Leichter 3000er zwischen Berner Oberland und Wallis
Der starke Gletscherrückgang der letzten etwa drei Jahrzehnte hat für Hochalpinisten einschneidende Konsequenzen: Heutzutage sind viele der klassischen Hochtouren nicht mehr oder nur noch unter den besten Bedingungen im Winter oder Frühjahr möglich. Für alpin erfahrene Bergwanderinnen & Bergwanderer haben sich dafür neue Ziele ergeben. Eines davon ist der Arpelistock, über dem Sanetschpass. Noch bis in die Neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts war der Gipfel auf der Nordseite eine einfache Gletschertour und nur mit der entsprechenden Ausrüstung zu begehen. Schon seit einigen Jahren kann man den Arpelistock auf schnee- und eisfreien Anstiegen besteigen und sogar überschreiten.
Der mittlerweile zweigeteilte Geltengletscher (bei Swisstopo mittlerweile Gältengletscher) scheint für einen Gletscher unter 3000 m noch nicht ganz so viel eingebüßt zu haben. Das mag daran liegen, dass Fronten aus Westen hier zuerst eintreffen und dabei bereits einiges an Feuchtigkeit in Form von Schnee liegen bleibt. Wenn ihr konditionsstark seid, dann ist die Tour vom Lauenensee (bei Swisstopo mittlerweile Louwenesee) an einem Tag machbar. Die Überschreitung des Berges hingegen ist an einem Tag ein sehr anstrengendes Unternehmen, obwohl sie oft von Gsteig aus mit Hilfe der Seilbahn zum Sanetschsee von West nach Ost durchgeführt wird. Am Arpelistock ist Französisch oft häufiger zu hören als Deutsch – kein Wunder, schließlich befindet ihr euch hier ebenso wie am benachbarten Oldenhorn auf der Sprachgrenze. Für viele Bergsteiger aus der Romandie (Französische Schweiz) ist die Region einfacher zu erreichen als aus der Deutschschweiz.
In den westlichen Berner Alpen
Über den Arpelistock verläuft die Grenze zwischen den Kantonen Bern und Wallis. Das Gipfelkreuz trägt die Wappen beider Kantone. Wer nach Norden schaut, sieht den Berner Bären, wer nach Süden schaut, die Walliser Sterne, die für die 13 Bezirke des Kantons stehen.
Der Anstieg vom Lauenensee via Geltenhütte ist eine landschaftlich sehr abwechslungsreiche Gipfeltour am westlichen Ende der Berner Alpen und zählt zum Schönsten, was man in den Schweizer Alpen unternehmen kann. Trittsicherheit und trotz der Markierungen auch ein Mindestmaß an Orientierungssinn sind nötig. Der Steig ist blau-weiß markiert, also ein anspruchsvoller und alpiner Bergweg. Bei schlechter Sicht, Nässe, Schnee und Eis ist die Tour nicht zu empfehlen.
Eine gute Kondition gehört in jedem Fall zur Grundausstattung! Als Tages- oder Zweitagestour möglich. Der Anstieg von der Walliser Seite oder von Gsteig via Sanetschpass (Col du Sanetsch, Col de Sénin) ist landschaftlich nicht ganz so eindrucksvoll, dafür aussichtsreicher und zuletzt auch etwas anspruchsvoller.
Erinnerungen, Erlebnisse und Geschichten
Zweimal war ich am Arpelistock. Das erste Mal einfach, weil ich einen leichten 3000er machen wollte. Ich war im Urlaub im Wallis und stieg von Süden von Glarey via Col du Sanetsch zum Gipfel. Wie immer war ich früh unterwegs und schon am Gipfel, bevor der Saharastaub die Sicht komplett trübte. Am späten Nachmittag regnete es dann sogar ganz leicht – davon hatte der Wetterbericht nichts erwähnt.
Beim zweiten Mal hatte ich einen handfesten Grund, den Arpelistock zu besteigen: Gemeinsam mit zwei Kollegen arbeitete ich seinerzeit am Tourenführer Berner Oberland. Und da sollte auch der Arpelistock dabei sein. Aber natürlich von Norden, von der Berner Seite. Also musste ich nochmals hoch. Und wenn ich ehrlich bin, wollte ich das sowieso mal machen.
Ich bin ein großer Fan der westlichen Berner Alpen zwischen den Pässen von Gemmi und Sanetsch. Die Gipfel bestehen meist aus dunklem Hochgebirgskalk und zählen zu meinen absoluten Favoriten. Sie sind längst nicht so hoch wie die Kollegen weiter im Osten, aber noch immer mit einem hochalpinen Anstrich. Für alpin erfahrene Bergwanderinnen & Bergwanderer ein sehr interessantes Tourengebiet. Einige der höchsten Gipfel sind auf markierten Bergwanderwegen erreichbar. Am Wildstrubel war ich bereits dreimal und bin alle drei Normalwege gegangen. Auch auf dem etwas höheren Wildhorn durfte ich schon stehen. Wobei das noch immer eine Gletschertour ist. Ohne Erfahrung sollte man das Wildhorn nicht angehen. Auch auf der anderen Seite des Sanetsch war ich bereits: an einem Traumtag auf dem Oldenhorn. Bei den Schweizern zählen die Berge westlich des Col du Sanetsch bereits zu den Waadtländer Alpen (frz. Alpes Vaudoises).
