Schneeschuhwandern in den Dolomiten zwischen Marmolada und Pala
Mitten in den Dolomiten zwischen Marmoladagruppe im Norden und Palagruppe im Süden liegt die Bergkette der Cima Bocche. Was sofort auffällt: Geologisch haben die Gipfel nichts mit den stolzen Kalkzinnen der Dolomiten gemein. Sie bestehen nicht aus Dolomit, sondern aus Porphyr, einem kristallinen Gestein vulkanischer Herkunft. Diese Berge sind denn auch deutlich sanfter aufgebaut als die zum Teil bizarren Gipfel der Dolomiten. Die Gruppe ist Teil des Naturparks Paneveggio Pale di San Martino.
Die Cima Juribrutto ist mit 2697 m zweithöchster Gipfel dieser Bergkette. Sie wird nur von der Cima Bocche übertroffen, die 2745 m erreicht. Die Kette der Cima Bocche wird von den benachbarten Berggruppen durch Täler und Pässe klar getrennt: Val di Fassa im Westen, Val di San Pellegrino und Passo San Pellegrino im Norden, Falcade und Passo Valles im Osten, Lago di Paneveggio und Val Travignolo im Süden. Charakteristisch ist, dass die Gipfel auf den Nordseiten mit steilen Felsflanken abfallen, sich Richtung Süden jedoch sanft abdachen. Dies zeigt sich besonders schön an der Cima Bocche und Cima Juribrutto oder der Cima di Luisa.

Die sanften Südseiten erlauben im Sommer einfache Wanderungen und Gipfelbesteigungen. Aber auch für Schneeschuhwanderungen sind sie ideal. Wobei die Cima Bocche technisch kaum schwieriger sein dürfte als die Cima Juribrutto. Hier muss man jedoch viel tiefer starten. Der Aufstieg verlangt mit einer Differenz von mehr als 1100 Hm einiges mehr an Kondition als die Cima Juribrutto!
Übrigens bestehen auch die Gipfel der Plose bei Brixen, die beiden Raschötzgipfel zwischen Gröden und Villnöß sowie der Puflatsch über der Seiser Alm aus Porphyr.
Das eiskalte Abenteuer …
Schon der Wetterbericht am Vortag ließ mich schaudern, Höchstwerte unter dem Gefrierpunkt, auch im Tal. Für 2000 m waren -7°C maximal angekündigt. Also würde es am Gipfel der Cima Juribrutto geschätzt zwischen -15°C und -20°C kalt sein. Dazu Nordostwind. Das klang nicht verlockend und sehr ungemütlich. An dem Tag hatte es auf dem 1970 m hohen Passo Rolle exakt -7°C maximal, auf der etwas höheren Paganella waren es -8,6°C.
Auch die Lawinenverhältnisse waren eher schlecht. Auf dieser Tour gibt es jedoch nur zwei kurze Passagen, die über 30° steil sind. Ich hatte aber nur noch diesen einen Tag und richtig Lust auf die Tour.
Auf der Fahrt zum Passo Valles kamen mir Zweifel, ob diese Tour eine wirklich gute Idee ist. In Paneveggio hatte es -19°C. Es gibt schönere Aussichten. Am Ausgangspunkt bei der Malga Vallazza unterhalb des Passo Valles waren es dann »nur« noch -13°C. Fast schon warm. Wie beruhigend.

Falls ihr nun denkt, es wäre wie in einem Kühlschrank gewesen, kann ich das nicht bestätigen. Es war wohl eher wie in einer Tiefkühltruhe.
Als ich den Gipfel kurz vor 11 Uhr erreichte, dürfte es bestenfalls -15°C gehabt haben. In Kombination mit dem eiskalten Nordostwind fühlte sich das vermutlich wie -30°C oder noch kälter an. Kalter Wind zehrt an den Kräften. Das merkt man so richtig, wenn man wieder unten ist. Ich war ziemlich müde. Nicht weil die Tour besonders lang gewesen wäre oder mit vielen Höhenmetern. Es war einfach nur der ständige eiskalte Wind, der mir fast keine Verschnaufpause gewährte. Meine vielleicht kälteste Tour. Auf den Bildern kann man die Kälte förmlich spüren und wer auf dem Beitragsbild genau hinschaut, erkennt rechts, wie der Wind am Gipfel über den Schnee bläst.
Trotz allem hatte ich einen wunderschönen Tag und ich kann diese Schneeschuhtour (fast) ohne Einschränkung empfehlen.
Cima Juribrutto – Charakter & Orientierung
Auch wenn die Lawinengefahr auf dieser Tour bei normalen Verhältnissen und vernünftiger Spuranlage als gering einzustufen ist, eignet sie sich für erfahrene Schneeschuhwanderinnen & Schneeschuhwanderer, die bereits einige Touren gemacht haben.
Anfängerinnen & Anfängern im Schneeschuhwandern würde ich empfehlen, auf kleineren Bergen Erfahrung zu sammeln, bevor sie die Cima Juribrutto in Angriff nehmen. Nicht falsch verstehen: Die Tour liegt im Bereich WT3, also noch in einem moderaten Rahmen. Aber hier handelt es sich um echtes Hochgebirge! Der Charakter dieser Tour ist ein völlig anderer als auf voralpinen Schneeschuhwanderungen wie am Corno di Tres oder am Schönkahler.

