedienen und besonders für Anfängerinnen & Anfänger im Bergwandern hilfreich.
Wenn ihr über die nötige Erfahrung verfügt, könnt ihr die Berechnung auch überschlagen: Oft wird dabei von 300 Höhenmetern pro Stunde für den Anstieg und etwa 450-500 für den Abstieg ausgegangen. Wenn Ihr gut trainiert seid, schafft Ihr 400 oder mehr Höhenmeter im Aufstieg und 600-700 im Abstieg.
Als Faustregel für den Abstieg könnt ihr mit etwa ⅔ der Aufstiegszeit kalkulieren. Steile und direkte Auf- und Abstiege sind schneller als Touren mit einer großen Horizontaldistanz. Die Zeitangaben in Führern, auf Wegweisern und bei Montolando verstehen sich grundsätzlich ohne Pausen. Diese addiert ihr noch hinzu. Ihr sitzt, so wie ich, gerne länger am Gipfel? Dann kommt da noch einiges an Zeit oben drauf. Und zuletzt: Wenn ihr in einer Gruppe unterwegs seid, richten sich Tempo und Zeitbedarf immer nach den schwächsten Teilnehmenden.
Niemand freut sich, wenn der Wecker klingelt …
Der Zeitplan bestimmt euren Aufbruch. So würde ich das formulieren. Oder nicht? Der beste Zeitplan nützt nur wenig, wenn darin nichts von einem frühen Aufbruch steht, ihr nicht frühzeitig unterwegs seid. Wenn morgens der Wecker klingelt, ist das für mich kein »Hurra-Moment«. Wer steht schon gerne früh auf? Wenn ihr euch aber dazu durchringen könnt, habt ihr einfach mehr vom Tag.
Immer wieder kommen Bergwanderinnen & Bergwanderer in heikle und ernste Situationen, weil sie zu spät unterwegs waren. Auf der Homepage vom Matrashaus am Hochkönig in den Berchtesgadener Alpen steht: »Starten Sie frühzeitig, denn bei einfallendem Nebel oder Schlechtwetter verlängert sich die geplante Gehzeit sehr schnell und dann hat man keinerlei Zeitreserve mehr. Fast alle Such- und Rettungsaktionen hier am Hochkönig nehmen ihren Anfang in zu spätem Aufbruch.« Alles klar? Der letzte Satz könnte nicht deutlicher sein.
Früh zu einer Bergtour aufzubrechen ist grundsätzliche eine gute Idee. Okay, es gibt Ausnahmen, wenn morgens vielleicht noch eine Front durchzieht. Und ja, auch auf Bergwanderungen im Herbst, wenn das Wetter meist sehr stabil ist, müsst ihr euch darüber nicht immer Gedanken machen. Dafür sind die Tage um diese Jahreszeit schon kurz und vielleicht fehlt euch dann nachmittags die Zeit für eine längere Gipfelrast oder für den zweiten Gipfel, den ihr noch gerne mitgenommen hättet. Schade.
… und niemand kommt gerne in Schwierigkeiten
Oder doch? Die Geschichte einer Bekannten soll die Bedeutung eines frühen Aufbruchs verdeutlichen. Sie ist sportlich und topfit, klettert Passagen im sechsten Schwierigkeitsgrad und ist auf Klettersteigen unterwegs. Mit ihrem Partner wollte sie nachmittags noch den Saula-Klettersteig zwischen Montafon und Brandnertal angehen. Für diesen Tag hatte der Wetterbericht Gewitter angekündigt. Sie waren erst gegen 15 Uhr am Lünersee aufgebrochen. Kein Scherz, so war es so im Polizeibericht zu lesen … Am Einstieg fühlte sie sich müde und sie kehrten wieder um. Bei beginnender Dunkelheit und Schlechtwetter kamen sie schließlich vom Weg ab, und sie musste nach einem Sturz mit gebrochenem Unterarm nachts von der Schweizer Rettungsflugwacht REGA gerettet werden.
»Mit Anlauf ins Unglück« – so könnte die Geschichte heißen. Ich hoffe, niemand von euch macht so etwas. Um 15 Uhr könnte man locker noch von der Hochgratbahn auf den Hochgrat steigen oder vom Hohen Kasten hinüber zum Kamor wandern. Aber keinen langen Klettersteig angehen, zu dessen Einstieg man erst einmal mehr als eine Stunde unterwegs ist. Das Problem lag auch hier in einem viel zu späten Aufbruch. Um 15 Uhr ist man eher schon wieder zurück. Oder nicht?