Arpelistock von Norden – Berner Oberland
Der landschaftlich wunderschöne Weg zur Geltenhütte, der bei der Legerlibrügg, 1380 m, am Lauenensee (Parkplatz und der Bushaltestelle) beginnt, ist allein schon eine Tour wert. Auf gutem Wanderweg werden mehrere Talstufen des Geltenbachs durchquert und ihr kommt mehrfach an Wasserfällen vorbei. Höhepunkt ist dabei der Geltenschuss im obersten Teil. Bereits kurz darauf erreicht ihr die Geltenhütte, 2001 m. Nach der Hütte folgt ihr dem Wegweiser »Rottal«. Schon bald zeigen sich die ersten blauen-weißen Markierungen. In einem Linksbogen und über eine Brücke erreicht ihr das Rottal. Es wird von einem riesigen Felszirkus umgeben und über die untersten Wände von Wildhorn und Geltenhorn stürzen unzählige Wasserfälle herab. Ein sehr eindrucksvoller Talschluss!
Über Moränengelände geht es nun steiler auf die nächste Talstufe und durch Blockfelder hinauf bis in den Sattel P. 2683. Das Felsgelände darüber machte bis hierher nicht unbedingt den Eindruck, als dass es sich einfach durchsteigen ließe. Vom Sattel sieht man jedoch, dass es problemlos geht. Die guten Markierungen leiten sicher durch das Fels- und Schuttgelände. Ab und zu braucht es die Hände zum Fortkommen, schwierige Stellen gibt es aber keine. Oberhalb der Felsen wird das Gelände wieder flacher. Die Wegspur macht nun zunächst einen Bogen nach rechts und führt dann wieder links haltend auf den Gratrücken. Über den nur wenig steilen Nordwestgrat zum Gipfelkreuz auf dem Arpelistock, 3035 m.
Rundsicht vom Arpelistock
Rund- und Weitsicht sind fantastisch. Die Viertausender der Walliser Alpen und die Gipfel des Montblanc-Massivs sind im Südhalbrund aufgereiht. Im Westen stehen Diablerets und Oldenhorn, nebenan im Osten dominieren Wildhorn und Geltenhorn. Die Voralpen zwischen Chablais, Genfersee, Simmental und die Höhenzüge des Jura dahinter, schließen das Bild im nördlichen Halbrund. Dazu einfach das große Beitragsbild wirken lassen!
Arpelistock Überschreitung nach Gsteig
Ihr könnt den Arpelistock via Sanetschpass nach Gsteig überschreiten. Dazu folgt ihr der Wegspur, die sich vom Gipfel in Kehren durch die steile Südflanke hinab zieht. Im steilen Kalkgeröll sind absolute Trittsicherheit und Konzentration angesagt! Der anspruchsvollste Abschnitt ist bereits im nächsten Sattel vorbei und die Wegspur zieht durch die Flanke und erneut über ein paar leichte Felsstufen hinab zur Arête de l’Arpille. Hier mündet von links der Weg von der Cabane des Audannes ein. Dies ist ein Teilstück der vor allem in der Romandie populären Tour du Wildhorn. Über diesen aussichtsreichen Gratrücken geht’s dann zügig zum Sanetschpass, 2241 m.
Von hier Richtung Norden auf markiertem Weg hinab zum Sanetschsee, 2034 m und von dort entweder zu Fuß oder mit der Seilbahn hinab nach Gsteig (Fahrplan beachten!). Die Strecke zwischen Sanetschpass und Barrage du Sanetsch könnt ihr auch mit dem Bus zurücklegen. Infos zu den Fahrplänen unter »ÖV«.
Arpelistock von Süden – Wallis
Den Ausgangspunkt am Sanetschpass ist mit dem Bus oder mit dem Auto erreichbar. Achtung: Die Straße ist mitunter sehr steil und eng und nur für geübte Bergfahrer!
Vom Sanetschpass, 2241 m, Col du Sanetsch, führt der blau-weiß markierte Steig auf den aussichtsreichen Gratrücken der Arête de l’Arpille. Die Spur bleibt dabei stets auf der Grathöhe. Auf einer Höhe von ca. 2660 m zweigt der Weg zur Cabane des Audannes rechts ab. Der Steig zum Arpelistock bleibt links auf der Kammhöhe und führt ab nun deutlich steiler über Felsstufen hinauf. Darüber quert die Spur durch Schutt unter dem Südgrat des Gipfels bis in eine Scharte vor dem Gipfelaufbau. Zum Schluss wartet noch die steile Südflanke, durch die der Steig im steilen und bröseligen Kalkgeröll zum Arpelistock, 3035 m, leitet. Dabei kommen ab und zu die Hände zum Einsatz.
a) Von Norden – Berner Oberland
Ausgangs- und Endpunkt
Legerlibrügg am Lauenensee, Bus ab Gstaad (12.181). Erreichbar ab Gstaad via Lauenen mit dem Auto. Gebührenpflichte Parkplätze, begrenzte Anzahl!
