Wege & Steige auf hohe Berge
Einmal auf einem hohen Gipfel zu stehen – wer von euch hat noch nie diesen Wunsch verspürt? Ganz hoch, also auf einen 4000er, geht es in den Alpen nur mit Seil, Pickel, Steigeisen und mit der nötigen Erfahrung. Oder mit Bergführer. Eine Etage tiefer sieht die Sache schon anders aus, obwohl auch die meisten 3000er nur mit der notwendigen Ausrüstung und den entsprechenden Fähigkeiten machbar sind. Doch die Geologie und die »Erfinder« des Metermaßes haben dafür gesorgt, dass es eine Schar auserwählter Gipfel gibt, die über 3000 m hoch und gleichzeitig einfach zu besteigen sind.
»Einfach« bedeutet: Einfach für geübte und erfahrene Bergwanderinnen & Bergwanderer. Montolando möchte euch nicht dazu verleiten, Touren zu unternehmen, denen ihr nicht gewachsen seid. Anfänger & Einsteiger sollten dazu vorab die Beiträge Einen 3000er besteigen für Anfänger und Schwierigkeitsgrade beim Bergwandern lesen.
Dieser Beitrag ist der Auftakt zur Serie Leichte 3000er in den Alpen. Im Jahr 2011 erschien mein Tourenführer Leichte 3000er in der Schweiz. Der Band ist schon lange vergriffen, aber noch als E-Book erhältlich. Die Touren aus dem Buch erscheinen nun hier bei Montolando. Dazu auch leichte 3000er in Südtirol und in Österreich, denn auch dort gibt es viele hohe Berge, die für Bergwanderinnen & Bergwanderer einfach erreichbar sind. Am Schluss des Beitrags findet ihr eine Liste mit den bereits publizierten Gipfeln.
Mich ziehen diese Berge seit vielen Jahren magisch an. Berge, die ein Hochgefühl vermitteln, die aber ohne Hochtourenausrüstung und ohne Bergführer bestiegen werden können. Das Ambiente auf einem 3000er ist anders als auf einem Voralpengipfel – ohne diese gering zu schätzen.
So sind Bergwanderungen in den voralpinen Regionen in der Regel von Mai bis November möglich. Auf den 3000ern in den Hochalpen ist die Saison wesentlich kürzer. Sie dauert meist von Juli bis September, bestenfalls bis Oktober. Allein schon durch die »zeitliche Verknappung« ist eine Tour auf einen 3000er speziell. Hinzu kommen völlig andere Landschaftsbilder, nicht mehr Gras und Schrofen bestimmen das Bild, sondern Fels und Eis, nicht mehr helle Kalkgesteine, sondern meist dunkle Gesteine wie Granite, Gneise, Schiefer oder Hochgebirgskalke. Einfache 3000er sind nicht nur für Bergwanderinnen & Bergwanderer interessant, die sich keine Hoch- und Gletschertouren zutrauen, sondern auch zur Vorbereitung und Akklimatisation für größere Touren.
Bergwandern über der magischen Grenze
3000 Meter – das klingt schon ganz schön hoch. In Deutschland gibt es keinen einzigen Berg in dieser Höhe und in den Nördlichen Kalkalpen steht mit der Parseierspitze nur ein Einziger. 3000er gibt es in vier Alpenländern: Österreich, Italien, Schweiz und Frankreich. Hier sind Liechtenstein, Deutschland und Slowenien raus.
In vielen Gebirgsgruppen der Alpen sind die 3000er die »Könige«, so in den Ostalpen und Bündner Alpen, in den Glarner Alpen oder Seealpen. In den Walliser Alpen und Berner Alpen sind sie manchmal »nur« Trabanten im Schatten der 4000er.
Viele der leichten 3000er zählen nun nicht unbedingt zu den schönsten Gipfeln. Oft sehen sie aus wie überdimensionierte Schutthügel. Gerade von der Aufstiegsseite. Aber irgendwie scheint das logisch zu sein – wären sie von allen Seiten scharf geschnittene Hörner, würde es wohl keine leichten Anstiege geben.
Dabei ist es ja lediglich eine Sache der Zahlenmystik. Wäre das Metermaß kleiner ausgefallen, so würden noch viele andere, teils sehr bedeutende Gipfel, zum Club der Dreitausender zählen: Pizzo Centrale, Piz Beverin, vielleicht die Schesaplana, die Zugspitze, die Ahornspitze oder sogar der Hochkönig. Wäre das Metermaß jedoch größer ausgefallen, dann würden vielleicht einige Berge ihren Dreitausender-Status verlieren: Bella Tola, Klein Furkahorn, Schwarzkogel, Sulzkogel oder Dreieckspitze.
