Leichter 3000er in der Schweiz
Mit Zermatt verbindet man meistens das allgegenwärtige Matterhorn und hochalpine Bergtouren auf 4000er. Auch in Sachen Bergwandergipfel ist das Mattertal eine sehr interessante Adresse. Wer gerne leichte 3000er besteigt, hat im Mattertal viele Möglichkeiten. Der wohl einfachste und gleichzeitig einer der höchsten leichten 3000er in der Schweiz, nicht nur im Wallis, sondern im gesamten Alpenraum, ist das Oberrothorn.
Das Oberrothorn ist ein eher eintöniger Gipfel, besonders nach Westen und Süden hin. Nach Norden und Osten zeigt der Berg aber durchaus ein wilderes Gesicht, so von der Täschhütte oder der Pfulwe, einem anderen leichten 3000er rund um Zermatt. Der Name Oberrothorn ist sehr passend und kommt von den roten Gesteinen. Die Farbe wiederum ist ein Hinweis auf einen hohen Eisengehalt der Gesteine.
Die nahe Seilbahn verhilft zu einem kurzen Anstieg. Daher gehört der Berg leider auch zu den eher überlaufenen Gipfeln. Es empfiehlt sich also eine Besteigung außerhalb der Saison, also im September (oder vielleicht Oktober) und möglichst an einem Wochentag. Wer dann noch auf der hier vorgeschlagenen Variante vom Unterrothorn über den Ritzengrat absteigt, kommt in den Genuss einer besonders schönen Rundtour. Der Grat lässt sich selbstverständlich auch im Aufstieg begehen, aber ihr habt in diesem Fall stets das verbaute Unterrothorn im Blick. Im Abstieg hingegen wandert ihr direkt auf die beeindruckenden 4000er zwischen Weisshorn und Dent Blanche zu. Ein echter Genuss, den ihr euch allerdings im Stehen gönnen solltet und nicht beim Wandern!
Erinnerungen, Erlebnisse und Geschichten
Als Kind hatte ich bei meinem Vater gezeichnete Panoramen von Zermatt und Umgebung gesehen. Darin waren auch Wege zum Oberrothorn und zum Mettelhorn eingezeichnet. Zwei Berge über 3400 m – da wollte ich natürlich eines Tages hoch.
Das erste Mal war ich im September 1989 am Oberrothorn. Eine Zeit der Veränderungen. Ich war als Reiseleiter mit dem Glacier Express unterwegs. Die Reisebüro-Kette, bei der ich meine Ausbildung absolvierte, war zugleich Veranstalter mit eigenem Programm. Unter anderem auch spezielle Angebote für Zeitungsabonnenten wie die Fahrt mit dem Glacier Express. Das alles in drei Tagen, ein echter Stress und letztlich nicht viel preiswerter als wenn man eine ganze Woche gebuchte hätte. Als Mitarbeiter wurde mir angeboten, mitzufahren. Dafür sollte ich während der Fahrt den Reisenden ein wenig die Landschaft, Berge und Orte erklären und organisatorische Aufgaben übernehmen. Natürlich hatte ich Lust dazu, als Azubi hätte ich mir so einen Trip nicht leisten können. Und mit dem Glacier Express wollte ich schon lange mal fahren.
In Zermatt hatte ich einen freien Tag zur Verfügung. Die meisten Gäste fuhren mit der Zahnradbahn auf den Gornergrat. Danach stand mir der Sinn überhaupt nicht. Mein Ziel war das Oberrothorn. Von meinem Hotel stieg ich nach dem Frühstück ziemlich genau 1600 Hm zum Gipfel. By fair means, ohne Bahn. Das Ganze erst noch ohne Verpflegung, denn ich hatte vergessen, einzukaufen. Eine Tafel Schokolade am Gipfel musste reichen.
Am Gipfel war nicht allzu viel los, obwohl es ein Sonntag war. Ich kam mit einem anderen Einzelgänger ins Gespräch. Es stellte sich heraus, dass er Chemiker aus Jena war und einen Forschungsauftrag an der Uni Basel hatte. Er war also ganz »offiziell« im Westen. Wir sprachen über unsere »unterschiedlichen Welten« und er erzählte mir, dass bei seiner Tante ein großes Bild vom Matterhorn hing und er sich sein ganzes Leben gewünscht hatte, einmal das Matterhorn in echt zu sehen. Als er nach Basel kam, fuhr er gleich am ersten Wochenende nach Zermatt, um sich diesen Wunsch zu erfüllen. Er erzählte mir auch von »seinen Gebirgen« in Osteuropa, der Hohen Tatra, den Karpaten und dem Rila-Gebirge in Bulgarien. Gemeinsam stiegen wir vom Gipfel zum Berghaus Fluhalp ab und genehmigten uns auf der Terrasse einen großen Salatteller vom offenen Buffet. Danach trennten sich unsere Wege wieder. Für mich eine der interessantesten Begegnungen in den Bergen. Bis heute.
