Golmer Höhenweg & Geißspitzsteig im Montafon

An einem sonnigen Junitag ragt vor uns die Geißspitze mit ihrem Gipfelkreuz in einen blauen Himmel, der von ein paar Schönwetterwolken verziert wird. Auf der rechten Seite sieht man den Weg, der zum Gipfel führt. Unterhalb des Gipfels und des Wegs liegen noch einige Schneefelder. Links im Hintergrund sind die Gipfel der Verwallgruppe zu sehen.
Am Geißspitzsteig – Unterwegs vom Kreuzjoch zur Geißspitze

Zwei Höhenwege im Rätikon

Der Golmer Höhenweg von der Bergstation Grüneck zur Lindauer Hütte im Gauertal ist ein Klassiker im Montafon – ein einfacher Panoramaweg mit wunderbaren Ausblicken auf die Berge im Rätikon und im Montafon. Was den Golmer Grat neben der einfachen Erreichbarkeit und der tollen Rundsicht besonders macht, sind die Gesteine, die in einem deutlichen Kontrast zu den Kalkgesteinen im Rätikon-Hauptkamm stehen.

Schon im Kindesalter war mir aufgefallen, dass die Berge am Golm, auf Tilisuna und in der Hochjochgruppe auf der anderen Talseite, ein anderes Aussehen haben als die hellen Kalke, die Berge wie Drei Türme, Sulzfluh und Zimba aufbauen. Der Rätikon zählt geologisch zu den Nördlichen Kalkalpen. Aber eben nicht ganz. Der Osträtikon ist aus kristallinen Gesteinen aufgebaut und am Golmer Grat stoßen die altkristallinen Gesteine (Gneise) der Silvrettadecke am weitesten nach Nordwesten vor. Das ergibt ein ziemlich buntes Aussehen der Landschaft. Die Gipfel zeigen eher weiche Formen, abgesehen vom Wilden Mann, den der Geißspitzsteig auf seiner Ostseite umgeht.

Rückblick vom Kreuzjoch auf den Gratverlauf zum Latschätzkopf und Golmer Joch an einem sonnigen Tag im Juni. Auf der Nordseite vom Golmer Grat liegen noch Schneefelder und der blaue Himmel wird von einigen Schönwetterwolken verziert. Im Hintergrund erheben sich die Gipfel der Verwallgruppe und des Lechquellengebirges.
Weiche Gesteinsformen am Golmer Grat – Rückblick auf Latschätzkopf und Golmer Joch

Der Geißspitzsteig ist die Fortsetzung des Golmer Höhenwegs und nur für Trittsichere empfehlenswert. Besonders dann, wenn zwischen Hätaberger Joch und Geißspitze noch Schneefelder liegen! Daher solltet ihr die Tour nicht zu früh im Jahr angehen. Ab Ende Juni sollte es passen. Infos zur aktuellen Schneelage bietet die Webcam am Golmer Joch.

Der Abstieg von der Geißspitze führt zur Lindauer Hütte das DAV, die in einmaliger Lage unter den Gipfeln der Drei Türme und der Sulzfluh liegt. Sie war »meine erste Alpenvereinshütte«. Von hier aus war ich auf der Sulzfluh und auf den Drei Türmen, bin vom Lünersee via Verajoch und Schweizertor hierher gewandert und von der Tilisunahütte über den Bilkengrat abgestiegen. Und natürlich öfters vom Golm herüber oder auch mal durchs Gauertal aufgestiegen.

Erinnerungen, Erlebnisse und Geschichten

An einem Tag im Sommer 1976 wurde meine Begeisterung für die Berge quasi »geboren«. Wir spazierten im Silbertal zum Gasthaus Fellimännle und immer wieder sah ich die Rätikon-Gipfel: Zimba, Drusenfluh, Drei Türme und Sulzfluh. Ich war fasziniert und wusste damals, dass ich eines Tages auf diesen Gipfeln stehen möchte.