Und zum Schluss noch dies: Selbst die Briten haben ihre Dreitausender. Da sie in Fuß messen, ist jeder Berg über 915 Meter für sie ein »richtiger« Dreitausender: eben über 3000 Fuß hoch. Der höchste Berg in Schottland, der Ben Nevis, in Metern 1345 hoch, ist in Fuß mit 4413 ein mittelgroßer Viertausender!
Anforderungen beim Bergwandern über 3000 Meter
Vielleicht gäbe es noch mehr Alternativen, je nachdem, wo wir die Grenzen für leichte 3000er ziehen. Die entscheidende Frage: Was darf man unter einem »leichten 3000er« verstehen? Diese Frage ist durchaus berechtigt, denn jeder Mensch empfindet anders, was leicht und was schwierig ist. Was für manche einfach ist, kann für andere die Grenzen des Machbaren überschreiten. Im Beitrag Schwierigkeitsgrade beim Bergwandern habe ich dies ausführlich thematisiert.
Nun will ich kurz skizzieren, wie ich »leichte 3000er« definiere. Zunächst einmal braucht ihr kein Seil, Steigeisen oder Eispickel, denn bei leichten 3000ern gibt es keinen Gletscherkontakt – außer auf kleineren & aperen Gletschern, die ohne diese Hilfsmittel gefahrlos zu begehen sind. Nur bei harten Schneefeldern (& aperen Gletschern) können Grödel zum Einsatz kommen. Möglich sind einfache Kletterpassagen im ersten Grad, wie es auf vielen Blockgraten der Fall ist. Die Hände werden dabei meist nur zur Unterstützung des Gleichgewichts eingesetzt und nicht zum »richtigen« Klettern. Auch kurze gesicherte Stellen können vorkommen, aber keine gesicherten Routen im Stil von Klettersteigen, bei denen Selbstsicherung erforderlich ist.
An dieser Stelle möchte ich gerne mit einem weit verbreiteten Irrtum aufräumen: Markierungen und Steige sind für die Schwierigkeit einer Route nicht unbedingt entscheidend. Es gibt Anstiege auf 3000er, die zwar markiert und gesichert, dennoch anspruchsvoll sind. Beispiele sind der Detmolder Grat zur Hochalmspitze in den Hohen Tauern oder viele Routen auf 3000er in den Dolomiten. Weglose Touren können technisch (und psychisch!) einfacher sein als Touren, die auf anspruchsvollen und ausgesetzten Steigen verlaufen.
Euch sollte klar sein, dass sich in Höhen über 3000 Meter die Verhältnisse rasch ändern können. Bei schlechten Verhältnissen wie bspw. gefrorenen Altschneefeldern oder Vereisung nach Neuschneefällen (besonders im Herbst) können aus an sich einfachen Touren rasch anspruchsvolle Unternehmungen werden. Daher gelten die Angaben immer für gute Verhältnisse. Ihr solltet zudem beachten, dass wegloses Gelände ein gesundes Maß an Orientierungssinn und mitunter auch psychischer Stabilität (Einsamkeit!) erfordert. Nicht zu vergessen ist auch die Höhe: Untrainierten kann die große Höhe tatsächlich zu schaffen machen. Das solltet ihr keinesfalls unterschätzen.
Die Schwierigkeiten der Touren bewegen sich zwischen T2 und T4 der Wanderskala des Schweizer Alpenclubs. Sie sind zu den »klassischen« Bergwanderungen zu rechnen. Gipfel, bei denen die Schwierigkeiten in den Bereichen T5 oder T6 der Wanderskala liegen, erscheinen hier nicht. In diesen Fällen können wir nicht mehr von »leichten Touren« sprechen. Selbst dann, wenn Markierungen und Steigspuren vorhanden sind. Auch bei guten Verhältnissen handelt es sich hierbei um sehr anspruchsvolle Touren, die ihr nur dann angehen solltet, wenn ihr den Schwierigkeiten sowohl technisch (Kletterei, Anseil-, Sicherungs- und gegebenenfalls Spaltenbergungstechnik) als auch psychisch (Exposition, Steilheit) voll gewachsen seid. Oft bewegt ihr euch bei solchen Touren in exponiertem, brüchigen und abgelegenem Gelände, in dem schlecht oder gar nicht gesichert werden kann. Für Bergwanderinnen & Bergwanderer ist ein ungesicherter »Zweier« alles andere als einfach!