Daher sollte man immer frühzeitig aufbrechen. Erstens um einer möglichen Wetterverschlechterung zu begegnen, vor allem wenn Gewitter angesagt sind, zweitens um mehr Zeit zu haben und drittens weil ihr nie wisst, was der Tag noch so bringt. Im Sommer, wenn die Sonne vom Himmel brennt, ist ein Aufstieg nachmittags ungleich mühsamer. Und mit Gewittern ist definitiv nicht zu spaßen. Wer mal eines erlebt hat, muss das nicht wieder haben. Ganz ehrlich: Ausschlafen könnt ihr an anderen Tagen. Oder ihr holt das einfach nach, als kleines Nickerchen am Gipfel oder irgendwo unterwegs beim Abstieg. So mache ich es meistens.
Was andere so erzählen
Mir hatte vor längerer Zeit eine Leserin als Feedback zu einem meiner Wanderführer geschrieben, andere Wanderer hätten ihr berichtet, ein von mir als Alternative beschriebener Abstieg, wäre »von maximaler Steilheit«. Was lässt sich mit dieser Aussage anfangen? In meiner Antwort hatte ich sie gefragt, ob sie etwas über die Fähigkeiten der Wanderer weiß. Was ich euch damit sagen möchte: Ihr solltet fremden Aussagen mit einer gewissen Zurückhaltung begegnen. Ausgenommen sind Bergführer, Hüttenwarte und Einheimische, die ihre Berge kennen. Es geht nicht um generelles Misstrauen, sondern um realistische Einschätzungen. Wie ich im Beitrag über Schwierigkeitsgrade beim Bergwandern ausgeführt habe, liegen die Einschätzungen darüber, was »leicht« oder »schwierig« ist, mitunter weit auseinander.
Bevor es dann wirklich losgeht
Eine weitere Voraussetzung ist eine zweckmäßige Ausrüstung. In dem Beitrag habe ich einige Punkte angesprochen, die man auch der Planung & Taktik beim Bergwandern zuordnen könnte wie bspw. die Mitnahme von Grödel auf bestimmten Touren. Die richtige Ausrüstung ist allerdings nur wenig nützlich, wenn ihr die anderen hier besprochenen Punkte außer acht lasst.
Nun habt ihr euch für eine Bergwanderung entschieden. Seid ihr dieser Tour gewachsen? Hier könnt ihr einen Selbsttest machen, wie fit ihr seid und ob ihr bereit seid für weiß-rot-weiß markierte Bergwanderwege (entspricht in der Regel T2 und T3). Die Seite bietet euch zusätzliche Hinweise zur Planung von Bergwanderungen und zur Ausrüstung, nach dem Motto »gut geplant – gut ausgerüstet – gut unterwegs«.
Swiss-Made
Falls ihr euch ein wenig wundert, warum ich oft Schweizer Seiten zitiere, hat das einen einfachen Grund: In der Schweiz existiert schon sehr lange ein relativ einheitliches und homogenes Konzept für Wanderwege und Bergwanderwege, das sich von den anderen Alpenländern abhebt. Hinzu kommt noch, dass sich die Schwierigkeitsangaben auf diesem Blog auf die Wanderskala des SAC beziehen. Die Empfehlungen des SAC, der Schweizer Wanderwege und die Tipps von Montolando lassen sich auf Bergwanderungen in den anderen Alpenländern übertragen.
Ganz gleich, für welchen Titel ihr euch entscheidet – für Anfängerinnen & Anfänger im Bergwandern sind die drei Bücher gleich empfehlenswert. Sie sind von ausgewiesenen Fachleuten geschrieben, die ihr umfangreiches Wissen weitergeben. Um Missverständnissen vorzubeugen: Eins davon reicht!
Dick, Andreas & Schulte, Dirk: Alpin-Lehrplan 1: Bergwandern – Trekking (Wissen & Praxis), Hrsg. vom Deutschen Alpenverein (DAV), Bergverlag Rother, München, 8. Auflage 2023.
Perwitzschky, Olaf: Bergwandern – Bergsteigen: Basiswissen (Wissen & Praxis), Bergverlag Rother, München, 3. Auflage 2021.
Volken, Marco et al.: Ausbildung Bergwandern / Alpinwandern – Planung / Technik / Sicherheit, SAC-Verlag, Bern, 2023.
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