Blick an einen sonnigen Tag im Juni von der Geißspitze auf Sulzfluh und Drei Türme. Die beiden Massive werden durch das Drusentor getrennt. In den nördlichen Karen der Gipfel liegt Ende Juni noch viel Schnee. Der blaue Himmel wird von kleinen Quellwolken verziert. Im Vordergrund sieht man noch den Grasrücken, der steil hinab zur Lindauer Hütte führt.
Ganz nah – Bick von der Geißspitze auf Sulzfluh und Drei Türme, dazwischen das Drusentor

Drei Türme und Sulzfluh habe ich vor vielen Jahren, in den 1980er-Jahren, gemacht. Die Sulzfluh war meine erste Solo-Tour. Ganz allein bin ich früh morgens von der Lindauer Hütte durch den Rachen zum Gipfel, der im Juli noch richtig schneegefüllt war. Die Schneefelder waren morgens hart gefroren. Aber darauf war ich vorbereitet – ich hatte einen Eispickel dabei. Der größte Moment war der Ausstieg aus dem Rachen auf das Karrenfeld, aus den dunklen Schatten hinein ins gleißende Sonnenlicht. Über dem Karrenfeld ragte der Felskopf der Sulzfluh in einen stahlblauen und wolkenlosen Himmel. Im Osten verblauten die Gipfel der Verwallgruppe. Bis heute einer der tiefsten Eindrücke meines Lebens. So intensiv erlebte ich das damals zum ersten Mal und dazu noch ganz allein. Beim Abstieg von der Tilisunahütte ins Tal wurde ich mehrfach von anderen Wanderern gefragt, ob ich den Eispickel heute schon gebraucht hätte und ob meine Eltern wüssten, dass ich hier ganz allein unterwegs bin. Mit 19 Jahren sah ich eben noch sehr jung aus … Hingegen habe ich bis heute weder Zimba noch Drusenfluh gemacht. Ganz einfach: Sie sind mir zu schwierig, ohne Bergführer würde ich beide nicht versuchen.

Ich kenne noch die alte Golmerbahn, ein Schrägaufzug, mit einer Steilheit von bis zu 71 Prozent! Man hatte fast das Gefühl, in einem senkrechten Fahrstuhl zu sitzen. Natürlich ist das von »senkrecht« noch weit entfernt, aber als Kind war das für mich schon sehr eindrücklich. 1995 ersetzten die Vorarlberger Illwerke die Standseilbahn durch eine Achter-Kabinen-Einseilumlaufbahn.

Den Golmer Höhenweg habe ich mehrfach gemacht und auch auf der Geißspitze war ich zweimal. Einmal an einem wunderschönen sonnigen und klaren Tag Ende Oktober.

An einem Traumtag im Oktober geht der Blick von der Geißspitze über die Kreuzspitze hinweg zur Schesaplana. Die Wiesen sind längst schon braun und der blaue Himmel wird von einigen Schleierwolken verziert.
Herbst auf der Geißspitze – Im Westen die Schesaplana

Was bedeutet »Golm« und woher kommt der Name?

In der benachbarten Schweiz gibt es mehrere Gipfel mit dem Namen »Gulmen«. Der Begriff wird vom lateinischen Begriff »Culmen« hergeleitet und bedeutet so viel wie Gipfel oder Bergspitze. Man darf annehmen, dass diese Bedeutung auch für den Golm zutrifft, denn die rätoromanische Bezeichnung für Culmen ist wiederum Cuolm. In Graubünden ist diese Bezeichnung häufig anzutreffen, wie der Cuolm da Latsch bei Bergün in Mittelbünden oder die Cuolms da Breil in der Surselva (Vorderrheintal). Die Ähnlichkeit zwischen Cuolm und Golm ist kaum zu übersehen. In früheren Zeiten war das Montafon von Rätoromanen besiedelt und der Name hat sich vermutlich mit der Zeit von Cuolm zu Golm gewandelt. Meist sind es abgerundete und eher wenig spektakuläre Gipfel.

Alternative Bergwanderungen am Golm

Wenn ihr nicht die ganze Überschreitung durchführen möchtet, offeriert Euch der Golmer Höhenweg eine lohnende Rundtour: Vom Hätaberger Joch könnt ihr zur Oberen Latschätz Alpe, 1733 m, absteigen und von dort auf dem Latschätzer Weg zur Bergstation am Grüneck zurück, ca. 1½. Der Golmer Höhenweg ist auch für berggewohnte Kinder geeignet – das weiß ich aus eigener Erfahrung.

Noch eine Idee: Am Kreuzjoch beginnt der Golmer Seenweg, der über das Platziser Joch und an kleinen Seen vorbei durch eine wunderschöne Hochmoorlandschaft zurück zur Bergstation führt. Vom Kreuzjoch zum Grüneck etwa 1½ Std. Solltet ihr Lust auf mehr haben, könnt ihr bis ins Rellstal absteigen. Vom Kreuzjoch zum Alpengasthof Rellstal ca. 2 Std. Die Wege sind markiert und beschildert.