Im Umkehrschluss heißt dies jedoch nicht, dass wir es hier mit einfachen Wanderungen oder gar Spazierwegen zu tun haben. Selbst die Touren im Bereich T2 stellen an euch Mindestanforderungen wie Trittsicherheit und Orientierungsvermögen. Häufig führen die Anstiege durch Blockgelände, in dem manchmal nur Wegspuren vorhanden sind. Gute Bergschuhe sind hier ein Muss. Bei schlechter Sicht kann die Orientierung zum Problem werden, nicht alle Steige sind markiert. Steinmänner sind oft die einzige Orientierungshilfe. In diesen Höhen solltet ihr auch im Sommer mit Schneefeldern rechnen. Dann sind Teleskopstöcke und Grödel hilfreich. Mehr dazu im Beitrag Ausrüstung & Kleidung beim Bergwandern.
Wenn ihr also zum ersten Mal einen »leichten 3000er« besteigen wollt, werdet ihr euch vernünftigerweise nicht gleich eine anspruchsvolle Tour im T4er-Bereich aussuchen, sondern eher mit einem einfacheren Gipfel beginnen. Ihr solltet also vorher prüfen, ob die Tour zu euren Fähigkeiten passt. Unter sicher-bergwandern.ch könnt ihr schauen, ob ihr bereit & fit seid für Bergwanderwege und euch Tipps für die Planung holen. Mehr zu diesem Thema im Beitrag Planung & Taktik beim Bergwandern.
Leichte 3000er – Listen
Die folgenden Listen enthalten die bisher bei Montolando publizierten leichten 3000er:
Leichte 3000er in Österreich
- Scheiblehnkogel – Stubaier Alpen
- Hoher Nebelkogel – Stubaier Alpen
- Kreuzspitze – Ötztaler Alpen
- Schwarzkogel – Ötztaler Alpen
Leichte 3000er in der Schweiz
- Muttler – Samnaungruppe
- Piz Lischana – Sesvennagruppe
- Schwarzhorn – Albula Alpen
- Trinserhorn – Glarner Alpen
- Oberrothorn – Walliser Alpen
- Üssers Barrhorn – Walliser Alpen
- Bella Tola – Walliser Alpen
- Sparrhorn – Berner Alpen
- Arpelistock – Berner Alpen
Leichte 3000er in Südtirol
- Dreieckspitze – Rieserfernergruppe
- Fernerköpfl & Geltalspitze – Rieserfernergruppe
- Wilde Kreuzspitze – Pfunderer Berge
- Upikopf – Ötztaler Alpen
Anfängerinnen & Anfängern im Bergwandern würde ich dringend das Studium einer Lehrschrift ans Herz legen, bevor sie einen 3000er in Angriff nehmen. Die hier gelisteten drei Titel sind gleichermaßen empfehlenswert. Sie sind von ausgewiesenen Fachleuten geschrieben, die ihr umfangreiches Wissen weitergeben. Um Missverständnissen vorzubeugen: Eins davon reicht!
Dick, Andreas & Schulte, Dirk: Alpin-Lehrplan 1: Bergwandern – Trekking (Wissen & Praxis), Hrsg. vom Deutschen Alpenverein (DAV), Bergverlag Rother, München, 8. Auflage 2023.
Perwitzschky, Olaf: Bergwandern – Bergsteigen: Basiswissen (Wissen & Praxis), Bergverlag Rother, München, 3. Auflage 2021.
Volken, Marco et al.: Ausbildung Bergwandern / Alpinwandern – Planung / Technik / Sicherheit, SAC-Verlag, Bern, 2023.
Deuble, Peter: Leichte 3000er in der Schweiz, Bruckmann, München, 2011. Vergriffen, als E-Book noch erhältlich.
Joss, Fredy: Zu den höchsten Wandergipfeln der Schweiz – Leichte Wege auf die schönsten 3000er, AT Verlag, Aarau, 2019. Hier geht es um »echte« Wanderdreitausender – fast alle Gipfel kenne ich aus eigener Erfahrung. Perfekt für Einsteiger. Tolle Fotos und tolles Design. Topp!
Meier, Janina & Markus / Aigner, Ernst: Hohe Ziele – Die besten 3000er für Wanderer in den Ostalpen, Bruckmann, München, 2. Auflage 2022. Mit vielen einfachen und empfehlenswerten Gipfelzielen für Einsteiger.
Seibert, Dieter: Leichte 3000er – Die 99 schönsten Touren mit Weg, Bruckmann, München, verschiedene Auflagen. Vielleicht der Klassiker in diesem Bereich. Konzentriert sich auf die Ostalpen mit dem Oberengadin als westlicher Begrenzung. Vergriffen. Nur noch antiquarisch erhältlich.
Daneben gibt es noch weitere Führer & Bücher über 3000er. Diese decken jedoch das gesamte Schwierigkeitsspektrum ab und konzentrieren sich nicht ausschließlich auf einfache Gipfelziele.
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