Wandern im Nordosten der Lechtaler Alpen
Die Lechtaler Alpen sind eine Gebirgsgruppe der Nördlichen Kalkalpen. Eine bedeutende. Hier steht der einzige 3000er der Nördlichen Kalkalpen, die 3036 m hohe Parseierspitze. Von 37 Gipfeln der Nördlichen Kalkalpen, die höher sind als 2800 m, liegen 22 in den Lechtaler Alpen. Mehr als die Hälfte in einer einzigen Gebirgsgruppe. Diese Zahlen sprechen für den hochalpinen Charakter der Lechtaler Alpen.
Vom geologischen Aufbau ähneln die Lechtaler Alpen den benachbarten Allgäuer Alpen auf der gegenüberliegenden Lechtal-Seite. Ein buntes Durcheinander verschiedenster Sedimentgesteine auf engem Raum. Das ergibt sehr abwechslungsreiche Landschaftsbilder. Das voherrschende Gestein ist auch hier der Hauptdolomit. Ein hartes Sedimentgestein, das hohe Wände und zerrissene Grate bildet. Dazu ist es oft brüchig und nur wenig zuverlässig. Unter den Gipfeln liegen oft große Schutthalden.
Im Nordosten sind die Lechtaler Alpen längst nicht mehr so hoch wie in anderen Teilen des Gebirges. Die ganz hohen Gipfel fehlen hier. Die Namloser Wetterspitze zählt in Sachen Höhe nicht einmal zu den Top 100, mit einer Schartenhöhe von 740 m dennoch zu den bedeutendsten Gipfeln der Lechtaler Alpen. Nördlich vom Hahntennjoch gibt es lediglich drei Gipfel, die maximal 100 Meter höher sind – alle drei in der Heiterwand ziemlich nahe beieinander und entfernt genug. Einer tollen Rund- und Fernsicht steht also nichts im Wege. Durch die südseitige Exposition des Gipfelhangs, ist eine Besteigung auch im Herbst möglich und lohnend.
Wer die Namloser Wetterspitze von Norden sieht, kommt kaum auf die Idee, dass man dort einfach hinauf steigen kann. Ganz anders von Süden: Hier leitet ein nur wenig geneigtes Pultdach leicht zum Gipfel. Wenn ihr trittsicher seid, ist dieser Berg ein echtes Top-Ziel! Ein solide Kondition solltet ihr mitbringen. Mehr als 1350 Höhenmeter sind kein Pappenstiel.
Es gibt noch einen weiteren Anstieg zur Namloser Wetterspitze, als den hier beschriebenen: durch das Plötzigtal. Er deckt sich ab dem Putzenjoch mit dem Anstieg von Fallerschein. Diesen Weg kenne ich nicht, er dürfte aber in etwa die gleichen Anforderungen stellen. Ausgangspunkt ist ein kleiner Parkplatz, 1347 m, an der Straße von Bschlabs zum Hahntennjoch. Der Steig ist zu Beginn identisch mit dem Weg zur Anhalter Hütte. Vor der Plötzigalm zweigt der Anstieg links ab, hinauf ins Putzenjoch und zuletzt wie unten beschrieben zum Gipfel.
Die Wetterspitze über dem abgelegenen Dorf
Warum ist sie eine »Wetterspitze«? Dazu schrieb Heinz Groth im Kleinen Führer Lechtaler Alpen (Bergverlag Rother, 3. Auflage 1979): »Da sie das Unglück hat, südwestlich des Dorfes zu stehen, ist sie für alle hinter ihr auftauchenden Gewitter verantwortlich.« Das weniger als 100 Einwohner zählende Dorf Namlos liegt versteckt im gleichnamigen Seitental des Lechtals. Auf der Homepage der Gemeinde ist zu lesen, dass sich der Name von einem Einsiedler namens Amel ableitet. Daraus wurde zuerst Amles, dann Namles, bevor es schließlich zu Namlos wurde.
Die Besiedlung erfolgt nicht aus dem Lechtal, sondern aus dem Inntal von Imst aus. Bis Ende des 13. Jahrhunderts gehörten die Almen zu Imst. Namlos dürfte wohl zu den abgelegensten Dörfern in Tirol zählen. Es gibt zwei »Auswege« per Straße: Nach Stanzach im Lechtal oder über Rinnen nach Berwang. Im Ort gibt es ein Gasthaus, ein weiteres im Teilort Kelmen Richtung Berwang. Ihr sucht Ruhe und Stille? Dann seid ihr hier genau richtig. Einen Ausflug lohnt die Hängebrücke Fallerschein. Sie befindet sich ein Stück weit unterhalb des Ausgangspunktes der Tour zur Wetterspitze.