Bei schlechter Sicht würde ich von dieser Schneeschuhtour abraten. Zwar ist die Orientierung bei guter Sicht einfach, es hat meist gute Spuren. Bei Nebel kann die Orientierung am breiten Gipfelrücken mit vielen kleinen Mulden und Erhebungen schwierig werden. Hier sieht alles irgendwie gleich aus. Man lässt sich dann leicht in eine andere Mulde abdrängen und so die Spuren verlieren. Kommt dann noch Wind hinzu, der die Spuren verwischt, ist man schnell mal in einem Whiteout. Die Optik auf dem Bild oben täuscht – so flach wie der Gipfelhang im Bild erscheint, ist er längst nicht!
Auch Wochenenden würde ich eher meiden. Der Berg dürfte dann sehr gut besucht sein – sowohl mit Ski als auch mit Schneeschuhen, den Ciaspole.
Schneeschuhwanderung von der Malga Vallazza zur Cima Juribrutto
Von der Malga Vallazza, 1940 m, folgt ihr dem beschilderten Wanderweg Nummer 631. Schon bald wird der lichte Wald unter den Felswänden der Lastè di Juribrutto betreten. Die Spuren der Skitourengänger und Schneeschuhwanderer folgen in den Regel den Markierungen des Sommerwegs. Nachdem ihr den Wald unter euch gelassen habt, noch ein Stück weit im Talgrund aufwärts, bis sich etwa bei P. 2164 die Spuren nach links wenden. Hier in Kehren über eine Steilstufe auf den langen Rücken der Lastè di Juribrutto hinauf, den ihr etwa zwischen P. 2323 und P. 2340 erreicht. Die Stufe sieht von unten anspruchsvoller aus, als sie tatsächlich ist. Das Bild unten enstand unterhalb der Stufe – die Spuren führen von hier in Kehren nach links außerhalb des Bildes.

Oben angekommen wartet kein enger Pass, sondern eine weite Hochfläche mit viel Aussicht auf Lagorai und die Zacken & Zinnen der Pala. Sie sind der Blickfang der Tour! Dazwischen sieht man im Süden die Gipfel der Vette Feltrine, die schon fast am südlichen Alpenrand stehen.
Der Gipfel ist von hier noch ein gutes Stück entfernt, Spuren geben den weiteren Anstieg in nordwestlicher Richtung vor. Zunächst bis zu einer weiteren Steilstufe, die von unten rechts nach links oben gequert wird. Oberhalb seid ihr schon auf dem breiten Gipfelplateau. Ihr haltet euch nun stets auf dem breiten Rücken oder etwas links unterhalb. Ihr passiert ein kleines Holzkreuz und immer wieder Steinmänner, die euch gemeinsam mit den Spuren den Weg zum Gipfel weisen.
Ohne Probleme steigt ihr zum flachen und breiten Gipfel der Cima Juribrutto, 2697 m, mit Wegweiser und kleinem Gipfelkreuz. Auf dem Wegweiser wird der Berg Cima Gereburt genannt. Bei Tabacco und auf OSM heißt es einfach nur Gereburt.

Panorama von der Cima Juibrutto
Im Norden präsentieren sich die Fassaner Dolomiten mit Rosengarten, Langkofel, Sella und Marmolada. Dazwischen grüßen die Geislerspitzen und Gipfel am Alpenhauptkamm (Hochfeiler, Zillertaler Alpen) herüber.
Im Westen die Latemargruppe, die Fleimstaler Alpen und dahinter das Gipfelmeer zwischen Ortlergruppe und Brenta.

Im Süden dann der Blickfang der Rundsicht: die Zacken und Zinnen der Pala. Rechts dahinter, schon in einiger Ferne, der flache Höhenzug der Vette Feltrine oder Le Vette, wie die Italiener sagen. Weiter rechts der Lagorai. Bei klarem Wetter ist am Horizont über dem Dunst der Poebene der Apennin zu sehen.
Im Osten schließen einige Riesen der Dolomiten wie Sporapis, Antelao, Pelmo und Civetta die schöne Rundsicht.
Abstieg von der Cima Juribrutto
Eine echte Alternative zum Anstiegsweg gibt es nicht. Achtung: Beim Abstieg nicht zu früh nach rechts verleiten lassen – mögliche Spuren führen hinab in ein enges Tal und weiter zum Lago Juribrutto. Immer konsequent auf der Kammhöhe bleiben. Dies gilt besonders bei schlechter Sicht! Die einzigen etwas steileren Passagen vom Rücken in den Sattel hinab, könnt ihr dann umgehen, wenn es soweit ist.
Ausgangs- und Endpunkt
Malga Vallazza an der SP 81 von Val di Fassa über Bellamonte zum Passo Valles, von Osten (Falcade) über den Passo Valles erreichbar. Parkplatz. Kein ÖV.
Zeiten & Höhenmeter Malga Vallazza – Cima Juribrutto 2½ Std.
Cima Juribrutto – Malga Vallazza 1½ Std.
760 Hm
Anforderungen & Jahreszeit WT3, Lawinengefahr nur bei extremen Bedingungen
ganzer Winter, außer bei extremer Schneelage und hoher Lawinengefahr
Tabacco: 022 Pale di San Martino, 1:25 000. Zwar liegt die Cima Juribrutto am Blattrand, es ist aber klar die beste & schönste Karte. Mit eingetragener Skiroute, was natürlich auch für Schneeschuhwanderer hilfreich ist.
Kompass: 79 Val di Fiemme, 1:50 000. Zwar kleiner Maßstab, dafür gut zur Bestimmung der Gipfel in der Umgebung sowie wasser- und reißfest.
Die Cima Juribrutto ist als Schneeschuhtour nur in italienischen Publikationen zu finden. Zumindest kenne ich keinen deutschen Schneeschuhführer über diese Region.
Unterwegs keine Möglichkeit.
Kein ÖV.
Naturpark Paneveggio Pale di San Martino (nur Italienisch & Englisch)
Naturpark Paneveggio Pale di San Martino (weniger Infos, dafür auf Deutsch)
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