Bergwandern im Angesicht der 4000er-Giganten
Viele Bergwanderinnen & Bergwanderer fahren mit der Bahn bis auf’s Unterrothorn. Damit wird der Berg zur Halbtagestour degradiert. Das wäre schade, denn der Weg vom Blauherd zur Furggji bietet schöne Ausblicke auf die gewaltigen Gletscherberge zwischen Stockhorn und Strahlhorn.
Mit der nötigen Trittsicherheit ist das Oberrothorn ein einfacher und je nach Routenwahl und Varianten gemütlicher bis anstrengender Gipfel. Probleme sind allenfalls bei Nässe und Schnee zu erwarten. Trotz eines guten Weges bis zum Gipfel und der nahen Zivilisation darf aber nicht vergessen werden, dass ihr euch hier deutlich über der 3000-Meter-Grenze bewegt. Daher solltet ihr auch im Hochsommer auf die angemessene Ausrüstung & Bekleidung achten! Beim Abstieg über den Ritzengrat ist ebenfalls Trittsicherheit erforderlich, eine kurze Passage mit Drahtseil ist harmlos. Natürlich könnt ihr auch vom Unterrothorn mit der Bahn ins Tal schweben, aber der Ritzengrat ist einer der schönsten Wege rund um Zermatt.
Oberrothorn
Von der Bergstation Blauherd, 2571 m, folgt ihr zunächst dem beschilderten Pistenweg, der die Südflanke des Unterrothorns (Rote Wäng) quert. Auf ca. 2780 m Höhe stößt von rechts der Anstieg vom Berghaus Fluhalp (auf alten Karten Berggasthaus Flue genannt) dazu. Gemeinsam geht es in nördlicher Richtung hinauf zur Furggji, 2981 m, dem Sattel zwischen Unter- und Oberrothorn.
Der weitere Anstieg führt zunächst nur leicht steigend in die breite und oberhalb des Wanderweges sehr steile Südflanke hinein. In bequem angelegten Kehren gewinnt der Pfad in dieser Flanke rasch an Höhe, passiert eine etwas unangenehme schuttbedeckte Platte und gelangt so auf die weniger steile Südostseite des Berges. In Kehren erreicht ihr auf etwa 3320 m den Südkamm, von wo aus Wegspuren auf verschiedenen Varianten rasch zum Gipfel des Oberrothorns, 3414 m, leiten.
Die Szenerie könnte kaum großartiger sein – abgesehen vom Montblanc stehen ringsum die höchsten Gipfel der Alpen: Monte Rosa, Weisshorn, Mischabelgruppe und der berühmteste Berg der Alpen, das Matterhorn. Selbst die Dent Blanche schaut hinter dem Obergabelhorn noch hervor.
Für den Abstieg gibt es bis zur Furggji keine Alternative. Vom Sattel erreicht ihr über den breiten Pistenhang das aussichtsreiche, aber leider völlig verbaute Unterrothorn, 3103 m. Trotzdem ist die Rundsicht von hier oben wunderschön, vor allem nach Westen. Dazu gibt’s Tiefblicke auf Zermatt.
Über den Ritzengrat nach Zermatt
Links (westlich) neben der Bergstation Unterrothorn beginnt der am Gipfel nicht ausgeschilderte Abstieg über den Ritzengrat. Er bietet wunderschöne Ausblicke auf die Kette zwischen Weisshorn und Zinalrothorn. Zunächst kurz steil hinab, anschließend geht’s meist in leichtem Auf und Ab auf der Grathöhe entlang. Der Weg ist breit und nirgends ausgesetzt, ab und zu geht’s auch durch einfaches Blockgelände. Bei P. 2899 m senkt sich der Grat steiler ab und in einer kurzen Schuttrinne bei P. 2763 m hilft ein Drahtseil nach unten. Anschließend ist dieser wunderschöne Abschnitt leider viel zu schnell vorbei.
