Wanderungen in der Montafoner Silvretta
Weniger hoch und weniger wild als in der zentralen Silvretta, geht es in der Heimspitz-Valisera-Gruppe zu. Die Untergruppe im Nordwesten der Silvretta liegt komplett auf österreichischem Boden. Die Heimspitze ist der zweithöchste Gipfel der Gruppe mit außergewöhnlich schönem Silvretta-Panorama.
Auch wenn die Valisera höher ist: Die Heimspitze ist klar der beliebtere, weil deutliche einfachere Gipfel. Die Valisera hingegen ist nicht einfach. Der erste Aufschwung vom Valiserajöchli besteht aus sehr steilem Gras- und Schrofengelände (über 45°!). Wer die benachbarte Zwischenspitze besteigt, kann einen Blick auf diese Passage werfen. Das ist nun eher kein Bergwandergelände und verlangt entsprechende Erfahrung!
Nicht zuletzt ist die Heimspitze eher der schönere Gipfel, denn sie zeigt sich von manchen Seiten als flache Pyramide. Der Berg ist aus Gneisen und Grasschrofen aufgebaut. Von Süden sieht die Heimspitze im Sommer wie ein grüner Grasberg aus. Nach Westen ist sie über die Zwischenspitze mit der Valisera verbunden. In nordöstlicher Richtung zieht ein felsiger Grat zur Kleinen Heimspitze und sinkt von dort über den Schwarzkopf zum Rücken des Gampabinger Bergs mit den Liften und Pisten ab.
Die Heimspitze ist zweifellos einer der schönsten Aussichtsberge im Montafon. Ich kenne knapp 30 Wanderberge im Montafon (= markierte Anstiege) aus eigener Erfahrung. Die Heimspitze zählt für mich zu den Top 5 – neben Geißspitze, Sulzfluh, Versalspitze und Tällispitz.
Vor über 20 Jahren war ich zum ersten Mal auf der Heimspitze. Leider ohne Fotoapparat. Er war zur Reparatur. Für mich fast schon »eine kleine Katastrophe«. Für den Montolando-Blog wollte ich den Gipfel nochmals machen.
Gargellen im Montafon
Gargellen liegt im gleichnamigen Tal, einem Seitental des Montafons. Es zweigt bei St. Gallenkirch vom Haupttal Richtung Süden ab. Gargellen liegt auf über 1400 m und ist damit die höchst gelegene Siedlung im Montafon, fast 750 m höher als Schruns-Tschagguns. Gargellen gehört zu St. Gallenkirch. Das Gargellental bildet mit dem Schlappiner Joch und dem Schlappintal im Prättigau in Graubünden die Grenze zwischen Rätikon und Silvretta. Die Heimspitze gilt als einer der Hausberge von Gargellen.
Zwei Wanderungen zur Heimspitze
Vergleicht man die Höhenunterschiede der beiden Wanderungen zur Heimspitze, scheint es auf den ersten Blick so zu sein, dass die Variante ab der Bergstation der Versettlabahn klar besser abschneidet. Aber nur auf den ersten Blick. Zwar ist der Aufwand tatsächlich geringer. Dennoch hat auch dieser Anstieg seine Nachteile. Einerseits kann man erst gegen 9 Uhr an der Bergstation starten, muss aber spätestens um 17 Uhr wieder zurück sein. Bei einer Wanderzeit von knapp 7 Std. bleibt also nicht viel Zeit, um die Rundsicht ausgiebig zu genießen. Beim Rückweg kommen einige Gegensteigungen dazu, die durchaus lästig sein können und die letztlich eine Höhendifferenz von insgesamt ca. 950 Hm ergeben.
Ab Gargellen kann man hingegen bei einem frühen Aufbruch den größten Teil des Anstiegs im Schatten laufen. Dieses Mal startete ich bereits um 5:30 Uhr und erreichte den Gipfel vor 9 Uhr. Nur die letzten 30-45 Min. wanderte ich in der Sonne und das zu einer Tageszeit, in der es noch angenehm kühl und frisch war. Und am Gipfel musste ich zunächst eine warme Jacke anziehen. Überraschenderweise war ich nicht allein: Zwei Männer, die bei den Matschuner Seen zelteten, erreichten mit mir den Gipfel.