An einem sonnigen Tag im Juni geht der Blick hinab ins Gauertal. Darüber baut sich das breite Massiv der Sulzfluh auf. Drusenfluh und Drei Türme verstecken sich von hier noch etwas hinter der Geißspitze. In den Karen liegt noch viel Schnee und der blaue Himmel wird von Schönwetterwolken verziert.
Noch weit entfernt – Die Rätikonfluhen vom Golm

Golmer Höhenweg

Ausgangspunkt ist die Talstation der Golmerbahn in Tschagguns-Latschau, 985 m. Von hier mit der Bahn zur Bergstation am Grüneck, 1890 m. Nach einer knappen halben Stunde habt ihr bereits den ersten Gipfel erreicht, das Golmer Joch, 2124 m. Es bietet eine wunderbare Rundsicht auf den Rätikon-Hauptkamm und über das Montafon und seine Bergwelt. Schon von hier zeigen sich die Rätikonfluhen (Sulzfluh, Drei Türme, Drusenfluh), aber sie sind noch ein gutes Stück weit weg.

Ein Gipfel, der als »Joch« bezeichnet wird? Normalerweise verstehen wir unter einem Joch einen Sattel. In von Walsern besiedelten Tälern, wie im Montafon, ist es durchaus üblich, auch Gipfel mit »Joch« zu bezeichnen. Im Montafon finden sich mehrere Beispiele: Golmer Joch, Kreuzjoch (2x), Kapelljoch, Hochjoch, Mittagsjoch, Muttjöchle … Leider ist die Umgebung des Gipfels fast komplett vom Skizirkus in Beschlag genommen. Aber der nächste Gipfel ohne technische Anlagen ist schon in Sicht.

Auf dem Bild sieht man den Golmer Höhenweg, der vom Latschätzkopf Richtung Kreuzjoch verläuft. An einem kleinen Zwischengipfel sind die Kehren bestens zu sehen. Dieser Abschnitt liegt in der Sonne, während das Kreuzjoch dahinter im Schatten liegt. Genau über dem Kreuzjoch erhebt sich die Schesaplana. Außerdem sind noch einige andere zum Teil schneebedeckte Rätikon-Gipfel zu sehen. Der Himmel ist blau, aber es hat einige Quellwolken, die die Sonne abdecken. Auch am Golmer Grat hat es noch einige Schneefelder.
Am Golmer Höhenweg – Zwischen Latschätzkopf und Kreuzjoch

Der Weiterweg, der stets über den Kamm verläuft, ist aussichtsreich und bietet keinerlei Schwierigkeiten. Auf dem Latschätzkopf, 2219 m, seid ihr den Glanzpunkten der Rundsicht wieder ein Stück näher gekommen. Weiter am Grat entlang, dabei einen kleinen Kopf überschreitend, geht’s hinüber zum Kreuzjoch, 2261 m. Kurz vor dem letzten Aufschwung könnt ihr auch direkt ins Hätaberger Joch queren. Das wäre aber schade, denn abgesehen davon, dass das Kreuzjoch die höchste Erhebung im Golmer Grat ist (die Geißspitze zählt zum Zerneuer Grat), bietet euch der Gipfel im Gegensatz zu den ersten beiden einen freien Blick nach Westen zur Schesaplana, der »Königin« im Rätikon. Beeindruckend sind außerdem die Tiefblicke zur Zaluandaalpe. Vom Kreuzjoch geht’s in wenigen Minuten ins Hätaberger Joch, 2154 m.

Geißspitzsteig

Nun beginnt der anspruchsvollste Teil der Tour, der Geißspitzsteig. Der Bergwanderweg quert in die steile Flanke unter dem Wilden Mann, dem einzigen felsigen Gipfel der Gruppe. Der Weg führt weiterhin in der steilen Flanke in einen kleinen Sattel. Hier liegen meist bis in den Frühsommer noch Schneefelder. Vorsicht! Über den Grat geht’s einfacher als erwartet zum Gipfelkreuz auf der Geißspitze, 2334 m.

Auf dem Bild sieht man den Weg, der zum Gipfel der Geißspitze führt, auf der das Kreuz zu sehen ist. Im Vordergrund ist der Grat noch breit und flach, zum Gipfel hin wird er schmäler und steiler. Der Grat ist überwiegend grasig, nur zum Teil von Felsschrofen durchsetzt. In der linken Flanke liegen noch einige Schneefelder. Hinter der Geißspitze erkennt man links die Berge des Lechquellengebirges und rechts das Schwarzhorn und die Verwallgruppe. Unter vielen Gipfel liegen noch Schneefelder. Der Himmel ist blau, mit einigen hellen Quellwolken.
Gipfelgrat – Schlussanstieg zur Geißspitze

Die Rundsicht ist formidabel. Natürlich spielen die Rätikonfluhen die Hauptrolle. Einen schöneren Blick auf die Drei Türme gibt es kaum. Besonders eindrucksvoll wirken sie, wenn noch Schnee in den nordseitigen Karen liegt.