Über Grashänge erreicht ihr in Kehren den Europaweg und bald darauf die oft fotografierte Alpsiedlung Tufteren, 2215 m (bei Swisstopo mittlerweile »Tuftra«). Ab hier folgt ihr dem markierten Weg hinab durch den Wald bis Tiefenmatten, eine Waldlichtung bei P. 1872 m. Hier könnt ihr entscheiden, ob ihr direkt zum Bahnhof Zermatt möchtet. In diesem Fall zweigt ihr rechts ab. Wenn ihr eher die Kirche zum Ziel habt, bleibt ihr links und gelangt so zur Talstation der Sunnegga-Bahn und ins Zentrum von Zermatt.
Abstiegsvariante über Findeln
Von der Furggji lässt es sich auch gut via Berggasthaus Flue, Stellisee und Findeln nach Zermatt absteigen. Zugegeben – im oberen Teil müsst ihr dabei die negativen Erscheinungen des Wintersports ertragen, dafür genießt ihr ab Findeln wieder sehr schöne Wanderwege. Und der Blick von Findeln zum Matterhorn, gehört definitiv zum Schönsten, was Zermatt zu bieten hat. Zeitbedarf ca. 3 Std. ab Furggji bis Zermatt, T 2.
Ausgangspunkt
Zermatt, Endbahnhof der Matterhorn-Gotthard-Bahn. Bahnverbindung ab Visp via Stalden und Täsch (140). Oder mit dem Auto bis Täsch, dort gebührenpflichtige Parkplätze. Seilbahn von Zermatt zur Station Blauherd (2290).
Endpunkt
Zermatt, Bahnhof der Matterhorn-Gotthard-Bahn. Fahrt von hier nach Täsch oder weiter nach Visp.
Zeiten & Höhenmeter
Blauherd – Furggji 1¼ Std.
Furggji – Oberrothorn 1¼ Std.
840 Hm
Oberrothorn – Unterrothorn 1 Std.
Unterrothorn – Tufteren – Zermatt 2½ Std.
1800 Hm
Anforderungen & Jahreszeit
T3-, Trittsicherheit
Juni bis September, evtl. noch im Oktober, je nach Schneelage
Rotten Verlag, Wanderkarte 7 Zermatt, 1:25 000. Basiert auf Swisstopo. Die beste Karte mit Zeitangaben bei den Wanderwegen. Topp!
Swisstopo 33, 3306 T Zermatt – Saas Fee (wasserfest, Vergrößerung der 50er-Karte).
Swisstopo-App für Smartphone und Tablet.
Infos und Blattschnitte bei Swisstopo.
Bauer, Marianne & Waeber, Michael: Walliser Alpen, Gebietsführer für Wanderer, Bergsteiger und Kletterer, Bergverlag Rother, München, 14. Auflage 2012. Seit vielen Jahren das Standardwerk. Der Führer ist nicht nur für Hochalpinisten geschrieben, enthält viele Bergwandergipfel und Höhenwege. Bei der Fülle an Informationen erstaunlich preiswert. Topp!
Bahnzhaf, Bernhard Rudolf / Biner, Hermann / Burgener, Beat: Alpinführer Walliser Alpen 4-5, Vom Theodulpass zum Simplon, SAC-Verlag, Bern 2009. Beschreibt alle sicheren und lohnenden Routen auf die Gipfel zwischen Zermatt und Simplonpass, darunter auch viele Bergwanderungen.
Zermatt ist nicht mit dem Auto erreichbar, nur mit der Bahn von Visp via Täsch (140). Autos müssen spätestens in Täsch abgestellt werden, hier hat es gebührenpflichtige Parkplätze. Nach Täsch führt eine gut ausgebaute Straße von Visp über Stalden.
Die Schweiz hat das beste System des öffentlichen Verkehrs – zumindest im Alpenraum. Ich habe selbst ein Halbtax-Abo (»Schweizer Bahncard«). Das Halbtax ist nicht nur in den Zügen, sondern auch in Bussen und vielen Bergbahnen gültig. Wer mehrere Tage im Wallis unterwegs ist, sollte gut nachrechnen – das Halbtax-Abo kann sich hier sehr schnell amortisieren! Zugegeben: Die Bahntickets sind nicht gerade preiswert, Parkplätze und Parkhäuser aber auch nicht.
Infos zu Preisen und Verbindungen:
Der Beitrag hat dir gefallen? Du hast Fragen? Du möchtest Feedback geben? Schreib mir gerne an peter@montolando.com. Ich freue mich über deine Nachricht.