Sicher: Viele mögen es nicht, früh aufzustehen und nehmen gerne die Annehmlichkeiten der Bahnen in Anspruch. Ich bin auch kein Fan davon, früh aufzustehen. Wenn ich mir aber damit die Hitze ersparen kann und eine bessere Sicht habe, ist das für mich keine Frage. Außerdem ist es morgens noch still und man kann in Ruhe seinen Gedanken nachhängen. Wenn man das denn möchte.
Eine Lösung wäre eine Überschreitung von der Versettlabahn über die Heimspitze nach Gargellen. Nachmittags ist eine Rückkehr mit dem Bus problemlos möglich. Auch das haben an diesem Tag einige gemacht.
Wanderung zur Heimspitze ab Gargellen
Ab Gargellen, 1423 m, gibt es zunächst zwei Möglichkeiten: Entweder ab der Talstation der Schafbergbahn etwas direkter durch den Wald oder entlang der Straße nach Vergalda. Oberhalb des altehrwürdigen Hotel Vergalden treffen beide zusammen. Falls ihr bereits in der Dunkelheit aufbrecht, ist die zweite Alternative vorzuziehen.
Auf dem Fahrweg durch das Vergaldener Tal bis zur Vergaldaalpe, 1820 m. Kurz dahinter zweigt der Anstieg zur Heimspitze links ab. Er führt gut angelegt in vielen Kehren durch die steilen Grashänge auf die Hochfläche des Schafbergs. Er passiert eine kleine Hirtenhütte und steigt wieder steiler zu einer Abzweigung an. Hier könnte man rechts zum Matschuner Joch queren. Links haltend wieder steiler, zum Teil durch Blockfelder bis zur Vereinigung mit dem Weg von der Versettlabahn.
Von hier durch die steile Kehle in hinauf in einen Sattel, von dem aus ihr zum ersten Mal den Gipfel seht. In einer Mulde unterhalb liegt ein kleiner namenloser See. Das Bild hält diesen wunderbaren Moment fest. Links haltend bleibt der Steig zunächst am Kamm, quert dann in die Südflanke der Heimspitze und steigt durch diese an. Weiter oben legt sich das Gelände zurück. Zuletzt über den nun flachen, blockigen Rücken zum Gipfel der Heimspitze, 2685 m, mit ihrem großen Gipfelkreuz.
Wanderung zur Heimspitze ab Versettlabahn
Von Gaschurn mit der Versettlabahn zur Bergstation, ca. 2010 m. Hier zunächst auf dem markierten Bergweg durch die Ostflanke der Burg Richtung Versettla. Teils durch Blockfelder, meist aber auf einem sehr guten Wanderweg, erreicht ihr als erstes die flache Kuppe der Versettla, 2372 m. Bereits von hier gibt es schöne Ausblicke, vor allem auf die Berge rund um das Garneratal (Hochmaderer, Litzner-Seehorn).
Jenseits des Novatals lockt seit längerem die mächtige Heimspitze. Bald ist auch das Gipfelkreuz auf der Madrisella, 2466 m, erreicht. Den Gipfel könntet ihr links auch umgehen. Mit etwas Auf und Ab und mehreren Passagen, die durchaus Trittsicherheit erfordern, wandert ihr vorbei an den drei Matschuner Köpfen zum Matschuner Joch, 2391 m.
Von hier zum Heimbühlseeli und ins Heimbühljoch, 2495 m. Links stehen die etwas chaotisch anmutenden Heimbühltürme. Noch ein Aufschwung, dann quert der Weg unter dem Heimbühl, teilweise leicht fallend, bis zur Vereinigung mit dem Anstieg von Gargellen. Nun gemeinsam mit der oben beschriebenen Route zur Heimspitze.
Rundsicht von der Heimspitze
Walther Flaig schrieb im AVF Silvretta, 8. Auflage 1975, dass die Rundsicht von der Heimspitze im Westen durch die höhere Valisera beschränkt sei und diese eine wesentlich umfassendere Rundsicht biete. Tatsächlich ist die Rundsicht nur minimal eingeschränkt, der Höhenunterschied beträgt lediglich 31 m. Nicht zuletzt sind die steilen Fels- und Schrofenflanken der Valisera selbst ein Schaustück der Rundsicht!