Erinnerungen, Erlebnisse und Geschichten
Meine erste Bekanntschaft mit der Namloser Wetterspitze war eine Familientour. Wir verbrachten ein paar Tage auf der Anhalter Hütte. Das war damals unser Sommerurlaub. Der Gipfel stand ganz oben auf unserer Liste potentieller Gipfelziele. Leider kamen wir an dem Tag nur bis zum Grubigjoch, einem Vorgipfel. Am Himmel zeichnete sich ab: Das Gewitter würde schneller sein. Wir stiegen wieder ab und erreichten die Hütte kurz vor dem Gewitter. Es hätte uns wohl direkt am Gipfel erwischt. Also alles richtig gemacht. Am nächsten Tag schafften wir dafür zwei Gipfel: Morgens den Imster Mitterberg und nachmittags den Tschachaun.
Beim zweiten Versuch exakt 30 Jahre später gab es keine Wettersorgen. Von morgens bis abends Sonne pur. An einem wunderschönen Tag im Juli verbrachte ich etwa vier Stunden am Gipfel.
Anhalter Hütte
Ein Höhenunterschied von 1350 m ist euch zu viel? Auch dann müsst ihr nicht auf den Gipfel verzichten. Ihr könntet auf der Fallerscheinalpe übernachten und so die beschriebene Tour auf zwei Tage verteilen.
Ganz in der Nähe der Namloser Wetterspitze liegt auch die Anhalter Hütte des DAV. Eine andere gute Alternative, um die Höhenmeter aufzuteilen. Der Anstieg von der Anhalter Hütte deckt sich ab dem Imster Grubigjöchl mit dem von mir in Abstiegsrichtung beschriebenen Weg. Bis zum Gipfel solltet ihr mit 2¾ Std. rechnen. Trittsicherheit ist hier ebenso erforderlich wie am Anstieg von Fallerschein.
Die Anhalter Hütte ist perfekt für einen Familienurlaub: Der Zustieg vom Hahntennjoch über das Steinjöchl ist mit 1½ Std. und wenig Höhenmetern auch für Kinder gut geeignet. Es warten einfache und kurze Gipfelziele und viele Tiere. Etwas unterhalb der Hütte gibt es noch einen kleinen Bergsee, den Kromsee.
Die Anhalter Hütte ist Ausgangs- oder Endpunkt für den Anhalter Höhenweg. Dieser führt über mehrere Gipfel (Grubigjoch, Egger Muttekopf, Bschlaber Kreuzspitze, Mittlere Kreuzspitze, Elmer Kreuzspitze), mit vielen Gegenanstiegen von oder nach Elmen im Lechtal. Heinz Groth bemerkte dazu: »Das Superding von Elmen dreht von Elmen aus keiner, weil es über menschliche Kraft geht.«
Das Ganze bei 1390 Hm im Anstieg und 2450 Hm im Abstieg und einer Wanderzeit von 10 Stunden. Ohne Pausen. Und auch nur dann, wenn die Anhalter Hütte Ausgangspunkt ist. Ab Elmen könnt ihr einfach die Höhenmeterangaben tauschen und dürft von einer Zeit von mindestens 12-14 Stunden ausgehen. Also nur etwas für konditionelle Größen.
Wanderung von Fallerschein zur Namloser Wetterspitze
In den Führern ist meistens die Gehzeit ab Fallerschein angegeben. Die schmale Straße dorthin ist für den allgemeinen Verkehr gesperrt. Euer Ausgangspunkt ist der Parkplatz an Straße nach Namlos. Es kommt also noch etwa eine halbe Stunde Gehzeit hinzu. Was zunächst wie ein großer Nachteil aussieht, wendet sich bei einer Überschreitung der Wetterspitze zum kleinen Vorteil. Hättet ihr Lust, am späten Nachmittag oder Abend noch eine halbe Stunde nach Fallerschein zu laufen? Eben.
Vom Parkplatz, 1178 m (auf der Alpenvereinskarte »Hohe Brugg’n«), zunächst der Straße entlang zum Sommerdörfchen Fallerschein, 1302 m. Weiter geht es nun auf einem Wanderweg durch das Sommerbergtal. Auf ca. 1500 m ist ein steiler Hang zu queren, danach überschreitet der Weg den Sommerbergbach. Bislang führte er stets in südlicher Richtung. Auf einer Höhe von ca. 1750 m dreht er nach Osten ab und in vielen Kehren erreicht ihr das Sommerbergjoch, 2098 m. Es hat keinen Namen in den Karten, wird aber auf Wegweisern so genannt. Wir sind hier nicht ganz am Putzenjoch. Dieses befindet sich etwas weiter unterhalb, versteckt hinter einer kleinen Kuppe. Es handelt sich also um eine Art Doppeljoch. Unser Sattel ist kein echtes Joch, sondern lediglich eine Wegverzweigung.
Ab hier verläuft der Steig dann steiler als bislang in Kehren durch die Südwestflanke. Das Gelände wird schrofiger und felsiger. Gleichzeitig weitet sich die Rundsicht immer mehr. Weiter oben legt sich der Berg etwas zurück. Nun quert der Steig das nach Süden geneigte Gipfeldach und von rechts fädelt der Anstieg von der Anhalter Hütte ein. Kurz darauf erreicht ihr das große Gipfelkreuz auf der Namloser Wetterspitze, 2553 m.