Endpunkt evtl. Barrage du Sanetsch, Seilbahn nach Gsteig (2397), Bus von Gsteig nach Gstaad (12.1280).
Zeiten & Höhenmeter
Lauenensee – Geltenhütte 2 Std.
Geltenütte – Arpelistock 3 Std.
Arpelistock – Geltenütte 2 Std.
Geltenütte – Lauenensee 1½ Std.
1660 Hm
¾
Arpelistock – Col du Sanetsch 2 Std.
Col du Sanetsch – Barrage du Sanetsch 45 Min.
Barrage du Sanetsch – Gsteig 1¾ Std.
800 Hm (Col), 970 Hm (Barrage), 1850 Hm (Gsteig)
Anforderungen & Jahreszeit
T4, Trittsicherheit und alpine Erfahrung nötig, nicht bei Schnee und Eis
Juli bis September, Vorsicht bei Schneefeldern zu Beginn der Saison
b) Von Süden – Wallis
Ausgangs- und Endpunkt
Col du Sanetsch, Bus ab Sion/Savièse (12.344). Abschnittsweise sehr steile und schmale Straße ab Sion!
Zeiten & Höhenmeter
Col du Sanetsch – Arpelistock 2½ Std.
Arpelistock – Col du Sanetsch 2 Std.
800 Hm
Anforderungen & Jahreszeit
T4+, Trittsicherheit in der steilen Gipfelflanke, nicht bei Schnee und Eis
Juli bis September, Vorsicht bei Schneefeldern zu Beginn der Saison
Der Arpelistock liegt wie die gesamte Wildhorn-Gruppe im Schnittpunkt mehrerer Blätter von Swisstopo. Sowohl von der 25er als auch von der 50er sind immer zwei Blätter nötig.
Swisstopo 50, 5025 T Saanenland Simmental Wanderkarte (Zusammensetzung der 50er-Karte). Großzügiges Blatt, auf dem die Region zwischen Gemmipass und Diablerets bestens dargestellt ist. Sehr schön, leider nur im 50er-Maßstab.
edition mpa (Orell Füssli), Sion-Derborence Sanetsch, 1:25 000. Vielleicht die beste Lösung. Basiert auf Swisstopo. Nicht unbedingt preiswert, aber eine exzellente Wanderkarte mit eingetragenen Wanderzeiten. Lediglich am Lauenensee und zwischen Sanetsch und Gsteig fehlt jeweils ein kleiner Abschnitt. Topp!
Wenn ihr lieber mit den Originalkarten von Swisstopo unterwegs seid:
25er: 1266 Lenk & 1268 St- Léonard
50er: 263 Wildstrubel & 273 Montana
Die 50er sind auch als Wanderkarten erhältlich.
Swisstopo-App für Smartphone und Tablet
Infos und Blattschnitte bei Swisstopo.
Mosimann, Ueli: Alpine Touren Wildhorn / Wildstrubel / Blüemlisalp, SAC Verlag, Bern, 9. Auflage 2011. Zusammenfassung der ehemaligen Führer Berner Alpen 1 (Sanetsch-Gemmi) und Berner Alpen 2 (Gemmi-Petersgrat). Mit vielen interessanten Tourenideen und einem ausführlichen Abschnitt zur Geologie. »State of the art« – topp!
Geltenhütte Infos & Tipps, Karte zum Arpelistock als Download.
L’Auberge du Sanetsch (Barrage du Sanetsch)
Seilbahn Gsteig – Barrage du Sametsch (2397)
Bus (Sion – ) Savièse – Barrage du Sanetsch (12.344)
Die Schweiz hat das beste System des öffentlichen Verkehrs – zumindest im Alpenraum. Ich habe selbst ein Halbtax-Abo (»Schweizer Bahncard«). Das Halbtax ist nicht nur in den Zügen, sondern auch in Bussen und vielen Bergbahnen gültig. Wer insbesondere im Berner Oberland mehrere Tage unterwegs ist, sollte gut nachrechnen – das Halbtax-Abo kann sich hier sehr schnell amortisieren! Zugegeben: Die Bahntickets sind nicht gerade preiswert, Parkplätze und Parkhäuser aber auch nicht.
Infos zu Preisen und Verbindungen:
Schweizerische Bundesbahnen SBB
Anders als in anderen Regionen der Schweiz wie bspw. im Berner Oberland, existiert im Oberwallis kein Tarifverbund. Laut einer Studie zur Einführung eins Tarifverbunds wäre das Kosten-Nutzen-Verhältnis dafür nicht gegeben.
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