Vor allem das Panorama der Silvretta begeistert. Vom Fluchthorn bis zum Piz Linard ist so gut wie alles zu sehen, was Rang und Namen hat. Nur Piz Buin und Silvrettahorn (knapp rechts hinter der Schneeglocke) sind zum Teil verdeckt. Eine ganze Reihe wilder Zacken und Zinnen. Blickfang sind natürlich der Großlitzner und das Große Seehorn. Man fragt sich, wie es der steile Finger des Großlitzners noch immer schafft, der Schwerkraft zu trotzen. Aus kaum einer anderen Richtung sieht er schlanker aus als von hier.
Nicht zu vergessen, dass die Heimspitze einen interessanten Überblick über den Montafoner Anteil der Verwallgruppe gewährt. Und auch die höhere Valisera hindert uns nicht daran, einige bedeutende Gipfel im Rätikon zu identifizieren: Die Madrisa mit einer Art »Litznerturm« auf dem Gipfelplateau, Rätschenhorn, Sulzfluh, Schesaplana, Zimba …
Fast drei Stunden habe ich diese Aussicht geschaut … und im Anschluss nochmals eine halbe Stunde von der Zwischenspitze.
a) Ab Gargellen
Ausgangs- und Endpunkt
Gargellen im gleichnamigen Seitental des Montafon. Gut ausgebaute Straße von Schruns und St. Gallenkirch. Großer Parkplatz bei der Talstation der Schafbergbahn. Bus von Schruns (670).
Zeiten & Höhenmeter
Gargellen – Vergaldaalpe 1½ Std.
Vergaldaalpe – Heimspitze 2½ Std.
Heimspitze – Vergaldaalpe 2 Std.
Vergaldaalpe – Gargellen 1¼ Std.
1260 Hm
b) Ab Versettlabahn
Ausgangs- und Endpunkt
Bergstation der Seilbahn an Gaschurn, erreichbar ab Schruns mit Pkw und Bus (650).
Zeiten & Höhenmeter
Versettlabahn – Matschuner Joch 2½ Std.
Matschuner Joch – Heimspitze 1¼ Std.
Heimspitze – Matschuner Joch 1 Std.
Matschuner Joch – Versettlabahn 2 Std.
950 Hm, inkl. Gegensteigungen (zum Teil geschätzt)
Anforderungen & Jahreszeit
T2+, Trittsicherheit in der steilen Flanke und in den Blockfeldern
Juli bis Oktober (südseitiger Anstieg)
Kümmerly+Frey: 02 Montafon – Silvretta, 1:35 000, reißfest, inkl. Download der Karte für das Smartphone.
freytag & berndt: 5507 Montafon, 1:25 000.
Kompass: 032 Montafon, 1:25 000.
Mayerhofer, Rudolf: Die schönsten Bergwanderungen in Vorarlberg, Löwenzahn, Innsbruck, 10. Auflage 2020. Mit Ausschnitten der ÖK (Österreichische Karte). Eine wahre Fundgrube!
Flaig, Walther & Hermine: Alpenpark Montafon – Ein Führer durch das Tal, Russmedia Verlag, Bregenz, 13. Auflage 1998. Eine Fundgrube für alle, die sich für Geschichte, Geologie usw. des Montafons interessieren. Vergriffen, wird meines Wissens nicht mehr neu aufgelegt. Nur noch antiquarisch erhältlich.
Vergaldaalpe (nur Einkehr)
Nova Stoba (Bergstation Versettlabahn, nur Einkehr)
Gargellen ist von Schruns oder St. Gallenkirch (umsteigen) mit dem Bus (670) erreichbar. Der Wahrheit halber: Der erste Bus ist erst gegen 8 Uhr in Gargellen. Ein früher Aufbruch ist nur mit Übernachtung in Gargellen oder mit dem Auto möglich.
Gaschurn ist von Schruns mit dem Bus (650) erreichbar, Haltestelle direkt bei der Versettlabahn.
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