Die Rundsicht reicht bei einem Berg mit einer Schartenhöhe von 740 m natürlich sehr weit. Der Gipfel bietet nicht nur einen guten Einblick in die östlichen und zentralen Lechtaler Alpen, sondern auch über die Südseite der Allgäuer Alpen (Hornbachkette) und das gesamte Außerfern. Ihr dürft für diesen Gipfel gerne viel Zeit einplanen, um das alles in Ruhe zu genießen.
Überschreitung von der Wetterspitze nach Namlos
Nun könntet ihr am selben Weg wieder absteigen. Wenn ihr fit seid, bietet sich eine Überschreitung an, auf der ihr die Namloser Wetterspitze noch umrundet. Zugegeben: Richtig schön ist der Abstieg bis zum Imster Grubigjöchl. Der folgende Abstieg durchs Brennhüttental nach Namlos zieht sich ein wenig. Und zuletzt an der Straße entlang von Namlos zum Parkplatz dürfte bei kaum jemand für Freudensprünge sorgen. Wenn ihr Euch aber darauf einlasst, macht ihr eine große Überschreitung, an die ihr euch gerne erinnern werdet.
Vom Gipfel folgt ihr dem Steig, der direkt und aussichtsreich über den Südostgrat Richtung Anhalter Hütte führt. Auch hier ist am Grat und im Geröll Trittsicherheit erforderlich. Der Steig überschreitet die kaum als Gipfel wahrnehmbaren Grubigköpfe, 2275 m. Kurz vor dem Grubigjoch trefft ihr auf den Anhalter Höhenweg. Hier geht’s links weiter, zunächst auf der Kammhöhe über das Grubigjoch, 2185 m. Danach steigt ihr in Kehren einen steileren Hang hinab ins Imster Grubigjöchl, 1831 m.
Falls ihr nun zur Anhalter Hütte möchtet, dann haltet ihr Euch hier rechts. Links geht’s hinab Richtung Namlos. Der Steig führt rasch abwärts durch Latschengelände und ein erodiertes Bachtal. Im untersten Abschnitt quert der Steig noch einige Gräben, bevor er in einen Fahrweg einmündet. Dieser bringt Euch, nun wieder etwas weniger mühsam, nach Namlos, 1225 m. Zum Parkplatz gibt es leider keine Alternative als die Straße entlang. Etwa 15-20 Minuten habt ihr noch.
Ausgang- und Endpunkt
Parkplatz an der Straße von Stanzach nach Namlos, kurz bevor die für den öffentlichen Verkehr gesperrte Straße nach Fallerschein rechts abzweigt. Keine Busverbindung!
Zeiten & Höhenmeter
Parkplatz – Fallerschein – Namloser Wetterspitze 4 Std.
Namloser Wetterspitze – Namlos – Parkplatz 3½ Std.
1375 Hm
Anforderungen & Jahreszeit
T3, Trittsicherheit am Gipfelaufbau im Auf- und Abstieg
Ende Juni bis Ende Oktober
Alpenvereinskarte: 3/4 Lechtaler Alpen – Heiterwand und Muttekopfgebiet, 1:25 000. Beste und schönste Karte des Gebietes.
Mayr Wanderkarte: 450 Tiroler Lechtal, 1:25 000. Doppelblatt, zwar weniger schön als die AV-Karte, dafür sehr gut lesbar und reißfest.
Kompass: 24 Lechtaler Alpen Hornbachkette,1:50 000. Kleinerer Maßstab, ähnliches Kartenbild wie die Mayr-Karte, ebenfalls reißfest.
Seibert, Dieter: Alpenvereinsführer Lechtaler Alpen, Bergverlag Rother, München, 2. Auflage 2008. Der Klassiker vielleicht besten Gebietskenner. Beschreibt alle Gipfel der Lechtaler Alpen. Eine echte Fundgrube, topp! Nur noch antiquarisch erhältlich, evtl. bei Alpen-Antiquariat Ingrid Koch oder digital (gescannte Bibliotheksausgabe).
Groth, Heinz: Kleiner Führer durch die Lechtaler Alpen, Bergverlag Rother, München, 3. Auflage 1979. Beschreibt Gipfel und Höhenwege in den Lechtaler Alpen von West nach Ost wie eine Reise. Sehr unterhaltsam zu lesen, aber längst vergriffen. Heinz Groth war auch Verfasser der ersten Ausgaben des AVF Lechtaler Alpen. Diese sind längst vergriffen und zum Teil auch veraltet. Beide evtl. bei Alpen-Antiquariat Ingrid Koch erhältlich.
Namlos ist mit Öffis leider nicht erreichbar. Über das Hahntennjoch verkehrt ca. von Mitte Mai bis Ende Oktober ein Bus, von Imst nach Elmen, Haltestellen Hahntennjoch und Plötzigtal (siehe alternative Anstiegsroute). Fahrplan-Nummer 155 (Regionale Linien). Täglich 4 Kurse in beide Richtungen.
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