Der Abstieg von der Geißspitze erfolgt in vielen Kehren über den teilweise steilen Südostrücken. Bei trockenem Boden gibt es keine Probleme. Bei feuchter Witterung, kann es auf dem Steig, der zum Teil aus künstlichen Tritten besteht, mitunter rutschig werden. Der Steig mündet in Talnähe in den Latschätzer Weg. Von hier sind es nur noch wenige Minuten zur Lindauer Hütte, 1744 m.

An einem Traumtag im Oktober knapp unterhalb der Lindauer Hütte, die zwischen einzelnen Bäumen hervorschaut. Darüber ragen Drei Türme und Drusenfluh in einen blauen und wolkenlosen Himmel.
Herbst im Gauertal – Die Lindauer Hütte bewacht von den Drei Türmen und der Drusenfluh

Von der Lindauer Hütte könnt ihr über den Latschätzer Höhenweg zur Bergstation zurück. Die meisten von euch werden aber vermutlich durch das Gauertal zur Talstation der Golmerbahn absteigen. Nicht täuschen lassen: Das Tal zieht sich ganz schön in die Länge. In Kombination mit Golmer Höhenweg und Geißspitzsteig ergibt das eine durchaus sportliche Tour.

Ausgangs- und Endpunkt
Talstation der Golmerbahn in Tschagguns-Latschau, erreichbar von Schruns/Tschagguns auf gut ausgebauter Straße. Ebenso per Bus. Mehr unter »ÖV«.

Zeiten & Höhenmeter
Grüneck – Kreuzjoch 1½ Std., Kreuzjoch – Geißspitze 1 Std.
620 Hm, 170 Hm
Geißspitze – Lindauer Hütte 1 Std.
590 Hm
Lindauer Hütte – Latschau 1½ Std.
780 Hm
Lindauer Hütte – Grüneck 1½ Std.
250 Hm

Anforderungen & Jahreszeit
Golmer Höhenweg T2
Geißspitzsteig T3, Trittsicherheit erforderlich
Ende Juni bis Ende Oktober

Kümmerly+Frey: 02 Montafon – Silvretta, 1:35 000, reißfest, inkl. Download Karte für Smartphone.

freytag & berndt: 5507 Montafon, 1:25 000.

Kompass: 032 Montafon,1:25 000.

Mayerhofer, Rudolf: Die schönsten Bergwanderungen in Vorarlberg, Löwenzahn, Innsbruck, 10. Auflage 2020. Mit Ausschnitten der ÖK (Österreichische Karte) und eine wahre Fundgrube!

Mayerhofer, Rudolf: Alpenvereinsführer Rätikon, Bergverlag Rother, München, 10. Auflage 2014. Der Autor beschreibt nur die üblichen Anstiege, die regelmäßige Begehungen aufweisen und verzichtet auf heikle Touren. Sehr schöne und eindrucksvolle Farbbilder.

Flaig, Günther & Walther: Alpenvereinsführer Rätikon, Bergverlag Rother, München, verschiedene Auflagen. Die »alten Flaig-Führer« (AVF) sind längst vergriffen, einige davon sind mittlerweile digital erhältlich (gescannte Bibliotheksausgaben). Teilweise bereits veraltet, aber wunderbar geschrieben. Evtl. noch antiquarisch erhältlich bei Alpen-Antiquariat Ingrid Koch.

Flaig, Walther & Hermine: Alpenpark Montafon – Ein Führer durch das Tal, Russmedia Verlag, Bregenz, 13. Auflage 1998. Eine Fundgrube für alle, die sich für Geschichte, Geologie usw. des Montafons interessieren. Vergriffen, wird meines Wissens nicht mehr neu aufgelegt. Evtl. antiquarisch erhältlich.

Hunziker Manfred: Alpine Touren Ringelspitz / Arosa / Rätikon, SAC Verlag, Bern, 2010. Enthält im Gegensatz zu früheren Auflagen auch die nördlichen Rätikon-Kämme in Liechtenstein und Österreich. Wie alle SAC-Führer zwar nicht unbedingt preiswert, aber im gewohnt exakten und souveränen Stil von Manfred Hunziker. Topp!

ÖV

Die Talstation der Golmerbahn ist ab Schuns im Montafon mit dem Bus erreichbar (Linie 605).

Fahrplan Vorarlberg
Fahrplanbuch Vorarlberg zum Download

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